Gerade für die ältere Generation ist der Weg nach der Übergabe nicht immer einfach zu finden. Die Rollen werden neu verteilt. Plötzlich ist man nicht mehr die erste Ansprechsperson auf dem Hof. Das junge Betriebsleiterpaar übernimmt die Führung und trifft die Entscheidungen. Vielleicht werden Arbeitsabläufe verändert oder die Strategie neu ausgerichtet. 

Anstehende Veränderungen können Ängste und Unsicherheit bei der älteren Generation auslösen. Eine Bäuerin sagte kürzlich: «Nach der Hofübergabe musst du lernen, zu schweigen». Diese Aussage hat durchaus einen Funken Wahrheit in sich. Der junge Betriebsleiter will seinen eigenen Weg gehen, und die ältere Generation muss das akzeptieren, auch wenn sie anderer Meinung ist. Er will seine eigenen Erfahrungen machen und es ist ok, wenn er Fehler macht. Er trägt selber die Verantwortung für sein Handeln. 

Aufgaben sind wichtig

Schweigen ist da besser, denn es geht nicht, dass mehrere Personen Chef sein wollen. Das würde zu Konflikten führen. Aber wie gelingt einem aktiven Seniorenpaar das Schweigen? Indem sie sich bewusst vom betrieblichen Geschehen loslösen, den Jungen Vertrauen schenken und sie ermutigen, den eigenen Weg zu gehen.

Nach einem jahrelangen intensiven Alltag kann nicht plötzlich nichts mehr gemacht werden. Das kann zu einer grossen Lebenskrise führen. Jeder Mensch will gebraucht werden und einen erfüllten Alltag haben. Aus diesem Grund ist eine gute und offene Absprache untereinander sehr wichtig.

Auf vielen Betrieben sind die Jungen froh, wenn die ältere Generation sie bei Arbeitsspitzen unterstützt. Jedoch ist es für die Senioren oftmals nicht einfach, den Jungen die Betriebsführung zu überlassen. Der Alltag wird so für alle Beteiligten zu einer Herausforderung. Falls die Mithilfe auf dem Hof nicht erforderlich ist oder erwünscht wird, ist es umso wichtiger, einen gut gefüllten Wochenplan zu gestalten. Aber wie gestaltet man einen solchen Plan? Auf jeden Fall braucht der Mensch fixe Ankerpunkte im Alltag: einen strukturierten Ablauf und wöchentliche, wiederkehrende Aktivitäten. Das gibt Sicherheit. Endlich kann man sich Zeit nehmen für all die Sachen, die nie Platz hatten. Am besten schreibt man fortlaufend eine Liste mit Wünschen und Ideen – und das bereits vor der Hofübergabe. 

Partnerschaft meistern

Durch die Hofübergabe verändert sich der Tagesablauf und die eigene Rolle. Vielleicht zieht das Seniorenpaar ins Stöckli oder sogar in eine Mietwohnung ins Dorf. Das sind viele Veränderungen auf einmal, die auch die Partnerschaft belasten können.

Ein Beispiel: Sepp und Vroni Huber* waren jahrelang ein eingespieltes Team. Sie haben Arbeit, Freizeit, Haushalt, Betrieb unter einen Hut gebracht. Die Rollenteilung war klar. Sepp leitete den Landwirtschaftsbetrieb, Vroni war für den Haushalt und den Garten zuständig. Die Freizeit kam oft zu kurz. Nach der ausserfamiliären Hofübergabe sind sie ins benachbarte Dorf in eine Eigentumswohnung gezogen. 

 

Hofübergabe-Prozess braucht Zeit

Es wird Veränderungen geben: Es ist wichtig, dass sich das abtretende Betriebsleiterpaar schon vor der Hofübergabe bewusst ist, dass für sie bald ein neuer Lebensabschnitt, gepaart mit Veränderungen, beginnt. Ist das nicht der Fall, findet die Übergabe nur auf dem Papier statt, was mit der Zeit zu Konflikten führen kann. 

Eine seriöse Planung machen: Es lohnt sich, den persönlichen Bedürfnissen, Erwartungen und Gefühlen genügend Raum zu schenken und diese mit dem Partner auszutauschen und in einem Tagesablauf festzuhalten. 

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Beispiel für eine gemeinsame Arbeits- und Freizeitplanung. (Bild ab)

Ein offenes Generationengespräch führen: Sich über die eigene Gefühlswelt austauschen kann für beide Parteien aufschlussreich sein. 

Die Loslösung kann mehrere Jahre dauern: Einen Betrieb zu übergeben, ist mit einem intensiven Loslösungsprozess verbunden. Es lohnt sich, wenn sich das abtretende Betriebsleiterpaar diesem Prozess aktiv stellt, positiv in die Zukunft blickt und sich bewusst über den neuen Lebensabschnitt freut.

 

Sepp geht jeden Morgen auf den Hof und hilft seinem Nachfolger bei den täglichen Arbeiten. Vroni erledigt die Hausarbeiten. Einen Garten hat sie keinen mehr. Sie fühlt sich einsam und überhaupt nicht wohl in der Eigentumswohnung. Ihr Mann kommt am Abend zufrieden nach Hause. Sein Tag ist erfüllt. Vroni ist traurig und unzufrieden. Sie fühlt sich nutzlos. So hat sie sich das Leben nach der Pensionierung nicht vorgestellt. Ihr Mann versteht sie nicht, denn er findet, jetzt habe sie doch endlich genügend Freizeit. 

Vroni und Sepp wissen, dass  jede Person für das Glück und die Zufriedenheit selber verantwortlich ist. Nach einem gemeinsamen Gespräch haben die beiden einige Änderungen vorgenommen: Sepp wird in Zukunft an zwei Tagen pro Woche nicht mehr auf den Hof gehen, sondern seinen Ruhestand geniessen und Zeit mit seiner Frau verbringen. Auch Vroni ist aktiv geworden. Sie geht neu an einem Nachmittag ins «Kaffeekränzli» und hilft wöchentlich beim Mittagstisch der Senioren mit.

(* Namen geändert)