Husten, Fieber, wässriger Nasenausfluss, «schläfrige» Augen und eine deutlich erhöhte Atemfrequenz können auf eine «Kälbergrippe» hindeuten. Hierbei handelt es sich aber nicht um eine gewöhnliche Grippe, die durch Influenzaviren verursacht wird, sondern um eine ernstzunehmende Erkrankung der Atemwege, die sich bei Kälber zu einer lebensbedrohlichen Lungenentzündung entwickeln kann.

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«Schläfrige» Augen, ein hängender Kopf und hängende Ohren sind typische Symptome einer Kälbergrippe. (Bild KGD)

Betroffen von der Erkrankung sind vor allem Tränker auf Mastbetrieben. Häufig ist die Ursache aber nicht auf deren Betrieb zu finden, sondern beim Geburtsbetrieb: «Auf den meisten Geburtsbetrieben wird zu wenig für die Konstitution und die Abwehrbereitschaft des Kalbes gemacht», sagt Martin Kaske, Tierarzt und Geschäftsführer des SchweizerKälbergesundheitsdienstes (KGD). Werden Vorkehrungen getroffen, hätte der Mastbetrieb laut Kaske viel weniger Probleme mit kranken Tieren.  

Problem beginnt schon im Geburtsbetrieb

Auf Geburtsbetrieben kann die Kälbergrippe ab der vierten Lebenswoche des Kalbes zu Problemen führen. Dies ist vor allem der Fall, «wenn Neugeborene in Gruppen mit älteren Kälbern zusammenkommen, die bereits mit der Grippe zu kämpfen haben», weiss Martin Kaske. Der Tierarzt und Geschäftsführer des KGD empfiehlt daher, kleine Gruppen zu bilden, die vom Alter her näher zusammenliegen, um das Ansteckungsrisiko so klein wie möglich zu halten.

Kälber benötigen eine intensive Fütterung in den ersten Lebenswochen

Auch spielt die Fütterung eine wesentliche Rolle: «Wenn das Neugeborene unzureichend mit Kolostrum versorgt wird, fehlt die Grundvoraussetzung für eine stabile Tiergesundheit im Verlauf der Aufzucht», so Kaske. In den ersten zwei Lebensstunden sollte das Kalb deshalb Kolostrum zur freien Aufnahme bekommen. Der Erfolg ist leicht überprüfbar: So sollte die Konzentration des Gesamtproteins im Blutserum zwischen Tag zwei und zehn bei mehr als 55 g/l liegen.

In den ersten Lebenswochen ist zudem eine intensive Fütterung von Milch wichtig. «Haben die Tiere eine gute Konstitution, dann werden sie später mit vielen Belastungen fertig, die ansonsten zu Problemen führen», so der Fachmann. Ausreichend Platz und Licht sowie ein häufiges Ausmisten, um die Konzentration schädlicher Gase wie Ammoniak und Kohlendioxid zu minimieren, reduzieren zusätzlich das Erkrankungsrisiko.

Massnahmen im Mastbetrieb weiterverfolgen

Stresssituationen schwächen das Tier zusätzlich, so z. B. der Transport zum Mastbetrieb. Dieser sollte gemäss KGD nicht länger als sechs Stunden dauern und das Kalb sollte nur einmal umgeladen werden. Auf dem Betrieb angekommen, ist eine Impfung gegen die «Kälbergrippe» empfehlenswert. «Optimal wäre es, wenn bereits der Geburtsbetrieb die Impfung vornehmen würde, damit das Kalb schon geschützt auf den Mastbetrieb ankommt. Allerdings machen das viel zu wenige, da sie davon nicht profitieren. Hier braucht es künftig eine Branchenlösung», ist Martin Kaske überzeugt.

Auf den Mastbetrieben gilt es dann, den Tränkern einen möglichst guten Start zu ermöglichen

Stalltemperatur: Erfolgt der Transport in der kalten Jahreszeit, sollte das Tier nicht in einem völlig ausgekühlten Stall aufgestellt werden. Der KGD empfiehlt, diesen bereits vor der Ankunft der Tiere etwas vorzuheizen.  Auch hilft viel trockenes Stroh gegen Kältestress. 

Platzangebot: Den Kälbern sollte ausreichend Platz zur Verfügung gestellt werden, möglichst in kleinen Gruppen. Wenn den Kälbern zu wenig Platz zur Verfügung steht, werden Keime angereichert sowie Schadgase zum Problem (am stechenden Geruch zu erkennen). Dies schwächt die Abwehrkräfte des Kalbes und sie werden anfälliger für eine Ansteckung. Es hilft, pro Tier mindestens 3 m2 Platz zur Verfügung zu stellen. Ein häufigeres Entmisten vermindert Schadgase und damit gereizte Atemwege. 

