Ein Heimet mit schönerer Aussicht dürfte schwer zu finden sein: Der Alpenkranz am Horizont erstreckt sich auf der Unterbernegg von Vrenelis Gärtli bis zu den majestätischen Berner Gipfeln. Und weil heute der Föhn übers Land peitscht, stehen die Berge fast vor der Haustüre.

Fruchtbare Zusammenarbeit bisher

Drinnen in der guten Stube hat sich eine Schicksalsgemeinschaft versammelt, und zwar eine erfolgreiche. Am Tisch sitzen Rosmarie, Andreas und ihr Sohn Simon Zurbrügg, Loretta und Christoph Odermatt sowie Jakob Vogler, Geschäftsführer der Stiftung zur Erhaltung bäuerlicher Familienbetriebe.

Sie blicken zurück auf eine bis anhin sehr fruchtbare Zusammenarbeit. Zurbrüggs verkaufen ihr Gewerbe an Odermatts, Jakob Vogler hat sie beraten und die Finanzierung orchestriert. Ende 2019 wurde öffentlich beurkundet, Anfang 2020 wird das Eigentum definitiv übertragen.

Eine bewegte Zeit

Hinter den Beteiligten liegt eine bewegte Zeit. «Wir haben in den letzten Monaten die Finanzierung definitiv geregelt, geheiratet, die alte Wohnung eingepackt, die neue Wohnung leicht aufgefrischt und sind kurz vor Weihnachten umgezogen», fasst Loretta Odermatt das dichte Programm zusammen.

Verkauf ist kein Spaziergang

Der Verkauf eines Heimwesens ist kein Spaziergang, das wird im Gespräch schnell klar. Es waren vor allem zwei Dinge, welche die Sache ins Rollen brachten: die gesundheitlichen Probleme des Betriebsleiters und das Fehlen eines innerfamiliären Nachfolgers. 2011 wurde Andreas Zurbrügg ein Lungen-Emphysem diagnostiziert. Die Ärzte empfahlen ihm den Ausstieg aus der Landwirtschaft. 2017 entschied er sich, Nägel mit Köpfen zu machen. «Ich mag nicht mehr, wie ich können sollte», musste er feststellen. Die Beeinträchtigung durch seine Krankheit wurde zu gross. «Ich will mich nicht zu Tode krampfen», nahm er sich vor. Doch wer übernimmt den Hof? Er habe Simon nie dazu gedrängt, den Betrieb zu übernehmen, sagt sein Vater, nur ab und zu gefragt und ihm gesagt «das Einzige, was du musst, ist wollen».

 

Betriebsspiegel Unterbernegg 

Name:  Christoph und Loretta Odermatt (ab 2020)
Andreas und Rosmarie Zurbrügg (bis 2019)

Ort:  Unterbernegg, Hinwil ZH, Voralpine Hügelzone

LN:  20 ha (davon 6 ha Pacht), 3 ha Wald

Viehbestand:  23 Kühe (Braunvieh, 2 Jersey), Jungvieh

Arbeitskräfte:  Betriebsleiter und Ehefrau (Teilzeit)

 

Sohn ist ein angefressener Käser

Der Entscheid fiel an einem Sonntag im Februar 2018. «Es war am Tag nach den Skiferien», sagt Andreas Zurbrügg, daran erinnert er sich noch genau. Simon sagte ihm ab. Es sei nicht so, dass ihm die Landwirtschaft keine Freude mache, erläutert Simon, aber seine wahre Leidenschaft liege eher bei der Verarbeitung der Milch als bei deren Produktion. Für die Eltern war das keine Riesenüberraschung, die Begeisterung des Sohns für das Käserhandwerk war ihnen natürlich nicht verborgen geblieben. Trotzdem: «Es war schon nicht grad das Traumergebnis», so Andreas Zurbrügg.

1. Januar 2020 war das Ziel

Nun stellte sich die Frage nach den Alternativen. «Für mich war klar, am 1. Januar 2020 will ich aufhören», sagt der scheidende Betriebsleiter. «Das hast du dir auch schon für den 1. Januar 2019 vorgenommen», sagt Rosmarie Zurbrügg und lacht. Aber diesmal meinte es der Landwirt ernst. Mit Nachdruck ging das Ehepaar die Nachfolgeplanung an. Schnell stiess man im Internet auf das Angebot «Hofnachfolge ausserhalb der Familie» der obengenannten Stiftung.

Seit neun Jahren ein Paar

Geschäftsführer Jakob Vogler übermittelte Zurbrüggs darauf eine Reihe von Dossiers von möglichen Übernehmern. Erste Verhandlungen wurden geführt, mit einer Familie wurde es schon ziemlich konkret, aber zum definitiven Abschluss kam es dann doch nicht. In dieser Phase kamen Odermatts ins Spiel. Beide sind in der Landwirtschaft aufgewachsen, Loretta an der Zürcher Goldküste auf dem Küsnachterberg, Christoph in Sternenberg im Zürcher Berggebiet. Doch in beiden Familien gaben die Eltern ihre Pachten auf, und es gab keine Möglichkeit, selbst einzusteigen. Doch davon träumten die beiden jungen Leute. Christoph, Landwirt und Zimmermann, ist 25 Jahre alt. Loretta, Floristin und Bäuerin FA, ist ein Jahr älter. Sie sind bereits seit geraumer Zeit ein Paar. Loretta checkt den Kalender im Mobiltelefon: «Morgen sind es genau neun Jahre», sagt sie.

