Der Heuet war in meiner Jugend das wichtigste Ereignis des Jahres, gleich nach Weihnachten. Weil auf unserem Pachtbetrieb in Luthern LU auf 800 Meter über Meer die Wiesen zum Teil südseitig, zum Teil nordseitig lagen – zum Teil sehr steil - zog sich die Heuernte von Ende Mai bis in den Juli hinein. In der Primarschule gab es «Heuferien» bei gutem Heuwetter und während Regenperioden wurde in der Kirche im Sonntags-Gottesdienst für gutes Heuwetter gebetet.

Alles, was Beine hat, auf die Wiesen

Wenn Mittags um halb ein Uhr im Radio Beromünster der Wetterbericht verlesen wurde, herrschte befohlene Stille in der Küche. Bei guten Wetteraussichten verkündete Vater: «Morgen mähen wir Heugras». Darauf brach in unserer Familie wie auch im gesamten Napfgebiet das Heufieber aus. Dazu muss man wissen, dass Heuen in den 60er-Jahren mit sehr viel Handarbeit verbunden war. Bei schönem Heuwetter wurde alles, was Beine hatte, auf die Heuwiesen befohlen, inklusive Rösser und Hofhunde. Zudem wurden Bekannte und Verwandte zur Mithilfe angefragt. Mit einem Rapid Typ U mähte mein Vater die erste Wiese. Später mähte auch ich mit diesem Knochenschüttler – das ersparte einem übrigens eine Massage und Sauna. Wir Kinder, unsere Mutter, unser Knecht Kari, Cousins, Cousinen, Onkel und Tanten und der spanische Saisonarbeiter zetteten und rechten das Gras an den steilen Högern. Auf dem Feld, im Stall und in der Scheune war die Luft erfüllt vom Duft des frischen Heus.

Die Maschinen halten Einzug

1963 kaufte mein Vater eine Heuraupe, welche trockenes Heu zu Schwaden formte. Nachbarn kamen herbeigelaufen und bestaunten den Reform, welcher mit Zweitaktergeheul und unter Ausstossung von öligblauen Auspuffgasen Heu schwadete. Geladen wurde das Heu von Hand auf Pferdewagen und meine Aufgabe war, unseren Freibergerpferden Mädi und Lisi die Fliegen und Bremsen mit einem Haselzweig abzuwehren, damit sie nicht durchbrannten. Mein Bruder hätte dasselbe machen sollen, rannte jedoch nach den ersten Bremsenstichen heulend zur Mutter und so hatte ich das Haselzweigwedeln allein zu erledigen. Ab 1965 wurde mein Cousin Hans aus Buttisholz LU zu Hilfe gerufen. Dieser fuhr mit einem Meili-Traktor und einem Pöttinger-Ladewagen vor und führte das Heu alleine in die Scheune. Das Beispiel wirkte: 1968 schaffte mein Vater einen Occasion Fordson Dexta-Traktor und einen Ladewagen «Steyr Hamster Junior» an. Als Zwölfjähriger wurde ich systemrelevant, denn ich schaffte es, Traktor mitsamt angehängtem Hamster Junior ohne Schaden rückwärts in die Hocheinfahrt der Scheune zu manövrieren.

Ein historisches Bild

1974 kam ein Steyr 540 mit Vierradantrieb auf unseren Hof. Ab 1979, nach dem Ende unserer Pacht, fand das Heuen ohne mich statt. Das Bild habe ich mit meinem Fotoapparat «Kodak Instamatic» geknipst, den ich als 15-Jähriger in der Drogerie Jost in Willisau LU kaufte. Ich hatte kurz vorher von meiner Gotte zehn Fünfliber als letztes Geschenk erhalten. Als meine Gotte von diesem Kauf erfuhr, prophezeite sie mir ein Leben in Armut, falls ich weiter so Geld «verputzte».