Der Weg zum Hof von Res Büeler im St. Gallischen Rüeterswil ist steil und eng. Schon am Telefon hat der Landwirt erklärt: «Wenn du denkst, du bist ganz sicher falsch, weil die Strasse so steil wird, bist du genau richtig.» Während in den Dörfern unterhalb dicker Nebel herrscht, wird man auf dem Betrieb mit strahlend blauem Himmel und Sonnenschein belohnt. Das Rindvieh hat vom Auslauf einen Weitblick bis in die Luzerner Alpen und ins Mittelland.

Auf dem Weg zum Stall queren der Hahn und seine Hennen mit lautem Gegacker den Weg. Im Stall fressen an der Achse links und rechts die Milchkühe, Mastkälber und Aufzuchtrinder, während Büeler frisches Futter anschiebt. Nichts würde darauf hindeuten, dass hier noch vor kurzem die Blauzungenkrankheit gewütet hat.

Die Probleme hörten nicht auf

«Als wir die Weidesaison beendet hatten, dachten wir zunächst, das Virus habe uns fürs Erste verschont», erzählt Res Büeler. Doch der Schein trügte: Bereits Mitte Oktober, als die Tiere noch auf die Weide gingen, erlitt eine der Kühe eine starke Kolik. «Sie lag nur noch flach auf dem Boden und streckte alle vier Beine von sich. Ihre Schmerzen mussten höllisch gewesen sein und ich war mir nicht sicher, ob sie es überleben würde», berichtet Büeler. Damals ging der Landwirt noch davon aus, dass die Kuh auf der Weide etwas Falsches gefressen habe. Einige Stunden später stand die Kuh wieder auf allen Vieren. Von der vorherigen Kolik keine Spur mehr. Tage später folgte dann der Abort eines im achten Monat trächtigen Rindes. «Es war der erste seit langem, sodass wir uns nichts weiter dabei dachten», so der Landwirt.

Doch die Probleme hörten nicht auf. Zwei Kühe wiesen erhöhte Zellzahlen auf. Die geborenen Kälber waren klein und mager. «Es war, als hätte man ihnen über das Skelett einen Fellmantel gelegt», beschreibt Büeler die Kälber. Als die Jungtiere drei Tage nach der Geburt an Durchfall litten, vermutete der Landwirt, es könnte BVD sein. Doch die Kotuntersuchung zeigte: Weder BVD noch andere Erreger konnten nachgewiesen werden. Als Ende November ein Rind Mühe beim Fressen und vermehrten Speichelfluss zeigte, entschied sich der Tierarzt für eine BTV-Beprobung. «Es war an einem stürmischen Tag, aufgrund des Schnees musste ich den Tierarzt unten im Tal abholen», erinnert sich Büeler. Am 25. November bestätigte sich dann der Verdacht. Die Bestätigung der Seuche sei fast ein bisschen eine Erleichterung gewesen. Nun wusste man wenigstens, was los war.

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Eine Reihe von Symptomen

Insgesamt elf Symptome konnte der Landwirt während des Seuchenfalls auf dem Betrieb feststellen. «Wie hätte man da auf Anhieb darauf kommen können, dass es sich um das BT-Virus handelt?», so Res Büeler. Überstanden war die Seuche aber noch lange nicht.

Einige Tage nach der Diagnose stellte der Landwirt bei den Aufzuchtrindern erste Tiere mit geschwollenen Kronsäumen bis hin zu Schwellungen an den Sprunggelenken fest. Später folgten dann auch Mastkälber. «Die Tiere liefen wie auf Eiern. Bei jedem Schritt konnte man den Schmerz in ihren Augen sehen,», beschreibt Büeler. Behandelt wurden sie mit Schmerzmitteln. Eines der jüngeren Kälber habe es besonders stark erwischt. «Es konnte kaum mehr aufstehen zum Fressen und die Klaue war kurz vor dem Ausschuhen», sagt der Kälbermäster. Letztlich entschied sich der Landwirt, das Tier einzuschläfern. Etwa zur gleichen Zeit folgten Kälber mit Lungenentzündung. Einige Tiere litten an bis zu 41.8 °C hohem Fieber. Im Dezember folgten dann abwechselnd Durchfallerkrankungen bei allen Rindergattungen. Während der Kot an einem Tag noch unauffällig gewesen sei, habe er am nächsten Tag nur noch aus Wasser bestanden. Um eine Austrocknung der Kälber zu verhindern, tränkte der Landwirt die Tiere in regelmässigen Abständen und mischte die Elektrolyte direkt in die Milch. Da die Kühe und Rinder trotz starkem Durchfall immer noch normal frassen und von sich aus mehr tranken, verzichtete Büeler auf eine Behandlung. Denn genauso plötzlich wie der Durchfall kam, verschwand er nach zwei Tagen wieder. Bei den Kälbern und Rindern folgten ausserdem weitere Koliken, die mit Schmerzmitteln behandelt wurden.

