«Das ist kein Abschussgesetz!» Dieser Satz war an der Medienorientierung vom Dienstag zum revidierten eidgenössischen Jagdgesetz, über das am 27. September abgestimmt wird, mehrfach zu hören. Eingeladen zur Orientierung hatte der Zürcher Bauernverband. Weil aber der Kanton Zürich – wenn überhaupt – nur ganz am Rande von der Problematik der wachsenden Wolfspopulation betroffen ist, stellten die Verantwortlichen des ZBV die Situation im Kanton Graubünden ins Zentrum ihrer Ausführungen.
Keine Bedrohung für Zürich
Ferdi Hodel, der Geschäftsführer des Zürcher Bauernverband, formulierte es so: «Aktuell ist der Wolf für die Zürcher Bevölkerung keine Bedrohung». Über 60 Prozent der Schweizer Wölfe lebten aber im Kanton Graubünden. Das sei für die dortige Bevölkerung ein Problem. Deshalb mache es Sinn, den Kantonen bei der Regulierung der Wolfsbestände mehr Kompetenzen einzuräumen, wie es dies das revidierte Gesetz vorsieht.
Der Kanton Zürich habe ja auch in eigener Kompetenz eine Leinenpflicht für Hunde eingeführt, da diese zu einem Problem geworden sind. Der ZBV hat deshalb mit Blick auf die bevorstehende Abstimmung einen Kurzfilm ins Netz gestellt, der diesen Aspekt in den Vordergrund rückt.
Wölfe vermehren sich rasch
«Im Jahr 2011 haben zwei bis drei Wölfe im Kanton Graubünden gelebt. Heute sind es mehr als 50 Wölfe in sieben oder acht Rudeln.» Das sagte Martin Renner, der Geschäftsführer des Bündner Bauernverbands an der Medienorientierung in Dübendorf. Wenn diese Entwicklung mit der gleichen Dynamik weitergehe, könnten es im nächsten Jahr bereits 12 bis 15 Rudel sein, sagte Renner weiter und stellte fest: «Der Wolf ist ein sehr intelligentes Tier und überspringt die Massnahmen des Herdenschutzes.»
So seien im Kanton Graubünden im laufenden Jahr bereits 160 Risse vorwiegend von Schafen und Ziegen festgestellt worden. 80 dieser Tiere hätten sich in einer geschützten Herden befunden. Wie Renner weiter darlegte, werden Viehherden schon seit längerer Zeit empfindlich durch die Präsenz von Wölfen gestört.
Kälber aus Mutterkuhherden
Seit wenigen Tagen gibt es auch Meldungen, wonach Kälber aus Mutterkuhherden gerissen wurden. Drei Einträge von vermuteten Rissen von Kälbern aus Mutterkuhherden auf Bündner Alpen finden sich auch auf der Homepage des Bündner Amts für Jagd und Fischerei. Dieses hat entsprechende Untersuchungen eingeleitet.
Martin Renner wies bei seinen Ausführungen auch auf die Bedeutung der Alpwirtschaft im Kanton Graubünden hin. Diese stelle nicht nur ein kultureller Wert dar, sondern sei auch wichtiger Bestandteil einer produzierenden Landwirtschaft. Wenn in Graubünden der Wolfsbestand nicht durch eine professionelle Bejagung durch die Wildhut stärker reguliert werden könne, gerate diese in Gefahr. Dies würde auch, so Renner, zu einer Verarmung der Biodiversität führen, denn viele Pflanzen- und Tierarten seien auf extensiv bewirtschaftete Flächen angewiesen. Durch eine Verbuschung der Alpen würden aber auch die Gefahren, die von Erdrutschen und Lawinen ausgehen, erhöht.
Zu wenig griffig
Wie Martin Renner betonte auch Martin Haab, dass das revidierte Jagdgesetz kein Wolfabschussgesetz sei. Am Beispiel der Steinböcke legte der SVP-Nationalrat und gewählte zukünftige Präsident des Zürcher Bauernverband dar, dass eine kontrollierte Bejagung den Bestand eine Tierart nicht gefährde. «Der Steinbock gehört zu den geschützten Tierarten, darf aber gejagt werden», sagte Haab. Allein im Jahr 2018 seien 1140 Tiere durch gezielte Abschüsse aus dem Bestand genommen worden. Trotzdem habe der Bestand seit 1970 um über das Zweieinhalbfache zugenommen.
Das bestehende Tierschutzgesetz sei 34 Jahre alt, sagte Haab weiter. Tierarten wie Bär, Wolf, Luchs oder Biber seien damals kein Thema gewesen. Jetzt würden diese Tiere in der Schweiz leben. Deshalb sei eine Revision des Jagdgesetzes nötig. Die bestehende Gesetzgebung sei zu wenig griffig und erlaube den Abschuss eines Wolfes erst, wenn ein solcher innerhalb eines Monats 25 Tiere oder innerhalb von vier Monaten 35 Tiere reisst. Der Wolf verliere zunehmend die Scheu vor Mensch und Tieren und werde so zur Bedrohung.
Gewinn für den Artenschutz
Christian Jaques, der Präsident von Jagd Zürich, brachte auch zürcherische Aspekte zum revidierten Jagdgesetz ein. Dieses sehe eine finanzielle Unterstützung von Schutzgebieten vor und fördere den Bau von Wildkorridoren, sagte er. Das bedeute einen Gewinn für den Arten- und Landschaftsschutz und ermögliche ein Nebeneinander von wilder und gepflegter Natur, hob Jaques hervor.
Das sei gerade im Kanton Zürich mit seinem hohen Siedlungsdruck und der enormen Dichte an Verkehrsinfrastrukturen von zentraler Bedeutung. Die Gegner würden die Vorzüge des revidierten Gesetzes vollständig ausblenden und die Vorlage fälschlicherweise auf ein Abschussgesetz reduzieren.