Nachdem sich die Schweiz seit mehr als vier Wochen im Ausnahmezustand befindet und ein Grossteil der Bevölkerung die eigene Wohnung kaum verlassen hat, locken freie Tage und schönes Frühlingswetter die Menschen nach draussen. Das kann zu Spannungen mit den Landbesitzern führen.
LBV ermahnt Bevölkerung
In der Region Luzern haben viele «Wildwanderer» und auf den Wiesen parkierte Autos bereits am vorletzten Wochenende für Unmut bei den Landwirten gesorgt. Zur Mitte der Karwoche wandte sich der Luzerner Bauernverband (LBV) schliesslich mit einer Pressemeldung an die Öffentlichkeit. Der LBV ermahnte die Bevölkerung, die Weisungen des BAG weiterhin zu befolgen. In Kriens LU würden die Bauern am sonnigen Osterwochenende entsprechende Hinweisschilder und Absperrungen an ihren Wiesen aufstellen.
Nur ein regionales Problem?
Obwohl sich ähnliche Vorkommnisse wie in der Region Luzern in der ganzen Schweiz ereignet haben, ist es bislang bei Einzelfällen geblieben. So hat der Zürcher Bauernverband bis zum Osterwochenende lediglich von einem einzigen Fall erfahren, wo Fahrzeuge auf Wiesland parkiert wurden. Gemäss den Angaben des Verbandes hat der Landbesitzer sich aber direkt mit den Ausflüglern geeinigt. Über die sonnigen Ostertage wurden dem Verband keine weiteren Zwischenfälle gemeldet. Auch beim St. Galler Bauernverband (SGBV) sind im Lauf der Karwoche nur vereinzelt Meldungen über renitente Wanderer, Biker und Picknicker eingegangen.
Verständnis ist gefragt
Andreas Widmer, Geschäftsführer des SGBV, betont, dass man in der aktuellen Krise versuchen müsse, sich gegenseitig mit Respekt zu begegnen. Gerade jetzt biete sich für die Landwirtschaft die Chance, im Kontakt mit der Bevölkerung zu zeigen, dass die Branche nicht nur systemrelevant und krisenresistent, sondern auch tolerant und offen sei. Mancherorts haben die Bauern durchaus Verständnis für die «Städter», die nunmehr seit vier Wochen in ihren Wohnungen «eingesperrt» sind. So zeigt sich ein Landwirt aus Graubünden nicht erstaunt darüber, dass es die Menschen aufs Land zieht. «Die Natur in Graubünden ist aber auch noch nicht so weit entwickelt, dass man wegen eines Wochenendes verheerende Schäden befürchten müsste», meint er. Ausserdem habe man in Graubünden viel Platz, so dass sich die Leute allenfalls ein wenig besser verteilen könnten als im Unterland.
Regeln bleiben in Kraft
Trotz des schönen Wetters gelten die Anweisungen des BAG weiterhin: Die Bevölkerung soll zu Hause bleiben, um die Ansteckungsrate mit dem Coronavirus möglichst gering zu halten. Wer trotzdem nicht in seinen vier Wänden bleiben mag, wird gebeten, landwirtschaftliches Kulturland nicht zu betreten und stattdessen die Wege zu benutzen. Wiesland dient dem Futteranbau, grössere Schäden können einzelne Landwirte empfindlich treffen. Falls Landwirte mit renitenten Ausflüglern konfrontiert sind, hilft es, die Ruhe zu bewahren und höflich, aber bestimmt auf die geltenden Regeln aufmerksam zu machen.
Das sagen betroffene Landwirte
Angesichts der ausgebliebenen Meldungen bei den Verbänden haben wir direkt mit betroffenen Bauern gesprochen. Für sie ist das Betreten von Wies- und Weideland ein erhebliches Problem.
«Ich will eine Reaktion provozieren»
«Unser Hof liegt gleich am Stadtrand. Da ist es schon mehrfach vorgekommen, dass Leute über unsere Wiesen spaziert sind», sagt Kurt Breitenmoser aus Gossau SG. «Manche scheinen schlicht nicht zu wissen, dass unser Weideland kein Allgemeingut ist. Nachdem wir kürzlich Zäune aufgestellt haben, hat sich die Lage aber verbessert. Wenn ich jemanden ermahnen muss, frage ich oft, ob ich im Gegenzug mit meinen Tieren in ihrem Garten vorbeischauen darf. Wenn sie dann antworten müssen, sehen eigentlich alle ein, dass ihr Verhalten nicht in Ordnung ist.»
«Aktuell haben wir hier fast eine Völkerwanderung»
Christoph Saner und seine Familie aus Ramiswil SO sind sich viel Verkehr gewohnt: «An den Wochenenden befahren hunderte Ausflügler die nahegelegene Strasse zum Passwang und zum Scheltenpass. Aktuell haben wir hier aber auch unter der Woche einen Mordsverkehr, ganze Kolonnen von Oldtimer-Fahrzeugen und Motorrädern. Auf unserem Land haben wir mit den Touristen in letzter Zeit alles Mögliche erlebt, auch dass Leute einfach mitten in der Weide eine neue Feuerstelle bauen und einheizen. Ich bleibe immer freundlich, wenn ich jemanden zurechtweisen muss, frage mich aber schon, ob und was die sich denken.»
«Irgendwo ist einfach eine Grenze erreicht»
«Es kommt immer wieder vor, dass Leute unsere Hinweisschilder missachten oder über Zäune steigen. Damit müssen wir wohl leben, auch wenn es uns natürlich stört», äussert sich der in Allmendingen bei Bern wohnhafte Walter Lüthi. «Vor einigen Tagen haben aber zwei besonders Gelangweilte den Vogel abgeschossen: Ich habe gesehen, wie sie auf einer abgelegenen Parzelle seelenruhig eine Partie Golf gespielt haben. Da war für mich dann das Mass voll. Ich habe eine zufällig vorbeifahrende Polizeipatrouille angehalten und die haben sich dann darum gekümmert.»
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