Zwar wird die parlamentarische Diskussion über die Agrarpolitik 2022+ erst nach den Abstimmungen über die Trinkwasser- und die Pestizid-Verbots-Initiative geführt. Allerdings zeichnen sich bereits jetzt erste Themen ab, die vermutlich hitzige Debatten provozieren werden. Unter anderem stehen die soziale Absicherung der Bäuerin, die Vereinfachung des Quereinstiegs, eine Obergrenze für Direktzahlungen pro Betrieb, die Umlagerung der Produktionssystem-Beiträge und verschärfte Ausbildungsanforderungen zur Debatte. Die Parteien folgen dabei unterschiedlichen Idealen und Richtungen, wie eine Umfrage der BauernZeitung zeigt.
Soziale Absicherung: fast alle befürworten Bundesratsvorschlag
Soziale Absicherung: Der Bundesrat will die Direktzahlungsberechtigung im Landwirtschaftsgesetz an die Bedingung knüpfen, dass Partner (verheiratet oder eingetragene Partnerschaft), die regelmässig auf dem Betrieb mitarbeiten, über einen persönlichen Sozialversicherungsschutz verfügen.
Dem Anliegen können mit Ausnahme der SVP alle Parteien etwas abgewinnen. Die SP begrüsst die Stärkung der Ehepartnerinnen und -Partner "sehr"; die Neuerung ist für die SP sogar "zwingend". Gleich pointiert unterstützen auch die Grünen den Vorschlag: der Sozialversicherungsschutz trägt laut den Grünen wesentlich zu einer Verbesserung der heutigen «teils unwürdigen Situation von Bäuerinnen» bei - ein Ausbau sei zwingend. Auch die FPD ist der Ansicht, dass es eine bessere soziale Absicherung der Bäuerin bzw. der Ehepartner braucht. Unklar ist für die Liberalen einzig, ob es dazu neue Vorschriften braucht, oder ob der Schutz durch Anreize auf freiwilliger Basis gestärkt werden sollen. Auch für die CVP ist die Stärkung des Sozialversicherungsschutz im Grundsatz richtig. Die Partei befürchtet aber, dass der Bundesratsvorschlag in der Umsetzung zu kompliziert ist. Stattdessen schlägt die CVP deshalb eine Beratungspflicht vor.
Für die BDP indes ist eine Verbesserung der sozialen Absicherung zwingend. Es sei stossend, dass Verbesserungen der sozialen, rechtlichen und ökonomischen Situation der mitarbeitenden Ehegatten erst jetzt in Angriff genommen werde. Nur die SVP finden eine Stärkung des Sozialversicherungsschutzes unnötig - es gebe schliesslich keine anderen Unternehmer in der Schweiz, die vom Staat gezwungen werden, ihre Ehefrauen zu versichern.
Quereinstieg: Die Lockerung des Bodenrechts ist sehr umstritten.
Quereinstieg: Der Bundesrat will zudem das Angebot an landwirtschaftlichen Gewerben und Grundstücken verbessern, indem die Vorkaufsrechte von Geschwister eingeschränkt und jene von Geschwisterkindern gestrichen werden sollen. Bei der Lockerung des Bodenrechts sind es die CVP und die SVP, die dem Bundesratsvorschlag nichts abgewinnen können. Die übrigen Parteien finden durchaus Gefallen am vereinfachten Zugang zu Landwirtschaftsland.
Die SP begrüsse nicht nur, dass gut ausgebildete Quereinsteiger «mit vernünftigem Aufwand in die Landwirtschaft einsteigen können», sondern auch, dass das Vorkaufsrecht für Ehegatten gestärkt werde. Wie die Grünen schreiben, hat sich die Gesellschaft seit der Einführung des bäuerlichen Bodenrechts stark verändert. Eine entsprechende Vereinfachung des Zugangs für gut ausgebildete Landwirte oder neue Landwirtschaftsformen sei daher wichtig. Gleichwohl dürfe der Zweck des Bodenrechts nicht in Frage gestellt werden: «Das bäuerliche Bodenrecht muss über Generationen hinweg eine bodenabhängige, bäuerliche Landwirtschaft garantieren.»
