Auf drei Milchwirtschaftsbetrieben in Graubünden wird von Dezember 2023 bis Juni 2024 der Futtermittelzusatz Bovaer getestet. Markus Rombach von der Agridea koordiniert das Projekt. Im Interview spricht er über die Projektziele und das Potenzial von Futtermittelzusätzen, um die Methanemissionen in der Rindviehhaltung zu senken.
Wie wird die Wirkung von Bovaer auf den Betrieben gemessen?
Markus Rombach: Die wissenschaftliche Wirkung von Bovaer ist belegt, somit erübrigen sich Messungen. Das wäre auch kaum durchführbar auf den Betrieben – und extrem teuer.
Im Zentrum steht das Kosten-Nutzen-Verhältnis. Wir wollen wissen, wie Bovaer von den vor- und nachgelagerten Bereichen der Betriebe aufgenommen wird. Ist der Futtermittelzusatz verfügbar? Stellt der Landwirt eine Verhaltensänderung bei den Kühen fest? Verändern sich die Milchinhaltsstoffe? Das sind Fragen, auf die wir uns Antworten erhoffen. Auch soll geschaut werden, welche Alternativen es für Betriebe gibt, die Bovaer nicht einsetzen können.
Zur Person
Markus Rombach ist stellvertretender Leiter Tierhaltung bei der Agridea. Er koordiniert das Projekt Bovaer im Rahmen des Projekts klimaneutrale Landwirtschaft Graubünden.
Welche Betriebe eignen sich für den Einsatz und welche nicht?
Bovaer kann nur auf konventionellen Betrieben eingesetzt werden, im Bio ist der Zusatz verboten.
«Weil die Verweildauer und damit die Wirkungszeit im Pansen relativ beschränkt ist, eignet sich Bovaer vor allem für Betriebe mit Total- oder Teilmischrationen.»
Markus Rombach zu den Einsatzmöglichkeiten von Bovaer
Es muss eine kontinuierliche Fütterung vorhanden sein.
Ist der Einsatz auf Mutterkuhbetrieben ebenfalls ein Thema?
Wir konzentrieren uns fürs Erste auf die Milchviehhaltung, denn hier sind allfällige Veränderungen bei der Leistung oder den Inhaltsstoffen rasch ersichtlich. Bei der Milch haben wir zudem viele Messparameter. Sie sollten sich durch die Fütterung von Bovaer nicht verändern.
Welche anderen Futtermittelzusätze mit gleicher Wirkung gibt es sonst noch auf dem Markt?
Bovaer ist derzeit der einzige Zusatz, der zugelassen und bei dem wissenschaftlich belegt ist, dass er die Methanemissionen reduziert. Es gibt auch andere Zusätze. Nicht nur mit der Fütterung lassen sich Methanemissionen senken.
«Eine höhere Zwischenkalbezeit, eine angepasste Aufzucht oder eine allgemeine Effizienzsteigerung können einen ähnlichen Effekt haben.»
Markus Rombach sieht verschiedene Stellschrauben, um Emissionen zu reduzieren
Gibt es ausserhalb von Graubünden weitere Projekte mit Bovaer?
Es laufen verschiedene Versuche. Eine breite Anwendung gibt es hierzulande noch nicht.
Ein zusätzliches Futtermittel bedeutet höhere Kosten. Ist es gerechtfertigt, dass der Landwirt diese selber tragen muss, wo doch die Forderung nach CO2-Reduktion eine gesellschaftliche ist?
[IMG 2] Wenn die Wirkung von Bovaer als CO2-Minderungsmassnahme anerkannt ist, kann sich der Betrieb pro Tier und Jahr ein gewisses Kontingent gutschreiben lassen. Der Betrieb könnte so in den CO2-Handel einsteigen. Allerdings, wenn CO2-Äquivalente gehandelt werden, wird die Reduktion nicht mehr der Landwirtschaft gutgeschrieben. Der CO2-Fussabdruck der Landwirtschaft würde gleich bleiben. Das Ziel der Branche muss eine Verminderung innerhalb der Landwirtschaft sein.
Aber nochmal die Frage: Die Kosten für Bovaer müssten die Bauern tragen?
Das ist derzeit noch nicht genau definiert.
Wie gross schätzen Sie das Potenzial ein, dass die Viehwirtschaft mit Futtermittelzusätzen einen gewichtigen Beitrag zur Methanreduktion leisten kann?
Diese Frage kann ich so nicht pauschal aus dem Stegreif beantworten, denn die Emissionen sind abhängig vom Grundfutter. Das Potenzial muss man errechnen. In der Schweiz ist man aktuell daran, eine Formel zu evaluieren, mit der das Einsparpotenzial unter Berücksichtigung des Rohfaser- und des Fettanteils berechnet werden kann.
