Je nach Alpaufzug ist auf vielen Alpen die Halbzeit schon vorbei. So wie es tönt, ist man mit dem bisherigen Alpsommer mehr als zufrieden. Momentan herrsche ideales «Wachswetter» mit warmen Temperaturen und regelmässigem Niederschlag, freuen sich viele Älplerinnen und Älpler. «Einen solchen Sommer würden wir jederzeit wieder nehmen», sagt auch Barbara Sulzer, Betreuerin des Alpofons auf Anfrage. Das Alpofon ist eine Hotline von Älpler (innen) für Älpler(innen). Wie Sulzer sagt, sei es dieses Jahr auch nicht überaus schwer gewesen, genügend Alppersonal zu finden.

Grosse Nachfrage nach Alpjobs

«In dieser Saison ist die Nachfrage nach Jobs auf der Alp grösser als sonst, hält Barbara Sulzer fest. Dreimal so viele Leute hätten sich gemeldet. Noch im März habe man einen Mangel an Alppersonal befürchtet, weil durch die Corona-Pandemie ältere Personen und ausländische Arbeitskräfte nicht eingesetzt werden durften. Dem Aufruf des schweizerischen Alpwirtschaftsverbands und dem Alpofon seien zahlreiche Interessenten gefolgt. Wegen der Corona-Krise haben sich auch viele Schweizerinnen und Schweizer beworben. «Dieses Jahr konnten wir die Alpstellen sicher mit 60 bis 75 Prozent einheimischem Personal besetzen», sagt die Betreuerin des Alpofons. Im Normalfall sei dies nur für 50 Prozent der Fall, die anderen 50 Prozent seien ausländisches Personal, welches vor allem aus Deutschland komme. «Es kommt aber auch immer vor, dass sich mitunter ungeeignete Personen melden würden, welche schon grosse Wünsche bei der Anmeldung hätten», weiss Sulzer. Zum Beispiel dürfe die Alp nicht zu steil sein, müsse gut erschlossen und mit einem gewissen Komfort ausgerüstet sein. «Das Älplerleben ist kein Urlaub, sondern eine strenge Arbeit», weiss sie.

Zehn Tage früher auf die Alp

Dieses Jahr konnte man auch rund zehn Tage früher auf die Alp ziehen als sonst. «Es hatte extrem viel Gras», sagte Ruedi Jordi aus Zäziwil BE, der den Sommer mit seiner Frau Margrit und den Mitarbeitern auf der Alp Imbrig an der Schrattenfluh LU verbringt. Bis jetzt sei man mit dem Alpsommer sehr zufrieden, die Kühe geben viel Milch und die Käseherstellung verlaufe problemlos. Auf der Alp Imbrig werden rund 28 Kühe,30 Rinder, zehn Kälber, und acht Ziegen gesömmert. Die anfallende Milch wird in der Alpkäserei selber verarbeitet. Der Alpkäse und die verschiedenen Mutschli können direkt ab Alp gekauft werden. Sogar nach Amerika liefern Jordis ihren Käse. Während der ganzen Alpzeit wird auch ein ­Beizli bewirtschaftet.

Viel Alpkäse

Obwohl immer weniger Milchkühe auf den Alpen gehalten werden, nehme die Käseproduktion eher noch zu. «Viele Alpbetriebe brachten früher ihre Milch ins Tal, heute wird diese in neuen, grossen Alpkäsereien verkäst», sagt Barbara Sulzer. Obwohl der Alpkäse sehr beliebt sei, müsse die Absatz-Situation im Auge behalten werden. Zusätzlichen Druck gebe diesbezüglich auch die Unsicherheit bei den Alpkäsemärkten, welche wegen der Corona-Situation teilweise schon abgesagt werden mussten.

Dass immer weniger Milchkühe gealpt werden, ist nicht ganz neu: «Vor allem im Kanton Graubünden stellt man einen starken Zuwachs an Mutterkühen fest», sagt Sulzer. Im Appenzeller-, Glarnerland oder in der Zentralschweiz und im Berner Oberland sei dieser Trend weniger spürbar. «Wird auf einer Alp neu investiert, sind die Kosten auf einer Milchkuhalp viel höher als auf einer Rinder- oder Mutterkuhalp», weiss die Alpofon-Betreuerin.