Laut GLP ist die heutige Regelung für jene Familienmitglieder belastend, die den Betrieb übernehmen müssen, obwohl sie vielleicht einen anderen Beruf ausüben wollten. Ausserdem verunmögliche sie, dass «gute Landwirtinnen und Landwirte einen Betrieb übernehmen können.»
Die Vereinfachung des Quereinstiegs in die Landwirtschaft wird von der FDP grundsätzlich begrüsst. Dadurch würden unternehmerische Freiheiten geschaffen und Innovationen gefördert. Es müsse aber darauf geachtet werden, dass Boden tatsächlich für die landwirtschaftliche Produktion genutzt wird.
Zwar begrüsst die CVP die Vereinfachung des Quereinstiegs in die Landwirtschaft. Gleichzeitig erachtet es die die CVP als zielführender, wenn die Palette verschiedener Betriebsmodelle vergrössert würde. Konkret denkt die CVP an Genossenschaften oder Betriebsgemeinschaften.
Die vom Bundesrat vorgeschlagenen Massnahmen heisst die BDP gut. «Insbesondere die Stärkung der Position der Ehegatten wird begrüsst.» Geht es nach der SVP, dürfe das bäuerliche Bodenrechts «unter keinen Umständen» gelockert werden; der Bauernstand mit den Familienbetrieben würde massiv geschwächt.
Obergrenze für Direktzahlungen: Ja, aber...
Obergrenze: Der Bundesrat schlägt zudem vor, dass Direktzahlungen bis zu einer Obergrenze von 250 000 Franken je Betrieb (bei Betriebsgemeinschaften maximal 500 000 Franken) ausbezahlt werden sollen. Die Obergrenze wird lediglich von der SP, den Grünen und der Grünliberalen aktiv unterstützt. Die übrigen Parteien sind teilweise dagegen oder vertreten - wie die SVP - eine andere Position.
Aus Sicht der SP schaden zu hohe Summen der Akzeptanz der Direktzahlungen in der Bevölkerung. «Die SP fordert deshalb eine Obergrenze der Direktzahlungen von 150 000 Franken». Die Grünen begrüssen die Obergrenze grundsätzlich, stellen aber die Frage in den Raum, ob ein fixer Betrag pro Betrieb sinnvoll ist. Eine Möglichkeit wäre eine wesentlich stärkere Förderung der ersten 30 Hektaren, währen Zahlungen ab beispielsweise 50 Hektaren stärker zurückgehen sollten.
Aus Sicht der GLP ist eine Obergrenze nötig, allerdings soll sie den Strukturwandel laut GLP nicht behindern. Würden die Direktzahlungen konsequenter aus-gerichtet und die Versorgungssicherheitsbeiträge deutlich reduziert werden, stellte sich laut GLP das Problem so gut wie gar nicht. Direktzahlungen sollten sich gemäss FDP nicht allzu fest auf wenige Betriebe konzentrieren, «sondern auch die Vielfalt und kleinere Betriebe unterstützten.» Ob eine willkürliche Obergrenze das richtige Mittel für die Förderung der freien Entwicklung der Betriebe sei, müsse geprüft werden.
Eine willkürliche Obergrenze wird laut CVP in der politischen Diskussion «zu einer unberechenbaren Grösse.» Am heutigen System sei festzuhalten, Präzisierungen zu prüfen. Eine Begrenzung der Direktzahlungen über die Standardarbeitskräfte bei 70 000 Franken ist aus Sicht der BDP wünschenswert; eine Obergrenze wird abgelehnt. Auch die SVP findet, dass die Obergrenze für Direktzahlungen an die Arbeitskräfte gekoppelt werden solle. «Damit würde erstens die Produktion mehr gestützt und zweitens sind die Zahlungen begründbar»
Umlagerung: Eine Anpassung der Produktionssystem-Beiträge hat wenig Chancen
Umlagerung der Produktionssystem-Beiträge: Geht es nach dem Bundesrat, soll zudem ein Teil der Versorgungssicherheits-Beiträge in die Produktionssystem-Beiträge umgelagert werden. Die Regierung erhofft sich Anreize für eine bessere Produktion.
