Vor 18 Jahren stellten wir unseren Betrieb grundlegend um. Von mehrheitlich Red-Holstein- und Swiss-Fleckvieh-Kühen mit ganzjähriger Stallfütterung wechselten wir auf ein Vollweidesystem mit saisonaler Abkalbung und Kreuzungszucht – ein strategischer Neuanfang. In diese entscheidende Phase fiel auch die Geburt der beiden Zwillings-Kuhkälber Ina und Iona. Speziell waren die beiden nicht nur, weil sie beide weiblich waren, sondern auch, weil sie ein Teil der Umstellung waren.

Zwillingsgeburt ohne Probleme

Bereits Ionas und Inas Mutter Irma, eine SF-Kuh, stammte aus eigener Zucht. Irma wurde stolze 13 Jahre alt. Ihr Alter dürfte schon zeigen, dass sie gut in unser System passte. Besamt wurde sie mit dem neuseeländischen Stier Solaris der Rasse Kiwi Cross, der damals als herausragender Weide-Stier galt. Viele Betriebe mit Weidesystem setzten damals auf den Neuseeländer, um die Weidetauglichkeit ihrer Herde zu verbessern. Schliesslich wurden Iona und Ina am 14. Februar 2015 geboren. Trotz Zwillingsgeburt – das muss ich zugeben – kann ich mich an ihre Geburt nicht mehr erinnern. Wie bei fast allen Kiwi Cross verlief sie problemlos.

Damals gaben wir unsere Nachzucht im Alter von vier Monaten noch auf einen Aufzuchtbetrieb im Nachbarort. Mit 17 Monaten kehrten die beiden dann zu uns zurück. Beide Kühe entsprachen zu 100 % meinem Zuchtziel: gute Raufutterverzehrer, die standortangepasst – mit 100 % Grasfütterung ohne Kraftfutter – als Kuh zwischen 6000 und 7000 kg Milch geben und jährlich ein Kalb zur Welt bringen. Beide Kühe brachten insgesamt neun Kälber zur Welt, aber Zwillinge waren nie dabei. Es waren mehr Stier- als Kuhkälber, einige ihrer Nachkommen sind noch auf unserem Betrieb und sechs Töchter konnten wir in die ganze Schweiz verkaufen.

Eine enge Verbindung

Ina und Iona waren ruhige Kühe. Sie waren weder Leitkühe, noch kamen sie als Letzte von der Weide. Sie bewegten sich meist im Mittelfeld der Herde. Dass sie Zwillinge waren, spürte man deutlich. Zwischen den beiden bestand eine enge Verbindung. Sie waren immer zusammen unterwegs, kamen immer gemeinsam zum Melken und standen am liebsten nebeneinander im Melkstand.[IMG 2]

Manchmal fragte ich mich, was wohl sein würde, wenn ich eine früher schlachten müsste – damals konnte ich nicht ahnen, welches Schicksal sie erwartete. Unterscheiden konnte ich die beiden gut: Iona war etwa sieben Zentimeter grösser als Ina. Obwohl sie kleiner war, gab Ina immer etwas mehr Milch. Beide hatten eine längere Melkzeit, dafür aber eine gute Eutergesundheit und eine hohe Persistenz.

Von Blauzunge nicht verschont

Im September vergangenen Jahres brach in unserem Bestand dann die Blauzungenkrankheit aus. Auch Ina und Iona zeigten Symptome, allerdings – wie die meisten unserer Kühe – nur leichte. Wir hofften bereits, dem Virus glimpflich davon gekommen zu sein, als Anfang November die ersten Kühe Frühgeburten mit toten Kälbern erlitten. Auch die beiden Zwillinge blieben nicht verschont.

Zehn Wochen vor dem errechneten Kalbetermin brachte Iona ein totes Kalb zur Welt. Sie kalbte ins leere Euter. Aufgrund der Häufung von Totgeburten entschieden wir, erstmals seit langem keine Melkpause einzulegen. Wir hofften, dass sich Ionas Milchleistung noch steigern würde – doch das blieb aus. So beschlossen wir, sie am 14. Februar zu schlachten.

Abschied von Iona

Drei Wochen vor dem errechneten Abkalbetermin brachte auch Ina ein totes Kalb zur Welt. Wie bei allen Totgeburten damals war das Kalb voll entwickelt, doch die Haare liessen sich leicht abziehen – ein Zeichen, dass es bereits im Mutterleib gestorben war. Ina entwickelte im Anschluss ein Nachgeburtsverhalten. Sie frass nicht mehr und man sah ihr die Schmerzen deutlich an.

Der Tierarzt stellte ein schmerzhaftes Ödem in der Gebärmutter fest. Uns blieb nichts anderes übrig, als sie von ihrem Leid zu erlösen. Neben den Zwillingen mussten wir uns aufgrund der Blauzungenkrankheit von 15 weiteren Kühen und hochtragenden Rindern trennen. Im Verein IG Weidemilch erlebten wir in dieser Zeit eine grosse Solidarität. So konnten wir – obwohl Bio-Weidegenetik rar ist – sieben Rinder und Kühe erwerben.

Die Linie lebt weiter

Wie es das Schicksal wollte, fanden so auch Inas Enkeltöchter Ilaria und Inetta den Weg zu uns auf den Betrieb. Beide stammen von Inas Sohn Iven ab, den wir 2021 als Stierkalb in ein Zuchtprojekt gaben. Er kam auf mehreren Betrieben im Natursprung zum Einsatz, woraus 17 Töchter hervorgingen.

Mit Ilaria und Inetta lebt die Linie der beiden Zwillinge nun auf unserem Betrieb weiter. Beide haben im März dieses Jahres abgekalbt – ein Kuhkalb und ein Stierkalb kamen zur Welt. Das Kuhkalb habe ich wie ihre Ur-Urgrossmutter Irma getauft.