Per August 2022 übernimmt Silja Müller-Walthert die Schulleitung für das Luzerner Agriprakti-Hauswirtschaftsjahr, ein Projekt des LBV. Bisher war sie als Lehrerin Hauswirtschaft tätig und sie wird auch weiterhin unterrichten. Im Interview mit der BauernZeitung erzählt sie, wie diese Ausbildung aufgebaut ist und erklärt, was sie motiviert, Jugendliche zu begleiten.
Wieso empfiehlt es sich, bei Agriprakti mitzumachen?
Silja Müller-Walthert: Viele Gründe sprechen dafür. Agriprakti bildet eine sehr gute Möglichkeit, sich Alltagskompetenzen anzueignen. Die Jugendlichen lernen im Verlaufe des Hauswirtschaftsjahres, alle in einem Familienhaushalt anfallenden Arbeiten fachgerecht auszuführen. Die Auszubildenden wohnen und leben während den Arbeitstagen bei ihrer Gastfamilie auf einem Bauernhof. Dies sind neue Lebenserfahrungen. Die Ausbildnerinnen begleiten die jungen Frauen und Männer ein Stück auf ihrem Lebensweg. Agriprakti ist aber auch eine gute Möglichkeit für ein Zwischenjahr, wenn die gewünschte Lehrstelle erst in einem Jahr frei wird oder die Jugendlichen unschlüssig bei der Berufswahl sind.[IMG 2]
Jugendliche ohne Lehrstelle werden in der Schule beim Lehrstellencoaching eins zu eins betreut und unterstützt. Sie werden bei der Suche nach einer Lehrstelle eng begleitet. Ziel ist es, dass alle Jugendlichen am Ende von Agriprakti eine Anschlusslösung haben.
Wie steht es um die aktuellen Schülerzahlen und wie hoch ist die männliche Beteiligung?
Wir sind für das kommende Schuljahr noch nicht ausgebucht, es hat noch freie Plätze. Bisher ist eine Klasse mit 28 Jugendlichen geplant. Der männliche Anteil ist leider noch klein. In diesem Schuljahr sind zwei Schüler dabei. Wir machen gute Erfahrungen mit jungen Männern, sie sind herzlich willkommen. Jeder Mensch lebt in einem Haushalt. Die Rollenaufteilung von Mann und Frau hat sich auch in diesem Bereich verändert. Agriprakti vermittelt hauswirtschaftliches Können, welches das Leben von Mann und Frau unterstützt und erleichtert.
Was erwartet die Schüler(innen) während des Agriprakti-Jahrs?
Die Jugendlichen wohnen und arbeiten vier Tage pro Woche bei einer Bauernfamilie und arbeiten mehrheitlich im hauswirtschaftlichen Bereich. Die Betriebe sind sehr vielfältig. Es gibt Familien mit und ohne Kinder, Betriebe mit sehr unterschiedlichen Betriebszweigen, auf dem Berg und im Tal. Je nach Betrieb werden auch die Kleintiere versorgt, im Hofladen mitgearbeitet oder im Stall geholfen. Der Tagesablauf ist je nach Betriebszweig und Familienkonstellation unterschiedlich. Dabei werden die Jugendlichen von einer Ausbildnerin begleitet. Einen Tag pro Woche besuchen sie in Sursee den Schulunterricht, welcher hauswirtschaftliche und allgemein bildende Themen beinhaltet.
Was kostet das Zwischenjahr?
Agriprakti ist ein privates Angebot. Die Eltern bezahlen ein Schulgeld von Fr. 4900.–. Die Jugendlichen erhalten monatlich einen Lohn von ihrer Ausbildner(in). Das Projekt Agriprakti ist nicht kostendeckend. Die restlichen anfallenden Kosten finanziert der Luzerner Bäuerinnen und Bauernverband.
Gibt es Grundlagen, die man als Ausbildnerin mitbringen muss?
Eine Ausbildnerin hat meist eine Ausbildung als Bäuerin FA. Es müssen zumindest bestimmte Module besucht werden. Für mich ist das Wichtigste, dass man Freude, Lust und Zeit hat, mit jungen Menschen zu arbeiten, ihnen Wissen weiterzugeben und sie auf ihrem Weg zu begleiten.
Wie ist das Angebot an Ausbildnerinnen?
Wir sind immer wieder auf der Suche nach Ausbildnerinnen, da sich auch in den «Ausbildungsfamilien» die Situationen ständig verändern (Kinder werden älter, der Betrieb verändert sich). Die Ausbildnerinnen überprüfen darum stets von neuem, ob es Sinn macht, auch in Zukunft Agriprakti zu begleiten. Bisher konnten wir immer genügend Plätze anbieten. Auffallend ist, dass es in der Agglomeration Luzern und im Seetal sehr wenig Betriebe gibt. Es gibt auch Praktikumsbetriebe ausserhalb des Kantons Luzern.
Was motiviert Sie persönlich an der Arbeit mit Jugendlichen?
Es bereitet mir Freude, sie anzuleiten und ihnen mein Wissen weiterzugeben. Ein fundiertes Fachwissen im Haushalt kann das Leben erleichtern. Es ist toll, die Entwicklung der Jugendlichen mitzuverfolgen und sie dabei zu begleiten. Wir planen und kochen im Unterricht saisonal und regional und achten auf Nachhaltigkeit. Die Jugendlichen sind unsere Konsument(innen) von morgen. Ich bin nach wie vor überzeugt, dass das Agriprakti eine ganzheitliche Lebensschule ist. Es ist mir eine Herzensangelegenheit.