Sie sind seit drei Monaten Agrar- und Wirtschaftsminister, haben Sie den Wechsel noch nie bereut?
Nein, die Aufgabe ist interessant. Ich habe hier mehrere spannende Dossiers übernommen. So etwa AP 22+, die Botschaft zu Bildung, Forschung und Innovation BFI, oder die Verhandlungen über mögliche Freihandelsabkommen . In jedem Departement gibt es schwierige und einfache Dossiers.

Ist Landwirtschaft für Sie ein schwieriges Dossier?
Mindestens interessant ist es, das zeigen die 460 Stellungnahmen in der Vernehmlassung zu AP 22+.

Haben Sie nur wegen der Landwirtschaft ins WBF gewechselt? In Sachen Bildung und Forschung waren Sie bisher ja nicht sehr profiliert.
Nein, das war eine Interessen-Abwägung.  Wenn ich im VBS geblieben wäre, hätte ich wohl noch etwa drei bis fünf Jahre bleiben müssen. Der nächste Wechsel im Bundesrat kommt vielleicht Ende der Legislatur. Zudem war es nach 23 Jahren SVP im VBS Zeit für einen Parteiwechsel im Department.  Jetzt konnte ich wechseln und das ist eine neue Herausforderung. Ich habe mich immer auch für Bildung und Forschung interessiert schon als ich im Waadtländer Grossrat war. Zudem habe ich auf unserem Hof über 20 Jahre Lehrlinge ausgebildet. Interessant sind auch die vielen Kontakte zu den Kantonen.

War es vor allem die Partei, die Sie zum Departementswechsel gedrängt hat?
Es sind viele verschiedene Leute, die Einfluss nehmen wollen, aber am Ende entscheiden immer die Bundesräte selber.

Kam auch Druck aus dem Landwirtschaftsbereich, zum Beispiel vom Schweizer Bauernverband (SBV)?
Ich kenne viele Leute in der Landwirtschaft, da ich selber Landwirt und Winzer war. Dabei habe ich nicht nur mit dem SBV Kontakt. Die Landwirtschaft hat viele Fraktionen und steht als Teil der Wirtschaft vor grossen Herausforderungen: Der Klimawandel bedroht die Erträge und die Bevölkerung interessiert sich in zunehmendem Mass für die Umweltauswirkungen. Das ist dasselbe Phänomen in ganz Europa, die Landwirtschaft braucht neue Technologien und Forschungsergebnisse, um diese Herausforderungen zu bewältigen. Hier wird auch Agroscope eine wichtige Rolle spielen.  

Apropos Agroscope, ist die Reform nach dem schwierigen Start nun gut aufgegleist?
Hier halten wir uns an die Vorgaben des Parlaments. Geplant ist  ein Campus Posieux mit den zwei Hubs Changins und Reckenholz. Dazu kommen noch sogenannte dezentrale Versuchsstationen. Wir müssen jetzt die Pläne konkretisieren und dann dem Parlament wieder Bericht erstatten. Ziel ist, dass wir bis Ende Jahr klar wissen, wie die Reform umgesetzt wird. Es gilt jetzt, das Vertrauen  wiederherzustellen. Dafür braucht es viel Transparenz und rechtzeitige Gespräche mit den Betroffenen, so etwa den kantonalen Landwirtschaftsdirektoren. Das gilt übrigens auch für Freihandelsabkommen. Die Leute müssen wissen, wohin wir wollen, sonst haben wir keine Chance.

Ich spüre da eine leichte Kritik am Vorgänger, hat der zuwenig mit den Leuten gesprochen?
Ich kann und will nicht kommentieren, was mit Agroscope und anderen Projekten in der Vergangenheit passiert ist. 

Was sind Ihre wichtigsten Berater in Landwirtschaftsfragen?
Viele wollen mich beraten (lacht). Es ist wichtig, die Leute anzuhören, aber auch Ihnen zu sagen, wenn man nicht einverstanden ist. Dafür müssen wir im Departement gute Dossierkenntnisse haben. Wenn Kritik kommt, müssen wir abwägen, ob eine Anpassung nötig ist. Aber man kann nicht immer Änderungen verlangen , vor allem solange die Kritisierenden keine bessere Lösung haben. 

