Bern Jedes Jahr werden, insbesondere nach Ostern, zahlreiche Legehennen ausrangiert. Letztes Jahr waren dies 1,8 Mio Hühner. Und was geschieht dann mit ihnen? Ein Grossteil der Hennen wird geschlachtet und als Suppenhühner oder Charcuterie vermarktet. Die restlichen Tiere gehen, nach der artgerechten Tötung auf dem Betrieb, in die Biogasproduktion.

In Deutschland geschlachtet

Geschlachtet werden die Legehennen allesamt nicht etwa in der Schweiz, sondern in Deutschland. Genauer gesagt bei der Oberschwäbischen Geflügel GmbH (OSG) in Ertingen, Deutschland. In den letzten zehn Jahren koordinierte die Branchenorganisation Gallo-Circle die Schlachtungen der Schweizer Legehennen in Deutschland. 2014 übernahm jedoch die Migros-Tochter Micarna die deutsche Schlachtfirma OSG. Letztes Jahr waren es eine Million Schweizer Legehennen, die dort unters Messer kamen. Davon wurden 327 000 Tiere, also 33 Prozent, als ganze Suppenhühner vermarktet. 67 Prozent des Hühnerfleisches wurde von Micarna zu Wurstwaren weiterverarbeitet. Dies hat in den letzten Jahren gut funktioniert.

Migros schaut für sich

Nun drohen Roboter, den Markt zu verändern. Die beiden Verarbeiter Micarna und Bell haben nämlich in automatische Zerlegelinien investiert, die Pouletbeine automatisch entbeinen. Dadurch können nun mehr Rohstoffe für die Geflügel-Charcuterie-Produktion aus den Pouletschlachtungen verwendet werden. Diese sind billiger und einfacher zu verarbeiten. Daher braucht es nun weniger Legehennenfleisch.

Seit diesem Jahr hat zudem Lüchinger und Schmid, eine Tochterfirma der Micarna, entschieden, die Verarbeitung und Vermarktung der Legehennen von ihren Eierproduzenten selber in die Hand zu nehmen. Sie bietet ihren Produzenten an, die Tiere direkt abzunehmen. Das bereitet Gallo-Circle Kopfzerbrechen. Diese Genossenschaft setzt sich dafür ein, dass alle Schweizer Legehennen verwertet werden.

300 000 Hühner mehr töten

"Die Entscheidung von Lüchinger und Schmid rüttelt den Markt durcheinander", erklärt Willi Neuhauser, Präsident von Gallo-Circle. Dazu kommt, dass sich die Marktfähigkeit von Verarbeitungsfleisch generell geändert hat. "Wir rechnen damit, dass dieses Jahr 200 000 bis 300 000 Tiere mehr gefoxt werden müssen." Mit Foxen meint er die Methode Gallo-Fox, die mit CO2 die Tiere artgerecht auf dem Hof tötet.

Bei der Migros versteht man die Befürchtung von Gallo-Circle nicht ganz. "Am Vorgehen der OSG hat sich nichts verändert. Das Unternehmen führt auch heute noch Schlachtungen für Kunden durch", schreibt Alexandra Kunz, Mediensprecherin vom Migros-Genossenschaftsbund auf Anfrage. Das Einzige, was sich geändert habe, sei, dass seit diesem Jahr die alten Legehennen von Lüchinger und Schmid nicht mehr über die Branchenorganisation verarbeitet werden. «So können wir sicherstellen, dass keine alten Legehennen entsorgt werden, sondern wir alle als Teil der Lebensmittelproduktion sinnvoll nutzen können», verteidigt Kunz die Entscheidung.

Im deutschen Schlachthof werden weiterhin alle Biolegehennen geschlachtet. Die Tiere werden branchenintern verwertet. Auch Coop lässt weiterhin die Tiere von Coop-Naturafarm dort schlachten

und nimmt diese zurück. Doch für die anderen Geflügelproduzenten sind die Bedingungen mühsamer geworden. Dadurch, dass die Hennen von Lüchinger und Schmid nun Vorrang haben, müssen die anderen

eben warten. Zudem ist die Schlachtung teurer geworden und die Produkte erhalten auch kein Suisse-Garantie-Label, weil sie nicht in der Schweiz geschlachtet wurden.

Zum Ei gehört das Huhn

"Wer Eier verkauft, sollte dem Konsument auch beibringen, dass zu den Eiern auch die Legehennen gehören", meint Martin Rihs, Legehennenhalter aus Montagny-la-Ville FR. Das Problem sei, dass der Produzent im Normalfall keinen Kontakt zum Endkonsumenten hat. "So müssen wir uns auf die Händler und den Verband verlassen, damit sie die Konsumenten sensibilisieren." Mit der Situation am Markt ist der Produzent unzufrieden. Die letzten Jahre haben die Produzenten sogar draufzahlen müssen für den Transport ihrer ausgedienten Legehennen nach Deutschland. "Es macht doch keinen Sinn, Hühner für die Schlachtung nach Deutschland zu transportieren, nur weil wir in der Schweiz keinen Schlachthof dafür haben." Auch Albert Brand von den Westschweizer Eierproduzenten bei Gallosuisse findet die Situation unbefriedigend.

Neues Projekt in Sicht

"Die aktuelle Art und Weise, wie die Legehennen geschlachtet werden, ist weder wirtschaftlich noch ökologisch", findet Albert Brand. Aus diesem Grund hat er gemeinsam mit anderen Westschweizer

Eierproduzenten im letzten Herbst eine Arbeitsgruppe gegründet. Sie verfolgen das Projekt, einen Schlachthof in Avenches zu bauen. Genauer gesagt soll an einem bereits existierenden Rotfleisch-Schlachthof ein Anbau für die Schlachtung von Legehennen gemacht werden. Damit das Projekt auch die Unterstützung von möglichst vielen Produzenten erhält, arbeitet die Gruppe auch mit Gallo-Circle zusammen.

"Wir suchen nach einer langfristigen, nachhaltigen und regionalen Lösung", erklärt Albert Brand. Mögliche Absatzkanäle sind bei Coop sowie auch im "Südländer-Kanal", wie Brand sagt. "Dort können wir die Nachfrage nach Legehennenfleisch nicht stillen." Aus diesem Grund zieht es die Arbeitsgruppe auch in Betracht, mit den Discountern (Aldi, Lidl, usw.) eine Zusammenarbeit zu suchen. "Aber solange wir keinen Schlachthof in der Schweiz haben, können wir auch nichts anbieten", so Brand.

Derweil versucht Gallo-Circle, das Suppenhuhn wieder mehr unter die Konsumenten zu bringen. Denn: "Würde jede Schweizer Familie einmal im Jahr ein Suppenhuhn essen, so wären alle Hühner gegessen", sagt Willi Neuhauser, der Präsident von Gallo-Circle.Jasmine Baumann

"Wenn jeder Haushalt einmal im Jahr ein Suppenhuhn isst, sind alle gegessen."

Willi Neuhauser, Präsident Gallo-Circle