Auch bei diesem Vorschlag tut sich zwischen Links und Rechts ein Graben auf. So sind die SP, die Grünen und die GLP grundsätzlich für einen Umbau des Direktzahlungssystems. Auch die CVP könnte damit leben, sofern der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln gesenkt werden könnte. Die AP soll sich gemäss SP darauf konzentrieren, die bestehenden, nachhaltigeren Produktionssysteme – die SP denkt an Bio und IP – zu stärken. Die Bündelung von gesamtbetrieblichen Systemen wird begrüsst.
Für die Grünen ist die Umlagerung der Beiträge richtig, da die Versorgungssicherheit damit nicht abnehmen würde und zudem neue Programme zur Förderung der Nachhaltigkeit lanciert werden könnten. Für die GLP ist die Umlagerung richtig - auf eine Begründung verzichtet die Partei Die FDP unterstützt eine bessere Marktausrichtung der Produktion. Allerdings müsse geprüft werden, ob der Systemwechsel nicht zu viele negative Nebeneffekte mit sich bringt. Die CVP lehnt einen kompletten Umbau beim Direktzahlungssystem ab; Eine Umlagerung, sodass Anreize für einen geringeren Einsatz von Pflanzenschutzmittel geschaffen würden, wird aber begrüsst. Die in der AP22+ vorgeschlagenen Programme sind laut CVP deutlich zu straffen. Ob acht Jahre nach der Einführung bereits eine tiefgreifende Änderung des Systems nötig ist, stellt die BDP in Frage.
Die SVP lehnt eine Umwälzung auf Kosten der Versorgungssicherheit ab. Die Umlagerung würde das Berggebiet benachteiligen.
Ausbildungsanforderungen verschärfen: Für fast alle Parteien reicht das EFZ völlig aus
Ausbildungsanforderungen: Der Bundesrat regt mit der Botschaft zur AP22+ zudem an, dass nur noch Direktzahlungen erhält, wer einen Fähigkeitsausweis (das entspricht einer höheren Berufsprüfung wie der Betriebsleiterschule) vorweisen kann.
Bei den Parteien ist für einmal nicht die SVP, die eine andere Position vertritt. Stattdessen sind es die Grünen, die der Ansicht sind, dass das Berufsattest als Eintrittskriterium für die Direktzahlungsberechtigung reicht; die Grünliberalen indes unterstützen den Bundesrat und begrüssen eine Verschärfung der Anforderungen ausdrücklich.
Die SP bemängelt, dass es inkonsistent sei,«einerseits den Quereinstieg erleichtern zu wollen und andererseits die Möglichkeit des Nebenerwerbskurses als DZ-Berechtigung zu streichen».
Die Grünen indes wollen nichts an den bestehenden Ausbildungsanforderungen für den Bezug von Direktzahlungen ändern. Es sei inkonsistent, einerseits den Quereinstieg erleichtern zu wollen und andererseits die Möglichkeit des Nebenerwerbskurses als Zugang zu Direktzahlungen zu streichen; die EFZ-Ausbildung soll aber im Bereich Umwelt und Klima gestärkt werden.
«Landwirtschaft ist eine hochkomplexe Tätigkeit», schreibt die GLP. Man müsse betriebswirtschaftliches Wissen ebenso mitbringen, wie die Kenntnisse von natürlichen Kreisläufen.
Die «fachgerechte und regelkonforme Führung eines landwirtschaftlichen Betriebes ist anspruchsvoll und setzt die nötigen Kenntnisse voraus», schreibt die FDP. Die Partei ist skeptisch, ob höhere formale Ausbildungsanforderungen der richtige Weg sind.
Der Vorschlag des Bundesrat geht für die CVP deutlich zu weit und wird abgelehnt.
Die BDP anerkennt, dass sich Bäuerinnen und Bauern in angemessener Weise auf «ihre zukünftige Rolle als Landwirt und Unternehmer vorbereiten können.» Wichtiger als hohe Mindestanforderungen sei, dass vermehrt Anreize für Weiterbildung geschaffen werden.
Die SVP ist der Ansicht, dass eine «akademisierung des Bauernstandes» weder dem Kunden noch den Bauern helfen würde und zudem die Attraktivität des Berufsstandes schädigen würde.