Zum Schluss noch eine hypothetische Frage: Im Ausland werden Prototypen von Kuhmasken getestet. Werden auch unsere Kühe bald mit Masken herumlaufen?
Über die Kuhmaske und deren Sinn und Nutzen werden wir vielleicht noch diskutieren. Ich denke, es gibt viele andere Schräubchen, an denen wir drehen können, bevor wir unseren Kühen eine Maske aufsetzen müssen.
Übersicht: Welche Futtermittel und -zusatzstoffe führen zu einer Methanverminderung?
Der Zusatzstoff Bovaer gilt dabei als einziger von der Futtermittelverordnung anerkannter methanvermindernder Zusatzstoff. Dennoch sind weitere Futtermittel und Futtermittelzusatzstoffe vorhanden, welche sich positiv auf den Methanausstoss auswirken:
- Bovaer: Der Futtermittelzusatzstoff des niederländischen Chemiekonzerns DSM wird aus Nitrat und einem Alkohol hergestellt. Produziert wird der Zusatz in Brig VS vom Chemiehersteller Valsynthese. Laut Ressourcenprogramm «Klimastar Milch» können bei korrektem Einsatz maximal 30 Prozent der Treibhausgas-Emissionen durch die in der Verdauung entstehenden Methan-Emissionen reduziert werden. Dies entspricht einer Reduktion der CO2-Emissionen pro kg Milch von rund 10 bis 15 Prozent.
- Agolin: Bereits länger bekannt und auf dem Schweizer Markt erhältlich ist der Zusatzstoff Agolin. Das Produkt besteht aus natürlichen Pflanzenextrakten, welche die methanbildenden Mikroben im Pansen reduzieren. Die Methanbildung ist ein energieaufwendiger Prozess. Werden die dafür verantwortlichen Bakterien gehemmt, steht der Kuh mehr Energie zur Milchproduktion zur Verfügung.
Laut «Klimastar Milch» könne Agolin aktuell aufgrund von Zulassungsvorgaben keine direkte methanmindernde Wirkung angerechnet werden. Da der Zusatz die Leistung der Tiere jedoch durch eine bessere Verwertung der Futterenergie fördere, steige die Milchproduktion bei gleicher Fütterung, wodurch die Emissionen pro Kilo Milch sinken. Dies führt zu einer indirekten Reduktion des Ausstosses. Neben Agolin Ruminant bietet der Futterhersteller UFA mit Agolin Natur auch eine Biovariante an.
- Mootral: 2020 berichtete die Konsumenten-Zeitschrift «Beobachter» bereits vom schweizerischen Agri-Tech-Unternehmen Mootral, welches mit seinem gleichnamigen Zusatzfuttermittel aus Knoblauchextrakt und Orangenschalen in der Schweiz warb.
Der Zusatz sollte die methanproduzierenden Bakterien im Pansen hemmen und die Verdauung der Tiere fördern. Der Methanausstoss sollte dabei um 30 Prozent verringert werden. Neben der Verringerung des Methanausstosses zeigte eine britische Studie, dass die Kühe bei einer verringerten Futteraufnahme etwa acht Prozent mehr Milch gaben.
Einen Strich durch die Rechnung machte dem Unternehmen jedoch ein Passus in der Schweizer Melkhygieneverordnung. Laut ihm ist die Verabreichung von Lauchgewächsen und somit auch Knoblauch bei milchgebenden Kühen nicht zugelassen. Im Februar 2023 kam es jedoch zu einer Änderung in der Verordnung, welche nun die Verfütterung erlaubt. Es bleibt nun abzuwarten, ob der Zusatzstoff in der Schweiz Einzug hält.
- Tannine: Der Einsatz tanninhaltiger Futtermittel könnte laut Markus Rombach auch eine Methanreduktion erzielen. Diese müssten jedoch in so grosser Menge eingesetzt werden, dass es zu einer gleichzeitigen Reduktion der Milchproduktion und der Futteraufnahme kommt.
- Rotalgen: Auch die Verfütterung von Rotalgen würde laut Markus Rombach zu einer starken Methanreduktion führen. Diese enthalten aber das als schädlich geltende Bromoform. Laut «Klimastar Milch» haben die Algen unerwünschte Effekte auf die Verdauung und den Energiestoffwechsel der Tiere.
- Leinsamen und andere fetthaltige Futtermittel: Laut Agroscope wird die Methanproduktion im Pansen durch diese Futtermittel gedrosselt. Für eine deutliche Reduktion seien jedoch grössere Mengen erforderlich, welche aus ökonomischer Sicht unattraktiv sind.


