«Ich habe Freude, wenn ich die Hühner gackern höre. Das ist etwas Neues hier», meint Andreas Knecht lächelnd. Ihren Biobetrieb im Weiler Dickihof in Schlatt TG haben der 64-Jährige und seine Frau Susanna (61) viehlos geführt. Die Hühner kamen mit Jonas und Sabrina Lang auf den Hof, die ihn vor einem Jahr gekauft hatten. Bis dahin war es ein intensiver Prozess, da sind sich alle einig – und auch darin, in ihrem heutigen Leben glücklich zu sein.
Einst der Traum des Vaters
«Mein Vater ist nicht in der Landwirtschaft aufgewachsen und hatte den Traum eines eigenen Betriebs, den er sich schlussendlich erfüllen konnte», erzählt Andreas Knecht. Für ihn und seine Frau war klar, dass auch sie den 20 Hektaren umfassenden Betrieb als Ganzes weitergeben und einer jungen Familie eine Chance geben wollten. Ihre beiden Söhne gehen andere Wege und so besuchten Knechts im Januar 2019 einen Infoanlass zur ausserfamiliären Hofnachfolge der Stiftung für die Erhaltung bäuerlicher Familienbetriebe. «Wir kamen mit vielen Berufskollegen in derselben Situation in Kontakt und es waren vom Treuhänder bis zur Beratung Ansprechpersonen vor Ort», lobt Susanna Knecht. Mit einem Inserat startete die Nachfolgesuche für den Dickihof via die Stiftung.
Jakob Vogler, Geschäftsführer der Stiftung zur Erhaltung bäuerlicher Familienbetriebe, filterte in der Folge Bewerbungsdossiers nach den Vorstellungen der Knechts. «Wir wünschten uns jemand Innovatives, eine sympathische Persönlichkeit, die in die Region passt und den Betrieb wenn möglich biologisch weiterführen möchte», beschreibt Andreas Knecht. Dank Voglers Vorarbeit hätten sie bei keinem der Kandidaten, die sie schlussendlich kennenlernten, «sicher nicht», sagen müssen, ergänzt seine Frau. Es sei auch spannend gewesen, die Ideen der jungen Leute zu hören. In den Gesprächen schätzten sie, dass der Berater auch unangenehme – aber wichtige – Fragen stellte. «In dieser Phase ist gegen aussen eine gewisse Verschwiegenheit ratsam», bemerkt Jakob Vogler. So vermeide man zu viel Gerede.
Betriebsspiegel Familie Lang
Ort: Schlatt TG
LN: 30 ha, 2,3 ha Wald
Kulturen: Getreide, Körnermais, Soja, Sonnenblumen, Bohnen (Selbstpflückfeld), Weideland für die Schafe
Tierbestand: Legehennen für die Direktvermarktung,Mutterschafe
Hofladen: Eigene Produkte und solche von Nachbarn bzw. aus der Region
Arbeitskräfte: Sabrina und Jonas Lang, Mithilfe von Mutter Brigit Lang
Der Übergang ging fliessend voran
«2020 haben wir uns dann definitiv entscheiden – für die Richtigen», sagt Andreas Knecht mit einem wohlwollenden Blick auf seine Nachfolger auf der anderen Seite des Esstischs. Obwohl die Abtretenden noch nicht ganz im Pensionsalter waren, entschieden sie sich, mit dem Verkauf nicht zu warten. «Wir haben parallel ein Haus in Stein am Rhein SH erworben und umgebaut», erläutert der Altbauer. Das machte steuerlich Sinn und ermöglichte ausserdem einen fliessenden Übergang: Jonas und Sabrina Lang zogen zwei Monate vor der eigentlichen Übergabe auf den Dickihof und für Knechts wurde Stein am Rhein Stück für Stück und mit viel Eigenleistung zum neuen Zuhause. Das Jahr 2021 sei geprägt gewesen von administrativem Aufwand, bei dem sich die Unterstützung der Stiftung wiederum als wertvoll erwiesen habe. Per 1. Januar 2022 waren die neuen Besitzer amtlich bestätigt.
