«Die Bevölkerung sucht Stabilität in regionalen Produkten und dem unveränderlichen jahreszeitlichen Rhythmus», sagt Mireille Ducret, die Präsidentin der Waadtländer Bäuerinnen auf der Medienkonferenz des SBV. Das Verkaufsvolumen der Direktvermarktung sei auf ihrem Hof in Ecublens (Waadt) während der Coronakrise explodiert, so Ducret weiter. Ähnliches hat der Gastgeber der Medienkonferenz, Roland Grütter, berichtet.
Die Kunden haben Zugang zu dem ganzjährig geöffneten Hofladen
Auf dem Weierhof betreibt der Landwirt mit seiner Familie einen ganzjährig geöffneten Hofladen mit regionalen und selbstverarbeiteten Produkten. Die Umsätze seien in den vergangenen Monaten gegenüber den Monaten vor Corona-Beginn um das drei bis vierfache gestiegen. Die Bereitstellung ausreichender Produktmengen sei teilweise zur Herausforderung geworden, so Grütter.
Stammkunden kommen bereits seit vielen Jahren auf den Betrieb
Die Direktvermarktung stellt mit etwa 60 Prozent des Umsatzes den wichtigsten Betriebszweig der Familie dar. Und das, obwohl die Lage des Weierhofes eigentlich nicht optimal ist: Der Hofladen liegt nicht an einer Hauptstrasse, Laufkundschaft gibt es demnach fast keine. Die Kunden müssen sich bewusst dafür entscheiden, im Hofladen auf dem Weierhof einkaufen zu gehen. So macht es auch Stammkundin Regula Guldimann, die gerade die Beeren einpackt, die sie sich im Hofladen ausgesucht hat. Sie kommt schon seit vielen Jahren auf den Betrieb. Bereits die Vorgänger von Familie Grütter hatten hier einen Hofladen.
Frische, Regionalität und Saisonalität - das sind die Wünsche der Kunden
«In der Hochsaison, wenn das Angebot gross ist, kaufe ich bis zu 70 Prozent meines Gemüsebedarfs hier ein», erzählt Regula Guldimann. Sie schätzt vor allem die Nähe zu ihrem Wohnort, die Frische der Produkte und den engen Kontakt zum Produzenten. Die Ansicht der Kundin wird auch von Sophie Michaud Gigon, Generalsekretärin des Westschweizer Konsumentenverbandes FCR, geteilt. Laut Umfragen ist die Herkunft der Lebensmittel das wichtigste Auswahlkriterium bei den Konsumenten. Sie erwarten von der Schweizer Landwirtschaft naturnah produzierte Lebensmittel. Der Zugang zu einem Hofladen ist eine Reaktion auf diese Erwartungen seitens der Landwirtschaft.
Ein wachsendes Vertrauensverhältnis zwischen Konsument und Produzent
Die Schweizer Landwirtinnen und Landwirte profitieren somit von einem wachsenden Vertrauensverhältnis. Diese Annäherung werde Produzenten und Konsumenten für künftige Krisen rüsten, so Gigon. Auch Landwirt Roland Grütter freut sich über die Gespräche, die mit seinen Kunden entstehen. Eine gegenseitige Wertschätzung wird auf diesem Weg hochgehalten. Er könne seinen Kunden im Hofladen eine hohe Produktqualität und ein breites Angebot bieten. Zu jeder Jahreszeit ist auf dem Hof ein entsprechendes Leuchtturmprodukt erhältlich. Dies seien zum Beispiel die Spargeln im Frühling, die Beeren im Sommer und die Kürbisse im Herbst. Auch ein ansprechender Hofladen sei ein wichtiger Erfolgsfaktor in diesem wachsenden Wirtschaftszweig, so Grütter. Über die Direktvermarktung werden rund sieben Prozent des Gesamtertrages der Schweizer Landwirtschaft abgesetzt. Mittlerweile ist jeder vierte Landwirtschaftsbetrieb in der Direktvermarktung aktiv, berichtet Markus Ritter, Präsident des SBV, in seinem Referat. Anders als bei Familie Grütter habe die Direktvermarktung bei den meisten Landwirten jedoch eine untergeordnete Relevanz, da der Detailhandel das Einkaufsverhalten der Bevölkerung präge. Schliesslich verkauften zwei grosse Detailhändler fast drei Viertel der landwirtschaftlich produzierten Lebensmittel, so sagte Ritter.
Die Nachfrage muss gegeben sein
Eine weitere Einschränkung für die Direktvermarktung sei die Tatsache, dass nicht alle Konsumenten ihr Kaufverhalten umstellen könnten und wollten, gab SBV-Direktor Martin Rufer zu Bedenken. Die Direktvermarktung sei demnach nicht für jeden landwirtschaftlichen Betrieb eine Option, denn die Nachfrage müsse zwangsläufig gegeben sein. Nichtsdestotrotz will die Bevölkerung gemäss einer aktuellen Umfrage der Fachhochschule Luzern auch nach Abflauen der Corona-Welle auf Regionalität achten und vermehrt in Bauernhofläden einkaufen.
Der SBV unterstützt den Trend
Auch wenn die Nachfrage nicht auf Corona-Niveau bleibe, sei doch ein zusätzliches Marktpotenzial erkennbar, so Martin Rufer. Dies will der SBV nutzen. Mit der Plattform vomhof.ch wird Produzenten beispielsweise auf unkomplizierte Weise die Möglichkeit geboten, Konsumenten auf das eigene Angebot aufmerksam zu machen. Über 2200 Betriebe sind bei vomhof.ch bereits registriert. Eine Zusammenarbeit mit Twint erleichtert Kunden zudem die bargeldlose Bezahlung in Hofläden. Verpackungsmaterial für den Verkauf direkt ab Hof wird den Betrieben vom SBV ebenfalls zur Verfügung gestellt. Martin Rufer schlussfolgert, dass das Einkaufen im Hofladen keine Eintagsfliege sei, sondern einen andauernden Trend darstelle. Landwirt Roland Grütter ist ebenfalls zuversichtlich: Bisher sind ihm 20 bis 30 Prozent seiner Corona-bedingten Neukunden erhalten geblieben.
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