Auf dem Schul- und Versuchsbetrieb Obstbau des Bildungs- und Beratungszentrums BBZ Arenenberg in Güttingen TG stehen über 200 Aprikosenbäume. Fast alle der elf Neuzüchtungen sind aromatische, früh reifende Sorten. Ein Teil steht in einem Folientunnel, der andere draussen im Freien.

Ein Drittel Ernteverlust

Der Aprikosenanbau ist unter den bei uns vorherrschenden klimatischen Bedingungen ein sensibles Unterfangen, denn bei Frost im Frühjahr drohen Ernteverluste. Dennoch versuchen heute über 20 landwirtschaftliche Betriebe, Thurgauer Aprikosen auf den regionalen Markt zu bringen – und das mit zunehmendem Erfolg.

Bei frühsommerlichen Temperaturen erinnert sich heute kaum noch jemand an den Kälteeinbruch von Ende März, durch welchen die Thurgauer Aprikosenproduzenten bei den Frühsorten Ernteausfälle von gut und gern 30 Prozent zu beklagen haben. Auch zu viel Regen kurz vor der Ernte behagt den Aprikosen gar nicht. Dann bekommen sie Flecken, ähnlich wie Druckstellen, und können nicht mehr verkauft werden.

Dies und noch viel mehr von den süssen und begehrten Früchten erzählte der Obstfachmann Patrick Stadler kürzlich auf einem Rundgang durch die Aprikosenkulturen des Schul- und Versuchsbetriebs Obst- und Beerenbau in Güttingen, wo der 46-Jährige seit bald 15 Jahren als Betriebsleiter die Verantwortung trägt.

Die Konsumenten sind interessiert

«Im vergangenen Jahr konnten wir von unseren 204 Aprikosenbäumen rund 1,3 Tonnen Früchte ernten und verkaufen. Das Interesse bei den Konsumentinnen und Konsumenten war derart gross, dass wir problemlos noch viel mehr hätten verkaufen können», sagte Sandra Stadler-Kuster. Die Gattin von Patrick Stadler ist Vize-Gemeindepräsidentin von Güttingen. Sie hilft jeweils bei der Ernte mit und kümmert sich um den Verkauf, der direkt ab dem Versuchsbetrieb erfolgt. Da nur die schönsten und reifsten Exemplare ins Körbchen dürfen, können pro Tag oft nur gerade um die fünf Kilogramm pro Sorte gepflückt werden.

Urs Müller ist Leiter Obst, Gemüse und Beeren am Bildungs- und Beratungszentrum BBZ Arenenberg. Er bestätigt, dass der Verkauf der Aprikosen sehr gut läuft und dass selbst mit nicht perfekter Ware, welche hauptsächlich zu Konfitüre verarbeitet wird, noch recht gute Preise erzielt werden.

Viele kleine Flächen mit Aprikosen

Urs Müller erinnert sich noch gut an die ersten Aprikosenbäume im Thurgau. Er selbst kaufte sie vor 25 Jahren im Wallis und pflanzte sie dann bei uns an. Auf die Idee, den Anbau am BBZ Arenenberg zu prüfen, war sein Kollege Ueli Henauer gekommen. Und so kam es ab 1996 in Güttingen zu ersten Versuchen. Im Kanton Thurgau werden heute auf insgesamt gut zehn Hektaren Aprikosen angebaut. Darunter sind viele sehr kleine Flächen für die Direktvermarktung. Gemäss Müller liegt das Gesamtpotenzial bei rund 25 Tonnen Früchten.

Diverse neue Sorten

Wegen der aktuellen Bedürfnisse des Marktes ist das Aprikosensortiment einem grossen Wandel unterworfen. In Güttingen werden seit 2017 elf neue Aprikosensorten in einem 60 Meter langen Folientunnel sowie im Freien, geschützt mit Hagelnetzen, angebaut. Die ursprünglich aus Frankreich und Österreich stammenden Züchtungen kreuzte man mit einheimischen Sorten. Daraus entstanden neue Sorten mit den Namen Flopria, Laticia, Vertige, Koolgat, Mia, Lisa, Bergaval, Myro, Farius, Orangered und Precoce Millet.

Rote Backen sind begehrt

Die Aprikose ist die Frucht, von der es nebst dem Apfel weltweit am meisten Sortenzüchtung gibt. Der Grund ist ihre Farbe. Die rein orangen Sorten verschwinden immer mehr. Begehrt sind rotbackige mit «freundlichem Aussehen», weiss Urs Müller. Vermutlich, weil sie den ­Konsumenten mehr Reife versprechen, was aber meist nicht der Fall ist. Die perfekte Aprikose muss leuchten und frisch gepflückt sein. Patrick Stadler erklärt die Kriterien für die Güttinger Aprikosen: Sie haben rote Backen, ein gutes Aroma und eine gewisse Grösse. Möchte man die Aprikosen sofort geniessen, sucht man sich vollreife und weiche Früchte aus – die schmecken am besten.