14 kg Milch pro Tag

Die Seuche erfordere sehr viel Geduld und Nerven, so Res Büeler. «Man fragt sich, wann es endlich aufhört. Dann denkt man, es sei überstanden und am nächsten Tag kommt das Nächste», beschreibt er die Situation. Neben der zeitintensiven Betreuung der Tiere sind auch die finanziellen Verluste nicht ausser Acht zu lassen: «Die Blauzungenkrankheit hat mich rund 20 000 Franken gekostet», so der Mäster. Neben den Kosten für Medikamente musste er aufgrund des massiven Milchverlusts der Milchkühe zusätzlich Milchpulver für die Mastkälber zukaufen. «Die Kühe gaben pro Tag teilweise gerade einmal 14 kg Milch», berichtet er und blickt zu den Kühen im Laufstall. Dazu verzeichnete er drei weitere Kühe, die ins leere Euter kalbten. Während die Milchkühe abmagerten, nahmen die Kälber kaum zu. Um wenigstens einigermassen zufriedenstellende Schlachterlöse zu erzielen, muss der Landwirt einen Grossteil der Jungtiere länger mästen.

Von draussen hört man einen Lastwagen auf den Betrieb fahren. «Das wird wohl der Nachschub an Mineralfutter sein», vermutet Büeler. Eigentlich reiche der Vorrat bis zum Frühling. Durch die Seuche jedoch zeigten die Milchkühe wie auch die Rinder und Kälber einen höheren Bedarf an Mineralstoff. «Die Tiere zankten sich richtig um die Mineralstoffkessel», berichtet der Landwirt und fischt einen in Mitleidenschaft gezogenen Kessel unter dem Heu. Um die Tiere mit genügend Energie zu versorgen, erhöhte Büeler zudem die Kraftfuttermengen und fütterte sein energiereichstes Grundfutter. «Durch die Krankheit benötigen die Tiere noch mehr Energie als normal», erklärt er. Endlos erhöhen dürfe man den Kraftfutteranteil aber auf keinen Fall, da ansonsten eine Acidose riskiert werde.

«Es war, als hätte man ihnen über das Skelett einen Fellmantel gelegt»

Res Büeler beschreibt die Kälber

Was passiert im Sommer?

Während des Seuchengeschehens auf seinem Betrieb hat Res Büeler das weitere Vorgehen fortlaufend mit seiner Tierärztin besprochen. Den Behörden einen Vorwurf machen, sie hätten die Landwirte im Stich gelassen, möchte der Mäster nicht. «Zu dieser Zeit wussten sie ja gleich viel vom Virus wie wir. Auch beim Überstehen der Seuche können die Behörden nur wenig helfen», begründet er. Viel mehr wünschte sich Büeler aber jetzt die Aufmerksamkeit der Behörden.

Eine vektorfreie Zeit, wie sie das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen bis voraussichtlich Ende März ausgerufen hat, gibt es für ihn nicht. «Für die Überträgermücken gibt es keinen Winterschlaf, das sieht man an den aktuell immer wieder neuen Virusausbrüchen», so Büeler. Die neu aufgetretenen Symptome gelte es nun, aufzunehmen und die Landwirte bereits heute auf einen erneuten Ausbruch zu sensibilisieren. «Was geschieht im Sommer auf den Alpen, auf Kälber- und Rindermastbetrieben, wenn Tiere von unterschiedlichen Betrieben zusammenkommen?», fragt sich Büeler.

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«Bleibt euch selbst treu»

Auf die Frage, ob er seine Tiere impfen werde, antwortet Res Büeler entschlossen: «Wenn ich die Kosten beim ersten Ausbruch mit den Impfkosten vergleiche, dann lohnt es sich für mich allemal.» Zudem könne nicht mit Sicherheit gesagt werden, wie lange die durch die Erkrankung gebildeten Antikörper die Tiere wirklich vor dem Virus schützten. Seine Tiere noch einmal so leiden zu sehen, möchte er, wenn möglich, vermeiden. «Einen hundertprozentigen Schutz gibt es auch bei der Impfung nicht, aber einen Versuch ist es wert.»

Aktuell sei der Betrieb auf einem guten Weg, sich vom Virus zu erholen. «Die Milchleistung der Kühe ist wieder gestiegen und die Kälber nehmen wieder an Gewicht zu», berichtet Büeler. Während andere Betriebe von Fruchtbarkeitsproblemen berichten, scheinen seine Tiere davon verschont zu bleiben. In der Kälberbox am Ende des Stalltenns schläft ein wenige Tage altes Kalb. «Es ist zwar eher klein, aber wenigstens hat es wieder etwas Fleisch am Knochen», so Büeler stolz. Ein weiteres Kalb wird in einigen Stunden das Licht der Welt erblicken. «Ich wünsche jedem Landwirt, dass sein Betrieb vom Virus verschont bleibt. Jenen, die es trotzdem erwischt, wünsche ich viel Geduld und Ausdauer», so Büeler. Er ergänzt: «Bleibt euch selbst treu und sucht nicht nach einem Wundermittel, das alle Probleme löst. Vertraut eurem Gefühl und macht, was sich für euch richtig anfühlt.»