Ertönt an einem Schwingfest aus den Lautsprechern Jodelgesang, so bekommt manch einer Hühnerhaut. Auf jeden Fall mir geht es so. Ausschlaggebend für die Freude am Jodeln ist mein Grossvater, der immer an Familientreffen mit seinen Kindern und Grosskindern gerne ein paar Lieder gesungen hat. Unsere Stimme ist das Instrument, das wir jederzeit und überall dabeihaben. Beim Wandern oder beim «Chäs-teilet» wird man ab und zu Zeuge eines spontanen Konzerts.
Tradition erlernen
Da ich mich immer weniger traute, spontan mitzusingen, habe ich mich entschieden, das Jodeln richtig zu erlernen. So besuche ich seit einigen Monaten den Jodelunterricht bei Renate Lüthi, in Sumiswald BE. Sie hat sich ihre Leidenschaft zum Beruf gemacht und arbeitet hauptberuflich als Jodellehrerin, Kursleiterin, Dirigentin usw. Sie bietet auch Jodelworkshops für Firmen oder andere Gruppen an. So kann man die Tradition des Jodelns erlernen und dabei zum Jodelchor werden. «Ein Gruppenerlebnis der besonderen Art», erklärt die Fachfrau.
Der Kehlkopf muss schlagen
Die Stunde beginnt jeweils mit Lockerungs- und Aufwärmübungen und dem Einsingen. Dabei habe ich gelernt, dassdie Atemtechnik praktisch dasA und O des Singens ist. Und je länger oder öfter man singt, desto besser wird das Atemvolumen. Auch die richtige Haltung des Körpers ist ein wichtiger Punkt. Im Prinzip muss man locker dastehen. Angespannt soll nur der Bauch sein beim Singen.
Und schlussendlich kommt es auf die richtige Jodeltechnik an, damit ein Lied schön erklingt.
Das spezielle Element am Jodeln ist der Kehlkopfschlag. Dabei wechselt man von der Bruststimme in die Kopfstimme auf einen Schlag. «Dä muess chlepfe», sagte Grossvater einmal.
Das Tollste am Jodelunterricht sind eindeutig die Lieder. Bereits von der ersten Stunde an machen sie etwa die Hälfte der Unterrichtszeit aus.
Selbstbewusstsein stärken
Richtig schön wird es ab dann, wo eine zweite oder dritte Stimme mitsingt. Dann «tönts schon nach etwas». In der Schweiz jodeln Jodler oft in Chören oder in Kleinformationen mit zwei bis fünf Personen.
Jodellieder beschreiben meist die Liebe zur Natur und Heimat. Jedoch gibt es auch Stücke ohne Text, diese werden als Jutz oder Naturjutz bezeichnet. Ob nun mit oder ohne Text, die richtige Aussprache steht immer im Fokus.
Alleine ein Lied zu singen, während die Lehrerin zuhört, braucht Mut. Schnell höre ich, dass ich den Ton nicht halten kann, oder mir die Luft ausgeht, weil ich falsch geatmet habe. Beim Singen geht man also über seine Grenzen hinaus. Man baut Hemmungen ab und dadurch wird das Selbstbewusstsein gestärkt.
Für Geist und Körper
«Jodeln und Singen ist eine Therapie für Geist und Körper», beschreibt Renate Lüthi. So bietet sie auch Stunden für Personen an, die psychische oder physische Probleme haben.
Auch Psychologen sind von der positiven Wirkung des Gesangs überzeugt. So werde beim Singen gar die körperliche Leistung und Konzentration gesteigert. Zudem kann es Angstgefühle, Einsamkeit oder Trauer abbauen. Britische Wissenschaftler haben gar entdeckt, dass Singen gegen Schnarchen hilft.
Weitere Informationen: www.renate-luethi.ch