Man hört zuweilen den Vorwurf, dass Sie unter starkem Einfluss des Bauernverbands stehen und die Vorschläge aus Brugg als Direktiven ans BLW weiterleiten.
Das kann man nicht so sagen. Ich kenne natürlich Markus Ritter und Jacques Bourgeois aus dem Nationalrat. Bourgeois ist auch ein Freund von mir, das ist bekannt. Aber das heisst nicht, dass ich mache, was die beiden wollen. Noch einmal, es gibt auch viele andere Meinungen in der Landwirtschaft. Das sieht man gut am Dossier AP 22+.

Sie haben das Paket AP 22+ ja geerbt, ist das nicht ein bisschen undankbar?
So läuft unser System. Manchmal kann man für Änderungen noch ein paar Impulse geben, aber es ist sehr schwierig, ein so komplexes Dossier noch fundamental zu ändern.

Die Schweiz war ja lange vorbildhaft für die europäische Agrarpolitik, jetzt hat man eher das Gefühl, dass wir teilweise überholt werden von der EU?
Das ist teilweise richtig, unser System muss auch überprüft werden, aber man muss nicht alles umstossen. In meinen Diskussionen mit Kantonen und Landwirtschaftsvertretern hat sich gezeigt, dass vor allem drei Dinge gewünscht werden: Stabilität, Sicherheit und Abbau von administrativem Aufwand. Wir wollen schon Anfang 2020 eine Reihe von ersten Massnahmen treffen, um die Kontrollen zu reduzieren.

Wie sieht das konkret aus?
Wir wollen ab 1.1.2020 die Kontrollen vermehrt risikobasiert vornehmen und damit die Anzahl Kontrollen reduzieren Das ist ein Anfang und in AP 22+ wollen wir das allenfalls noch verbessern. Aber ich bin mir auch bewusst, dass das nicht so einfach ist. Für jedes Ökoprogramm kommt sofort die Frage, wie sollen wir das in Zukunft kontrollieren. Aber die Frage ist auch, wie kontrollieren wir in der Gegenwart? Vertrauensbasiert oder mit der Haltung, dass allen Bauern zu misstrauen ist? Das Problem ist, sobald Sie einen Skandal haben, werden die Kontrollen  verschärft, was zu mehr Bürokratie führt. Deshalb wollen wir tendenziell weniger kontrollieren, aber bei Verfehlungen mindestens gleich hart durchgreifen.

Zur AP 22+, wo wollen Sie Änderungen anbringen?
Grundsätzlich ist es noch zu früh, um hier Aussagen zu machen. Unbestritten ist fast nur der unveränderte Rahmenkredit. Trotzdem wird das Parlament jedes Jahr darüber abstimmen müssen, da die Landwirtschaft zu den schwach gebundenen Ausgaben gehört. Bei meinen ersten Begegnungen mit den europäischen Kollegen in Berlin ist mir aufgefallen, dass sie dieselben Probleme beschäftigen. Interessant fand ich die Idee, die Förderung der Junglandwirte stark zu forcieren.Das wäre auch bei uns erstrebenswert.

Es ist ein Spagat für Sie als Landwirtschafts- und Wirtschaftsminister.
Natürlich. Aber ich muss auch Wirtschaftskreise immer wieder darauf hinweisen, dass auch sie manchmal aus der Staatskasse Geld erhalten, etwa für ökologische Massnahmen. Sie nennen das einfach nicht Direktzahlung oder Subvention, aber das ist auch Geld des Staates.

Sehr umstritten ist ja der Betriebsbeitrag, schafft er es in die Botschaft?
Er ist tatsächlich sehr umstritten, aber es ist noch zu früh, um definitiv etwas zu sagen.

Einen grossen Konflikt gibt es um die soziale Absicherung der Bäuerin, was ist diesbezüglich Ihre Position?
Hier gibt es tatsächlich ein Problem. Ich will dies bald mit den Bäuerinnen diskutieren und noch einmal analysieren. Der bisherige Zustand ist nicht mehr tolerierbar, ich habe einige Dramen gesehen. Klar, es ist in der Verantwortung der Bauern, aber es braucht eine Mindestlösung mit möglichst wenig administrativem Aufwand.

