Nach der Silomaisernte entscheiden sich einige Landwirte, noch im Herbst auf der gleichen Parzelle Kunstwiese anzulegen. Doch ist das clever, so kurz vor dem Winter? Landwirt Werner Kocher aus Worben BE hat es gewagt. Ihn überzeugte, dass im Folgejahr der erste Wiesenschnitt bereits im April statt wie üblich bei einer Frühjahrssaat erst im Juni erfolgen kann. Doch bevor die Kleegrasmischung auflaufen konnte, machte das Wetter ihm schon einen Strich durch die Rechnung.
Kälte zerstört den wärmebedürftigen Klee
In den Jahren 2016 und 2017 musste Werner Kocher aufgrund eines Landabtausches Mais anbauen. Weil beide Jahre wetterbedingt gut waren und der Mais früher abreifte, entschied er sich, die Kunstwiese schon im Herbst auszusäen. Die Aussaat erfolgte jeweils einen Tag nach der Silomaisernte – am 14. September 2016 und am 13. September 2017. So hätte der empfindliche Klee noch genügend Zeit, sich entwickeln zu können, dachte sich Kocher. Zuversichtlich säte der Landwirt die 200er-Raigras-Klee-Mischung an. Doch beide Male wurde es kurz darauf kälter und Reif legte sich auf den noch wenig entwickelten Klee. «Das war zu viel für ihn. Er ging kaputt», erinnert sich Kocher zurück. Was dem Landwirt blieb, war eine Kunstwiesenmischung mit wenig Klee, aber viel Raigras im darauffolgenden Jahr.
Saatgut muss bis Ende August in den Boden
Beat Reidy, Dozent und Experte für Graslandnutzung an der Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften (HAFL), erkennt das Problem: «Leguminosen sind wärmebedürftige Pflanzen. Eine Aussaat Mitte September kann in manchen Regionen schon zu spät sein.» Reidy empfiehlt daher, bis spätestens Ende August eine Aussaat vorzunehmen, damit sich der Klee noch bis zum Winter etablieren kann. «Denn nicht nur die Temperaturen hemmen das Wachstum – auch die Gräser, die mit kälteren Temperaturen besser zurechtkommen, verdrängen den Klee», erklärt der Experte. Es müsse deshalb damit gerechnet werden, dass sich bei Spätsaaten ein gräserreicher Bestand entwickelt und nur sehr wenig Klee vorzufinden ist.
Wärmere Regionen sind besser für den Anbau geeignet
Auch Pflanzenbauberater Martin Streit vom Inforama Zollikofen bestätigt und fügt an: «Weiter besteht die Gefahr, dass sich die Wiesenrispe aufgrund ihrer langsamen Jugendentwicklung vor dem Winter ebenfalls nicht genügend entwickeln kann und somit in den späteren Nutzungsjahren die Ablösung von Raigras nicht funktioniert.» Deshalb lohne sich eine Aussaat im Herbst nur dann, wenn der Silomais früh geerntet werden kann. «Das ist mit frühreifen Maissorten zwar möglich, jedoch hängt der Reifezeitpunkt stark vom Wetter ab und das lässt sich bekanntlich nie vorhersagen», so Streit. Grundsätzlich empfiehlt der Pflanzenbauberater, eine Spätsaat der Kunstwiese nur in Regionen zu planen, in denen der Herbst länger warm bleibt, wie es in tiefen Lagen und in Föhntälern der Fall sei.
Kunstwiese braucht eine spezielle Bodenvorbehandlung
Soll dennoch eine Spätsaat erfolgen, eigne sich laut Beat Reidy eine zweijährige Mischung mit rasch auflaufenden Arten am besten. Das könnte laut Martin Streit z. B. eine SM 200 mit Italienischem Raigras und Ackerklee oder eine UFA Wintergrün-Mischung sein.
Aber nicht nur mit einem frühen Saatzeitpunkt lässt sich das Kleewachstum fördern. Auch das Saatbett muss vorhergehend für die Kunstwiese vorbereitet werden:
- Stoppeln zerkleinern, um das Futter nicht zu verunreinigen und um den Maiszünsler zu bekämpfen.
- Stoppeln mulchen oder pflügen – bei Letzterem wird aber die Tragfähigkeit des Bodens stark eingeschränkt.
- Bei der Ansaat allfällige Verdichtungen von der Ernte aufbrechen und ein ebenes Saatbett schaffen.
- Auf eine genügende Rückverfestigung achten.
- Saatgut möglichst flach, maximal 1 cm tief, mit Sämaschine oder oberflächlich mit Säwalze ausbringen, damit der Klee eine Möglichkeit hat, gut aufzulaufen.
- Nicht bei nassen Bedingungen aussäen.
- Stickstoffdüngung reduzieren: Stickstoffgaben schwächen den Klee und fördern eher das Gräserwachstum.
Grünroggen als Alternative zur Kunstwiese
Mais sei sicherlich nicht die ideale Vorfrucht vor Kunstwiese, so Martin Streit. Er empfiehlt deshalb eine Ansaat von Getreide nach Mais oder eine Ansaat von Kunstwiese nach Weizen im folgenden Spätsommer. Wenn dies nicht möglich ist, sei eine Ansaat im Frühjahr mit längerdauernden Mischungen einer Aussaat im Spätsommer vorzuziehen. Beat Reidy fügt hinzu: «Als Alternative zur späten Ansaat von Kunstwiese eignet sich Grünschnittroggen, auch wenn die Futterqualität nicht vergleichbar mit der der Kunstwiese ist.» Aber auch Grünschnittroggen sollte bis spätestens Mitte September gesät sein, damit im Herbst eine akzeptable Bodenbedeckung erreicht ist. Da der Roggen winterhart ist und im Frühjahr rasch schosst, kommt er allenfalls für Mutterkühe als Futter in Frage.
Lieber Gründüngung, wenn nicht auf Grassilage angewiesen
In den letzten beiden Jahren hat Werner Kocher auf diesen Anbau von Kunstwiese verzichtet. Von der Aussaat im Spätsommer rät der Landwirt grundsätzlich nicht ab. «Trotz des wenigen Klees konnte ich das Gras dennoch für die Fütterung nutzen. Es war nur nicht so proteinreich wie sonst mit Klee. Auch hat sich die Kunstwiese als guter Erosionsschutz über den Winter nützlich gemacht», sagt Kocher. Dennoch rät er: Wenn man nicht auf Grassilage oder Heu angewiesen ist, sei es günstiger, den Boden während des Winters mit Gründüngung zu bedecken, was den gleichen positiven Effekt mit sich bringt.