Grosse Herausforderungen

Bis zum Bettag, dem 20. September, an welchem die meisten Tiere wieder ins Tal getrieben werden, vergehen also noch ein paar Wochen. Obwohl auf den meisten Alpen bisher gute Wetterbedingungen herrschten, sehnt man sich in einigen Regionen nach Regen, so auch im Jurabogen. «Dies ist jetzt der dritte Sommer, wo wir wenig Niederschlag bekamen», sagt ein Landwirt aus Mont-Tramelan BE. Barbara Sulzer glaubt aber nicht, dass die Alpzeit wegen dem frühen Alpaufzug dieses Jahr länger sein wird als üblich. «Die Tage in den Bergen sind eigentlich vorgegeben und wenn nichts mehr wächst, wächst nichts mehr», sagt sie. Für viele Alpen bleibt das Thema Wolf in Zukunft eine grosse Herausforderung: Herdenschutzmassnahmen haben die Ziegen- und Schafalpbewirtschafter in den betroffenen Gebieten an die Grenzen ihrer Belastbarkeit getrieben. «Durch die Zunahme von Wolfsrudeln werden in die Zukunft auch die Rinderherden betroffen sein von Wolfsangriffen», befürchtet eine erfahrene Älplerin.

Viel zu tun für die Rega

In der Alpzeit und in den Sommermonaten hat auch die Rega, die schweizerische Rettungsflugwacht, viel zu tun. Verunfalltes Vieh aus schwerem Gelände rausfliegen gehört fast tagtäglich zu ihrem Job. «Vom 20. Mai bis 27. Juli haben wir diesbezüglich rund 560 Einsätze für die Berglandwirtschaft geleistet», sagt Mathias Gehrig, Mediensprecher der Rega. Die Gründe für solche Einsätze seien vielfältig: «Bei heftigen Gewittern sind Blitzschläge oder bei starken Regenfällen Bergrutsche und Steinschlag entsprechende Gefahren», hält Gehrig fest. Neben dem Wetter können aber auch Krankheiten oder Parasiten den Tieren zusetzen. Wie viele Lufttransporte bis Ende Alpzeit zusammenkommen werden, sei schwer vorauszusagen und nicht planbar.

Die Flüge kosten was

Jeder Betroffene weiss, dass die Kosten für Flüge von Nutztieren nicht ganz billig sind. Hier hat die Rega klar eine Linie: «Im Rahmen einer Familiengönnerschaft kann die Rega die Kosten für Flüge von Nutztieren bis zur nächsten, mit einem anderen Transportmittel erreichbaren Stelle erlassen, falls Versicherungen oder andere leistungspflichtige Dritte für die Kosten des Einsatzes nicht oder nur teilweise aufkommen müssen»,sagt Mathias Gehrig. Und: «Die Rega übernimmt die Organisation von Helikoptertransporten für die Berglandwirtschaft - überall dort, wo kein anderes Transportmittel eingesetzt werden kann.» Für die Flüge werden in der Regel kommerzielle Helikopter-Transportunternehmen beauftragt. Bei Transportanfragen von Landwirten, die über keine Rega-Familiengönnerschaft verfügen, verweist die Rega direkt an diese kommerziellen Unternehmen. Diese unterbreiten dann ihren Kostenvoranschlag für einen Transportflug direkt dem betroffenen Landwirt.

Gönnerbeitrag: 70 Franken

Wer Gönner bei der Rega ist, kann von vielen Vorteilen profitieren: So werden bei einer Rega-Familiengönnerschaft die Nutztiere wie Familienmitglieder behandelt. Zudem organisiert die Rega für verletzte, kranke oder tote Nutztiere Evakuierungsflüge per Helikopter an den nächstgelegenen, mit anderen Transportmitteln erreichbaren Ort, sofern nur ein Helikopter Hilfe leisten kann. «Der jährliche Beitrag für eine Familiengönnerschaft, die landwirtschaftliche Nutztiere abdeckt, beträgt 70 Franken», sagt Mathias Gehrig abschliessend.