Der Bauernverband will ja nur eine Beratungspflicht, was halten sie davon?
Das ist nicht genug, das ist klar. Aber das ist bisher nur meine persönliche Meinung.

Der Bund plant mit der AP 22+ eine weitere Ökologisierung, namentlich im Hinblick auf die Trinkwasser-Initiative, werden da nicht vorauseilend zu viele Konzessionen gemacht?
Wir haben im Agrarpaket diverse Massnahmen integriert. Jetzt will ich analysieren, ob man das optimieren kann. Aber ich will auch aufzeigen und erklären, was die Landwirtschaft in den letzten 20 Jahren schon alles gemacht hat. Seit Anfang 2018 ist der Aktionsplan in Kraft, und die Technologie entwickelt sich. Wir müssen gute Anreize schaffen, so dass die Bauern selber richtig entscheiden und ihre Kollegen überzeugen können. Aber wenn ein Bauer zwei zusätzliche Leute anstellen muss, weil er keine Herbizide mehr einsetzen kann, dann wird das sehr schwierig. Mir ist lieber, dass 60 Prozent kleine Schritte machen, als 10 Prozent das volle Programm.

Unterdessen ist die Direktorenstelle fürs BLW ausgeschrieben (wir berichteten). Warum hat das so lange gedauert?
Für diese Stelle, bei der man 1300 Leute führen muss, braucht es ein Pflichtenheft und eine Findungskommission. Wenn wir nicht nach Vorschrift handeln, kriegen wir Probleme mit den Aufsichtsgremien.

Aber jetzt braucht es doch schnell einen neuen Direktor für die kommenden Herausforderungen wie Pflanzenschutzinitiativen und AP 22+ zu bewältigen?
Bei den Initiativen ist im Moment das Parlament am Zug, da können wir zurzeit nichts beeinflussen. Bei der AP kann der amtierende Direktor jetzt noch die Botschaft vorbereiten.  

Wann kommt die Nachfolge?
Der Neue kommt so schnell wie möglich. Ich hoffe, bis Ende Jahr. Bis Mitte Jahr ist ja Bernard Lehmann noch im Amt und für die Interimsphase haben wir sehr gute Vizedirektoren.

Was sind die drei wichtigsten Eigenschaften des neuen Direktors?
Es sind nicht nur drei. Er muss unter anderem die landwirtschaftlichen Probleme und die Märkte kennen, er muss gut verhandeln können und loyal zum Departements-Chef sein.

Das heisst gesucht ist ein SVP-ler oder mindestens ein Bürgerlicher?
Nicht unbedingt, er muss tüchtig sein, das ist das Wichtigste. Und ich muss klar sagen: Interessenten müssen kandidieren, wir rufen niemanden an.

Aber es ist eher ein Deutschschweizer gesucht?
Sie können einen Westschweizer nehmen, der perfekt deutsch spricht oder umgekehrt., Die Kompetenz der Person steht im Vordergrund, das gilt nicht nur für den BLW-Direktor.

Sie hätten aber auch schon im Januar ausschreiben können?
Nein, es braucht auf dieser Stufe zuerst eine Findungskommission plus ein Pflichtenheft. Ein neuer Departements-Chef kann nicht als erstes eine Klatsche von der Geschäftsprüfungskommission riskieren.

 

Kommission sucht Direktor

Wie von Guy Parmelin im Interview erwähnt, ist eine Findungskommission ernannt worden, die den Bundesrat bei der Suche nach dem neuen BLW-Direktor unterstützt. In der Kommission sitzen Daniel Wüthrich (Personalchef von Parmelins WBF), Hansjörg Walter (Alt-Nationalrat und ex-SBV-Präsident), Willy Gehriger (ex-Direktionspräsident der Fenaco), Mathieu Fleury (ex-Generalsekretär des Westschweizer Konsumentenverbandes), Esther Gassler (ex-Regierungsrätin SO) und Urs Niggli (Direktor des Forschungsinstituts für biologischen Landbau). Geleitet wird die Findungskommission von WBF-Generalsekretärin Nathalie Goumaz. akr