Sie sind Ackerbauer, bewegen sich frei auf Ihren Feldern, teilen Ihre Arbeitszeit selbst ein. Wie fühlt es sich an, die andere Hälfte der Beschäftigungszeit auf unbeweglichen Schienen zu verkehren und sich einem System unterzuordnen?

Daniel Zürcher: Als Kind arbeitete ich zusammen mit meinen Eltern. Anstelle gemeinsamer Ferien ernteten wir im Sommer 50 t Speisekartoffeln. Es ist ein befriedigender Zustand und ein Privileg: Gleichzeitig angestellt und selbstständig zu sein.

Die Unterschiede zwischen einem Traktor und einer Lokomotive sind offensichtlich. Gibt es auch Parallelen zwischen dem Führen einer Landmaschine und eines Zugs?

Bei beiden Berufen überwache ich den Fahrweg und halte mich an die vorgegebenen Geschwindigkeiten. Ich fahre ökonomisch und verbrauche möglichst wenig Strom oder Diesel. Dies, indem ich den Zug bei Möglichkeit rollen lasse oder im Traktor (Auto) schnell in höhere Gänge schalte, um niedertourig zu cruisen.

Als Ackerbauer leben Sie mit den Jahreszeiten. Die ­verschiedenen Wetterlagen beeinflussen Ihre Entscheide. Hat die Witterung einen Einfluss auf Sie persönlich an der Spitze des Zuges?

Ich sitze sicher in meinem Führerstand, egal was draussen passiert. Einzig bei Nebel oder Starkregen passe ich die Geschwindigkeit so an, dass die Signalbegriffe für mich genau erkennbar sind.

Landwirte und Lokführer müssen oft früh aufstehen. Macht Ihnen das etwas aus?

Ich arbeite als Lokführer oft ab morgens 3 Uhr, also schlafen Landwirte vergleichsweise aus, wenn sie um 6 Uhr aus den Federn steigen. Wenn die Sonne aufsteigt, sei es auf dem Acker oder auf der Schiene, ist das ein Glücksgefühl, das mir Power gibt und die Müdigkeit verfliegen lässt.

Gibt es Situationen, wo Sie auf dem Acker stehen und denken: Jetzt sässe ich lieber in der Lokomotive? Oder umgekehrt: Jetzt wäre ich lieber daheim am Pflügen?

Nein, ich nehme die Situationen so an, wie sie sind oder sich ergeben.

Ist die Vorstellung eines Laien, beide Berufe würden eine gewisse Einsamkeit beinhalten, richtig? ­An beiden Tätigkeitsorten sind Sie oft allein.

Ja und nein. Im Zug motiviere ich mich besonders nachts mit positiven Gedanken, freue mich auf den freien Tag oder auf den Sonntagsbraten am Dienstende. Als Landwirt drehe ich das Radio auf.

Auf dem Landwirtschafts­betrieb stehen Sie weniger unter Druck als in der Lokomotive. Sicherheit, Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit, Qualität spielen hier eine noch grössere Rolle. Wie empfinden Sie den Wechsel von einer Tätigkeit zur anderen, die jeweils relativ zügig vor sich geht?

Die Wechsel bemerke ich nicht; sie sind fliessend. Wichtig ist die Vorbereitung: Vorausschauen und Entscheidungen treffen. Man kann nicht säen, wenn das Saatgut nicht rechtzeitig bestellt ist; ohne Diesel läuft der Motor nicht.

Als Lokführer handeln sie einerseits selbstständig, stehen jedoch andererseits mit Betriebszentralen und Leitstellen in Kontakt. Gibt es Momente, wo Sie daheim denken: Es wäre angenehm, wenn ich jetzt jemanden fragen könnte?

Auch wenn ich Meisterlandwirt bin, schätze ich den Rat von anderen. Da ist meine Frau Claudia, die Teilzeit als Bankangestellte arbeitet. Sie erkennt schneller als ich Probleme mit Unkräutern; auch im Umgang mit Tieren ist sie sehr geschickt. Weiter frage ich meinen Vater und Nachbarlandwirte. Oft sende ich ab Feld ein Whatsapp an Fachpersonen.