Auf dem Weg zum Ziel, Landwirtin oder Landwirt mit eigenem Hof zu werden, sind es vor allem zwei Punkte, die Schwierigkeiten bereiten: einerseits der sehr hohe Kaufpreis und anderseits die relativ kleine Anzahl von Höfen, die ausserfamiliär übergeben werden. Einen Hof zum Ertragswert oder leicht darüber zu kaufen, ist mit Herausforderungen verbunden. Einen Betrieb aber zum dreifachen oder fünffachen Ertragswert oder noch teurer zu erwerben, ist mit riesigen zusätzlichen Problemen verbunden. 

Übernahme zum Ertragswert nicht möglich

Die Kleinbauern-Vereinigung betreibt eine informative Website und Plattform, auf der sich Hofabtreter und künftige Hofübernehmer kostenlos informieren können. Die Vereinigung hat das Ziel, Hofübernahmen auch ausserhalb der Familie möglich zu machen. 

Meist weiss man im Vorfeld, für welchen Preis ein Hof erworben werden kann. Dann und wann gibt es aber auch Enttäuschungen: Dann, wenn plötzlich klar ist, dass der Hof, der aus der Familie kommt und ein Gewerbe ist, nicht zum Ertragswert gekauft werden kann. Rosalia Bürgi* aus dem Berner Oberland geht es so. Sie arbeitete als Buchhalterin und spürte «tief drin», dass sie dieser Beruf auf die Dauer nicht befriedigt. Vor wenigen Jahren entschloss sich die junge Frau, die landwirtschaftliche Ausbildung zu absolvieren. Mit grosser Freude übernahm sie den Hof ihres Grossvaters, der ein paar Jahre verpachtet und im Besitz ihres Vaters war. Der Vater war Lehrer – und nie Landwirt. Der Hof befand sich in seinem Privatvermögen. 

Inzwischen ist der Vater pensioniert. Er bot seiner Tochter an, den Hof zu erwerben. Rosalia Bürgi freute sich riesig darauf. Bei den Vorbereitungen zur Übernahme kam der grosse Schock: Obwohl der Hof aus Familienbesitz stammt und ein Gewerbe darstellt, kann sie ihn nicht zum Ertragswert übernehmen. Auch wenn der Vater ihr den Hof so überlassen möchte – es geht nicht. Er beginge eine Pflichtteilsverletzung und spätestens beim Erben bekäme die Landwirtin Probleme.

Stolperstein Tragbarkeit

Nun geht es Rosalia Bürgi, die seit drei Jahren als Mutterkuhhalterin und Direktvermarkterin tätig ist, wie zahlreichen anderen, die einen Hof möchten und ihn kaum oder nicht vermögen. Sie hat nach Möglichkeiten gesucht, wie sie den Hof doch noch finanzieren kann. Nach einem Besuch auf der Bank war klar, wie viel Geld und zu welchen Konditionen sie bekommt. Rosalia Bürgi: «Zuerst war ich absolut geschockt, wie viel ich selber aufbringen muss. In der Zwischenzeit sehe ich aber genau ‹durch›. Ich habe einen Finanzplan aufgestellt und weiss, wie ich vorgehen muss, um die fehlenden, notwendigen Mittel zu beschaffen.» Es handelt sich dabei um mehrere 100'000 Franken.

Bis Ende 2017 galt, dass höchstens der zweieinhalbfache Ertragswert bezahlt werden durfte, damit – wenn alles andere stimmte – beim Landwirtschaftsamt des Wohnkantons ein Investitionskredit beantragt werden konnte. Diese Vorschrift ist nicht mehr in Kraft. Rosalia Bürgi ist beim Kanton vorstellig geworden. Sie bekommt die so- genannte Starthilfe, da sie noch nicht 35-jährig ist. Die Starthilfe muss sie innert zehn Jahren zurückzahlen. 

Im Weiteren wird sie bei Coop Patenschaft für Berggebiete oder bei der Schweizer Berghilfe ein Gesuch für einen A-fonds-perdu-Beitrag stellen. An beiden Orten hat sie reelle Chancen, da sie im Berggebiet lebt. Sicher ist, dass sie nur bei einem dieser beiden Hilfswerke anklopfen kann. Zusätzlich hat sie im Stiftungsverzeichnis des Bundes nachgeschaut und Stiftungen gefunden, deren Stiftungszweck so ist, dass sie sie unterstützen könnten. Die Tragbarkeitsberechnung über fünf Jahre, die der landwirtschaftliche Beratungsdienst zusammen mit ihr erstellte, zeigt genau, wie viel Mittel beschafft werden müssen, damit die Übernahme tragbar wird. 

 

Nützliche Kontakte 

Kontaktmöglichkeit und Checklisten für Hofübergeber und -übernehmer

Unterstützungsbeiträge für Betriebe im Berggebiet

Stiftungen in der Schweiz

Crowdfunding

Die Online-Plattformen sind nur so gut, was man damit macht. Es gibt jedoch Jungbauern, die haben damit über 50'000 Franken gesammelt.

Ein Betriebskonzept und eine SWOT-Analyse helfen

Zum Glück hat Rosalia Bürgi viel Erspartes, ist eine gute Schreiberin und versteht viel von Selbstmarketing. Damit sie überhaupt Chancen hat unterstützt zu werden, musste sie nämlich ein Betriebskonzept mit SWOT-Analyse (Stärke-Schwäche-Analyse)erstellen. Das Betriebskonzept muss aufzeigen, wie der Betrieb entwickelt werden soll, die Ziele und Teilschritte müssen plausibel dargestellt sein. 

Rosalia Bürgi ist auch mit einer Kollegin, einer Jungfilmerin, in Kontakt. Sie wird ein zweiminütiges Video drehen, das die junge Landwirtin mit ihren Tieren auf dem Hof und auf der Alp zeigt. Im Video wird ebenfalls zu sehen sein, wie sie mit viel Herzblut Kräuterprodukte herstellt. Dieses Video wird fürs Crowdfunding (Finanzierung via Online-Plattform durch private Personen) benötigt. Es wird helfen, die letzten, dringend benötigten Franken zu finden. Im Moment ist noch offen, bei welcher der drei bekannten Crowdfunding-Plattformen (siehe Box) Rosalia Bürgi startet. Dieser Entscheid ist nicht so wichtig – entscheidend sind das tolle Video sowie die Geschenke, die sie für die gespendeten Franken gibt.

Sicher ist: Rosalia Bürgi wird es schaffen. Bald wird der Hof ihr gehören, aber nur dank ihren grossen Ersparnissen, dem Erbvorbezug und ihren Kommunikationsfähigkeiten.

* Name geändert