Fütterung: Die Umstellung von der Eimertränke auf Tränkeautomaten fällt einigen Tieren schwer, zumal die Mehrzahl der Tiere zuvor Vollmilch bekam und nun Milchaustauscher zum Einsatz kommt. Die Energieaufnahme ist dann ungenügend, weshalb eine gute Tierbetreuung in den ersten Tagen der Aufstallung sehr wichtig ist.

Luftqualität und Lüftung: Lüftungsmängel im Stall begünstigen einen hohen Infektionsdruck. Eine Schwerkraftlüftung durch geöffnete Fenster funktioniert gemäss KGD allenfalls bei sehr niedriger Belegungsdichte. Ansonsten gilt es, die Luftqualität durch Zuführung von frischer Luft zu optimieren z. B. durch Zwangslüftungssysteme wie Schlauchlüftungen. Dabei aber darauf achten, dass keine Zugluft entsteht, was bei kaltnasser Jahreszeit zur Auskühlung des Kalbes führt und die Abwehrfunktionen schwächt. Axialventilatoren, die nur verbrauchte Stallluft bewegen, sind weniger sinnvoll, zumal dann die Luftgeschwindigkeit im Stall sehr unterschiedlich ist. Auch überdachte Ausläufe können sinnvoll sein; hier sollte aber für einen windgeschützten Rückzugsbereich ggf. durch eine absenkbare Siebdruckplatte gesorgt sein.

Alle Massnahmen führen zum Erfolg

Um das Auftreten der «Kälbergrippe» wesentlich zu reduzieren, ist es wichtig, nicht nur eine Massnahme durchzuführen, sondern die Prävention als Ganzes anzugehen, so der KGD. Denn «solange ein Kettenglied sehr schwach bleibt, werden trotzdem viele Tiere krank.» Auch bei einem optimierten Präventionsprogramm lassen sich Erkrankungen einzelner Tiere aber nicht vermeiden – «schliesslich haben wir es mit sehr jungen und deshalb krankheitsanfälligen Tieren zu tun», so Martin Kaske. Für den Behandlungserfolg ist eine frühe Erkennung der erkrankten Tiere von zentraler Bedeutung – insofern ist eine gute Tierbeobachtung matchentscheidend.   

 

Kälberlunge noch nicht ausgereift

Kälber kommen mit einer unvollständig ausgereiften Lunge zur Welt. Das unterscheidet sie von anderen Säugetieren. Erst im Alter von zirka einem Jahr und mit Erreichen einer Körpermasse von etwa 300 kg ist die Rinderlunge vollständig entwickelt.

Bis dahin ist sie anfälliger für Infektionskrankheiten, welche die Kälberlunge langanhaltend und auch irreversibel in ihrer Funktion stören können. Die körperliche Entwicklung und damit die täglichen Zunahmen sind gemäss Kälbergesundheitsdienst (KGD) bei schwer erkrankten Kälbern drastisch reduziert – sogenannte «Kümmerer» wachsen heran.

Finanzielle Verluste für Mastbetrieb

Hohe finanzielle Verluste kommen auf den Mastbetrieb zu, einerseits durch direkte Abgänge, andererseits durch verminderte Wachstumsraten erkrankter Tiere, Arzneimittel- und Behandlungskosten sowie Einbussen durch das langfristig reduzierte Leistungspotenzial besonders schwer oder mehrfach erkrankter Kälber. 

Erreger bei gesunden Tieren kein Problem

Die meisten bakteriellen Erreger, die für das Auftreten der «Kälbergrippe» verantwortlich sind, sind nahezu auf allen Betrieben mit Rindern zu finden, auch in den Atemwegen gesunder Tiere, so der KGD. Unter normalen Bedingungen stellen sie für die Tiere auch kein Problem dar. Sobald sich das Kalb aber in einer Stresssituation befindet, oder Haltungs- und Hygienemanagement auf dem Betrieb schlecht sind, wird die Vermehrung dieser Bakterien begünstigt. Leidet dazu die körperliche Verfassung des Kalbes und die Immunität ist geschwächt, kommt es zu einer Infektion, die die erwähnten schweren Symptome hervorrufen kann.

In Betrieben mit gehäuften Problemen kann eine Beratung durch den Kälbergesundheitsdienst in Zusammenarbeit mit dem Bestandstierarzt zu wesentlichen Fortschritten führen.