Luzerne kann getrost als Königin der Futterpflanzen angesehen werden. Sie wächst dank tiefer Wurzeln auch dort, wo es trocken ist. Sie kann mehrjährig genutzt werden, bindet Stickstoff im Boden und ist ein ausgezeichneter Protein- und Kalzium-Lieferant für Milchvieh. So klar die Vorteile, so unklar ist die Klassifizierung – wenigstens für Produzenten von Tête de Moine AOP.
Während das Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) getrocknete Luzerne nämlich als Raufutter klassifiziert, wird sie in der Interpretationshilfe für die Umsetzung des Pflichtenhefts für die Tête-de-Moine-Produzenten als Kraftfutter eingestuft.
Sortenorganisation muss Klassifizierung klären
Dieser Unterschied in der Einordnung von Luzerne sorgt nun bei Tête-de-Moine-Produzenten für Diskussionen. Auslöser für die Kontroverse ist ein Brief, den die Sortenorganisation von Tête de Moine an ihre Produzenten verschickt haben soll. Darin werden die Produzenten darauf hingewiesen, dass das Pflichtenheft in Bezug auf die Klassifizierung von Luzerne bis Ende Juni 2020 präzisiert werden soll.
Grund für die Präzisierung ist der Eingangs aufgeführte Unterschied, der bei Betriebskontrollen zu Schwierigkeiten führen kann. So orientiert sich die zuständige Kontrollstelle in Bezug auf den Einsatz von importierter und getrockneter Luzerne an der Definition des BLW und stuft Luzerne als Raufutter ein. Weil das Tête-de-Moine-Pflichtenheft aber den Einsatz von Raufutter verbietet, das ausserhalb des Produktionsgebiets hergestellt wird, müssten die Produzenten für den Einsatz von importierter Luzerne eigentlich sanktioniert werden. Weil Sanktionen in diesem Fall weder im Sinne der Produzenten noch der Sortenorganisation sind, hat letztere die Kontrollstelle gebeten, die Sanktionierung bis Ende Juni 2020 auszusetzen. Weil die Kontrollstelle dem zugestimmt hat, hat die Sortenorganisation jetzt Zeit, allenfalls eine Pflichtenheftänderung zu vollziehen.
Diskussionen stehen noch an
Bei dieser Anpassung geht es vor allem darum, ob importierte Luzerne als Teil des Raufutters mit in das Pflichtenheft aufgenommen werden soll. Damit würde die Regelung, wonach 100 Prozent des Raufutters aus dem Ursprungsgebiet des Tête de Moine kommen muss, aufgehoben werden. Wie eine mögliche Lösung konkret aussehen soll, könne derzeit noch nicht abgeschätzt werden, weil die dazu notwendigen Diskussionen noch laufen, heisst es.
Tête de Moine ist eine Erfolgsgeschichte
Im Zuge der Recherche wurde mehrfach betont, dass es eigentlich zu früh sei, um die laufenden Diskussionen öffentlich zu machen. Ein Artikel würde die Lösungsfindung nicht erleichtern, hiess es weiter. Zudem zeigten sich verschiedene Akteure erstaunt über das öffentliche Interesse. Gleichzeitig erwähnten verschiedene Quellen heftige Reaktionen in Bezug auf eine mögliche Anpassung des Pflichtenheftes. Die Gründe dafür konnten nicht abschliessend geklärt werden.
Fest steht, dass der Verkauf und die Produktion von Tête de Moine seit 1981 fast kontinuierlich zugenommen hat; im Durschnitt 50 Tonnen pro Jahr, wie die Sortenorganisation auf ihrer Webseite schreibt. Grob gerechnet entspricht das einer jährlichen Steigerung der Milchmenge um rund 500 000 kg. In Kombination mit den guten Milchpreisen – Tête de Moine AOP gehört zusammen mit Gruyère AOP und Vacherin Fribourgeois AOP zu den besten Verarbeitungskanälen – besteht ein entsprechend grosser Anreiz, die Produktion auszudehnen.
Die bisherige Regelung machte die Produktionsausdehnung insofern einfacher, als dass das Kraftfutter bis zu 30 Prozent der Futterration ausmachen und auch importierte Luzerne enthalten könnte. Dass das Problem überhaupt diskutiert wird, liegt auch daran, dass durch zunehmende Sommertrockenheit Ertragsaufsälle im Futterbau kompensiert werden müssen.
Unklar ist, wie gross das Reputationsrisiko für Tête de Moine wäre, wenn bei der Fütterung eine Ausnahme für den Luzerne-Import geschaffen würde. Immerhin wird betont, dass Luzerne aus Frankreich das kleinere Übel wäre, als Soja und Getreide vom anderen Ende der Welt.
Konkrete Vorschläge an DV erwartet
Aufgrund der laufenden Diskussionen wollen sich die Verantwortlichen nicht öffentlich äussern. Wie eine Lösung im Sinne der Branche aussehen könnte, wird sich frühestens am 4. November entscheiden; dann findet die nächste Versammlung der Tête-de-Moine-Delegierten statt.