Auf der Alp reifte der Plan

Zwar gab es Unterbrüche in ihrem Beziehungsleben, unter anderem aufgrund eines Auslandaufenthaltes in Australien, aber spätestens im gemeinsamen Alpsommer reifte der Plan, zusammen etwas zu suchen.

Christoph hörte von seinem ehemaligen Lehrmeister vom frei werdenden Betrieb auf der Aussichtsterrasse ob Hinwil. «Er schickte mir die Telefonnummer von Zurbrüggs und sagte mir, ich solle sofort anrufen.» Gesagt getan. Und er beliess es nicht beim einen Mal. «Christoph war hartnäckig», sagt Andreas Zurbrügg schmunzelnd, «er hat etwa alle 10 Tage angerufen». Weil die Verhandlungen mit den Erstinteressenten nicht zum Ziel führten, luden Zurbrüggs das junge Paar auf den Hof ein.

Nur Verkauf kam in Frage

Das Datum haben sie alle noch im Kopf. Es war der 16. Mai 2019. «Ich habe ihnen gleich kurz nach der Ankunft auf dem Hof gesagt, dass es um einen Verkauf geht und nicht um eine Verpachtung.» Er habe sich gedacht, vielleicht laufen sie dann gleich wieder davon, «aber sie blieben und interessierten sich für den Hof».

Für Zurbrüggs war immer klar, dass nur ein Verkauf in Frage kommt. «Ich bin für ganze Sachen», sagt Andreas Zurbrügg, «wenn einer da bauert, muss er alleine entscheiden können». Er erhält Support von Jakob Vogler: «Wenns für alle Beteiligten stimmt, ist Verkauf die beste Option», sagt er, «so können sich die Abtreter noch einmal etwas Neues aufbauen und für die Käufer bieten sich mehr Möglichkeiten».

Finanzierung ist ein Puzzle

Konfrontiert mit dieser Ausgangslage sind Loretta und Christoph Odermatt nicht zurückgeschreckt, aber ein bisschen leer geschluckt haben sie schon. Der Erwerb eines stattlichen Gewerbes ist für ein junges Paar ohne vermögende Familien im Hintergrund ein rechter Hosenlupf, so viel wird im Gespräch klar. Wenn sie erzählen, erinnert einem der Weg zur Finanzierung an ein Puzzle der anspruchsvolleren Sorte.

Geschafft haben sie es dank langfristigen Darlehen von Verwandten und Bekannten, einer anderen Stiftung sowie der Zurbrüggs, die den beiden einen Teil des Verkaufspreises als Darlehen haben stehen lassen. Dazu kam die Starthilfe des Bundes.

Guter Milchpreis hilft

Dabei spielte auch die Struktur des Betriebs eine wichtige Rolle. Dank der Produktion von Rohmilch für die nahe Käserei Girenbad mit umfangreichem Spezialitätensortiment ist der Milchpreis überdurchschnittlich gut. «Müssten wir hier Silomilch für die Industrie produzieren, hätten wir es gleich vergessen können», sagt Christoph Odermatt. Dass die kommenden Jahre anspruchsvoll werden, ist ihm und seiner Frau bewusst. «Wir haben erst die erste kleine Hürde geschafft», sagt Loretta Odermatt, aber ihr Tatendrang ist ebenso spürbar wie das Vertrauen der Abtreter in das junge Paar. So leicht werden sich diese Einsteiger kaum von ihrem Weg abbringen lassen.

Allseitige Freude ist spürbar

Obwohl sich die Beteiligten noch nicht sonderlich lang kennen, wird im Gespräch hohes gegenseitiges Verständnis spürbar. Man rühmt die Transparenz. «Alle haben immer alles voneinander gewusst und mit offenen Karten gespielt», sagt Christoph Odermatt, das finde er sehr positiv. Spürbar ist auch die allseitige Freude, dass das gut arrondierte Heimwesen weiterbesteht und nicht zerstückelt wird, wie das heute vielerorts gang und gäbe ist. Die Tischrunde hofft, dass ihr Beispiel motivierend wirken kann für andere Bauernfamilien, die eine ausserfamiläre Nachfolgelösung an die Hand nehmen müssen und somit hofsuchenden Interessenten eine Chance bieten können.

Keine Integrations-Probleme

Dankbar sind die Käufer auch, dass es gelungen ist, die sechs Hektaren Pachtland zu übernehmen. Das sei ein weiterer wichtiger Faktor für einen guten Einstieg, ist Andreas Zurbrügg überzeugt. Keinerlei Bedenken hat er auch bezüglich Integration der neuen Bewirtschafter. Christoph Odermatt ist unweit von Hinwil aufgewachsen, Mitglied im örtlichen Schwingklub und offenbar ein begnadeter Netzwerker: «Er kennt hier schon mehr Leute als ich», sagt Andreas Zurbrügg mit einem zufriedenen Lachen.   

 

Titel

Die Stiftung zur Erhaltung bäuerlicherFamilienbetriebe organisiert am 21. Januar 2020 in Ganterschwil SG und am 30. Januar 2020 in Oftringen AG Informationsveranstaltungen für Landwirte und Bäuerinnen ab
55 Jahren ohne familieninterne Nachfolge, die wollen, dass ihr Hof weitergeführt wird. Weitere Infos:
www.hofnachfolge.ch ▶ Aktuell