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Viele Möglichkeiten für die Nachfolger
Jonas und Sabrina Lang sehen im Dickihof viele Entwicklungsmöglichkeiten für sich. «Es gibt keine neuen Stallbauten, die eine Richtung vorgeben würden», erklärt der Meisterlandwirt. Beide wohnten zuvor in der Nähe des Weilers und hatten etwas in der Region gesucht, um ihr soziales Umfeld nicht zu verlieren. «Bei uns drehte sich alles ums Bauern», blickt der 30-Jährige zurück. Er wuchs auf einem kleinen Nebenerwerbs-Pachtbetrieb auf und war nach der Lehre im Gemüsebau angestellt. Sabrina Lang (29) entdeckte ihre Leidenschaft für die Landwirtschaft über ihren Arbeitgeber, bei dem die gelernte Detailhandelsfachfrau im Büro tätig war. Nach wie vor arbeiten beide auch auswärts, wollen ihre Pensen künftig aber reduzieren – nicht zuletzt mit Blick auf die Familienplanung.
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Sich willkommen gefühlt
«Für mich war es wunderschön, die Tür mit einem Schlüssel samt Schleife zu öffnen und das blumengeschmückte Haus als unser eigenes zu betreten», erinnert sich Sabrina Lang an den Tag der Übergabe. Sie habe sich sehr willkommen gefühlt. Nicht nur mit Dekoration haben Knechts den Generationenwechsel vorbereitet, auch sonst war es ihnen wichtig, den Betrieb ordentlich abzugeben. Dazu gehört etwa die Absprache zur Benutzung der gut eingerichteten Werkstatt. «Ich führe dort noch kleine Arbeiten aus», erläutert der gelernte Landmaschinenmechaniker Andreas Knecht. Vorher frage er aber jeweils bei Jonas Lang nach, ob die Werkstatt frei sei. Der Hof an sich, das ist für ihn klar, gehört Lang und er wolle ihm definitiv nicht über die Schulter schauen. «Es ist für die Abtretenden wichtig, vor der Übergabe zu wissen, was man gerne macht und weiter tun möchte», gibt Jakob Vogler zu bedenken. Es eröffne sich die Chance auf einen neuen Lebensabschnitt mit anderen Perspektiven und Aufgaben.
In Stein am Rhein sind Andreas und Susanna Knecht Teilzeit im Rebbau tätig. «Wir haben im richtigen Moment aufgehört», findet der Altbauer. Sie hätten eine gute Zeit gehabt auf dem Dickihof, gut zusammengearbeitet und ihre Kinder an einem schönen Ort aufziehen können, so die Bilanz von Susanna Knecht. Die letzten zwei Jahre bis zur definitiven Hofübergabe waren durch die Doppelbelastung der Betriebsführung zusammen mit dem Umbau des neuen Hauses aber heftig, da sind sie sich einig. Umso mehr freut es Knechts, die ersten Schritte von Jonas und Sabrina Lang als Betriebsleiter zu sehen. Die beiden haben einen lange leer gestandenen Schweinestall für Legehennen umgenutzt und einen Biohofladen mit eigenen und Produkten aus der Region bzw. von den Nachbarn eröffnet. Mit einem Bohnenfeld zum Selbstpflücken und einem bekannten Gemüse-Pflanzplätz hatten Knechts dazu schon eine gewisse Vorarbeit geleistet.
«Wir sind stolz auf das erste Jahr und dankbar für das Glück, hier sein zu können»,
fasst der Junglandwirt zusammen. Der Zuspruch von Knechts stärke zusätzlich, fügt Sabrina Lang hinzu.
Neues Leben auf dem Hof
Gegenseitiger Respekt, Offenheit, Ehrlichkeit und Freude am Erfolg der Nachfolger nennt Jakob Vogler als Erfolgsfaktoren für die Übergabe. Wichtig sei auf Seiten der Übernehmenden aber auch die Anerkennung der Leistungen jener, die zuvor den Betrieb geführt haben. Das vereinfache das Loslassen für die Abtretenden. «Die Erhaltung des Hofs und die Zufriedenheit beider Parteien sind für mich wichtiger als die persönliche Finanzoptimierung», hält er fest und gibt zu bedenken: «Im Gegensatz zur parzellenweisen Verpachtung, bei der es auf dem Hof ruhig und das Haus wenig genutzt wird, kommen bei der Nachfolge ausserhalb der Familie neues Leben und Aktivitäten auf den Betrieb.»

