Mitte Mai hatten Daniel und Elisabeth Käser auf der Schwimmdecke der Güllegrube auf ihrem Milchwirtschaftsbetrieb in Leimiswil BE zwei Füchse beobachtet. Umgehend rief Daniel Käser den zuständigen Wildhüter an. Dieser riet den Landwirten, eine Leiter in die Grube zu stellen, die Füchse könnten so alleine herausklettern. Käser befolgte daraufhin den Rat des Wildhüters. Am anderen Morgen waren die Füchse verschwunden.
Die Gülle wurde ausgebracht
Kurze Zeit später rührte Käser die Gülle und brachte sie mit dem Schleppschlauch auf zirka sechs Hektaren Weide und Wiesland aus. Die Füchse waren in der Zwischenzeit fast vergessen. Einen Monat nach dem Vorfall mit den Füchsen weideten die 20 Milchkühe auf einem Teil des gedüngten Weidelandes. Zwei Tage nach dem Weidegang fiel Daniel Käser das veränderte Fressverhalten seiner Kühe auf.
Botulismus wurde diagnostiziert
Die Tiere hatten einen starken Milchrückgang, nahmen nur noch eingeschränkt Futter auf, zeigten jedoch Kaubewegungen und speichelten stark, obwohl sie kein Futter im Maul hatten. Käser zog daraufhin die bestandsbetreuende Tierärztin Irene Reber von der Tierarztpraxis Buchsi-Vet zurate. Die Symptome waren klar und die Tierärztin diagnostizierte zweifelsfrei Botulismus.
Gift-Quelle schwer zu finden
Innerhalb weniger Stunden verschlimmerten sich die Symptome. Die Tierärztin zog nach Rücksprache mit Praxiskolleginnen das Tierspital Bern bei und erhielt fachliche Unterstützung in der Betreuung der Tiere und der Lokalisierung der Giftstoff-Quelle. Zehn Kühe zeigten derartige Lähmungserscheinungen, dass sie weder fressen, noch aus eigener Kraft aufstehen konnten.
Tiere mussten eingeschläfert werden
Trotz intensiver tierärztlicher Hilfeleistung mussten die Tiere eingeschläfert werden. «Die letzten Botulismus-Fälle in der Region liegen bereits Jahre zurück und kamen auch nur bei Betrieben mit Silofütterung vor», berichtete die Tierärztin. Deshalb stellte sich auf Käsers Betrieb von Anfang an die Frage: Wo haben die Kühe die Botulinum-Gifte aufgenommen? Die Kälber, die im Stall das gleiche Futtermittel erhielten, blieben symptomfrei. So erhärtete sich der Verdacht, dass die Giftaufnahme ausserhalb des Stalls stattgefunden haben musste.
Fuchskadaver taucht auf der Schwimmdecke auf
Zwei Tage, nachdem die Kühe begannen, Krankheitssymptome zu zeigen, tauchte ein Fuchs-Kadaver an der Oberfläche der Güllegrube auf. Ein Speziallabor in Deutschland analysierte Proben des toten Fuchses sowie der Gülle ohne Ergebnis. Der Nachweis der Botulinum-Gifte sei kompliziert und gelinge nicht immer, berichtet die Tierärztin.
Laborresultat bleibt negativ
Da alle anderen Quellen ausgeschlossen werden konnten, lag trotz negativem Laborresultat der Verdacht nahe, dass die Gifte von dem verendeten Tier ausgingen und unter Luftabschluss in der Gülle freigesetzt wurden. Über die Weidefläche verteilt, nahmen die Kühe das Gift womöglich über das Gras auf und erkrankten, so die Vermutung der Tierärztin und der Familie. Nachdem die Kühe nicht mehr auf vorher gegüllter Fläche weideten, kamen keine neuen Krankheitsfälle mehr dazu.
Übertragungsweg durch Silage
Bekannterweise überträgt sich Botulismus meist durch ein totes Tier in der Silage. Auch dort findet die Milchsäuregärung unter Luftabschluss statt, was den Gift-bildenden Bakterien die Vermehrung ermöglicht. Die Bauernfamilie füttert ihre Kühe allerdings nur mit frischem Gras oder Heu.
Und wer zahlt?
Da Botulismus keine Tierseuche ist, ist der Kanton Bern nicht verpflichtet, die Verluste zu entschädigen. Auch der Wildschadensfond komme nicht für die Schäden auf, so lautete die Antwort auf das Wildschadensersatz-Gesuch von Daniel Käser. Einerseits sei der Grund dafür, dass die Familie nicht beweisen kann, dass der Fuchs die Ursache für die Verluste sei, da die Botulinum-Gifte bei dem toten Fuchs nicht nachgewiesen werden konnten.
Fuchs dürfte geschossen werden
Andererseits hätte Daniel Käser die Berechtigung, den Fuchs im Radius von 100 m um seinen Betrieb selbst zu schiessen, obwohl der Wildhüter ihm nicht den Auftrag dazu gab. Die Familie Käser ist darüber enttäuscht, dass kein Wildhüter auf den Betrieb kam, um den Fall selbst anzuschauen.
Tierfutter war versichert
Das Gras auf den kontaminierten Weiden und Wiesen liess der Landwirt wachsen und brachte es anschliessend zur Grastrocknungsanlage. Bei der 140 Grad heissen Trocknung sterben die Toxine durch die Hitze ab. Das entstandene Dörrfutter konnte also immerhin noch zum Futtergewinn genutzt werden. Die restliche Gülle hat der Landwirt auf den gleichen Flächen verteilt und das Gras erneut trocknen lassen. Da das Tierfutter versichert ist, wurden die Kosten der Trocknung von der Emmental-Versicherung übernommen.
Impfung soll helfen
Zusätzlich impften die Tierärzte alle überlebenden Tiere auf dem Betrieb gegen Botulismus. Das Impfregime ist intensiv, aber der Verlust ihrer Kühe war für die Familie ein derart einschneidendes Erlebnis, dass die Impfungen für sie nun gerechtfertigt erscheinen. Die Grundimmunisierung eines Rindes (zwei Impfungen im Abstand von vier bis sieben Wochen) kostet zirka 20 Franken. Danach folgt eine jährliche Wiederholungsimpfung, die gegen die Krankheit hilft. Ein Gegengift für Tiere ist im Moment nicht auf dem Markt erhältlich.
Einige Fr. 10'000.– Schaden
Alles in allem belaufe sich der Schaden, der der Familie entstanden ist, auf einige 10'000 Franken. «Uns geht es einfach darum, unsere Berufskollegen auf diesen Fall aufmerksam zu machen. Botulismus wird nicht immer nur durch ein verendetes Tier in siliertem Futter verursacht. Die Gifte können auch, so wie bei uns, den Weg über die Gülle nehmen«, sagt Daniel Käser «Trotz allem bleibt uns das Gefühl der Machtlosigkeit. Man konnte nichts machen, ausser zuschauen. Alles, was wir probiert haben, um die Tiere zu retten, hat am Ende leider nichts genützt».
Botulismus
Ursprung der Krankheit sind Giftstoffe (Toxine), die durch das Bakterium Clostridium botulinum produziert werden. Die Bakterien kommen im Erdreich sowie im Magendarmtrakt vor, werden nur unter bestimmten Bedingungen in einem Kadaver gebildet und setzen unter Luftabschluss Toxine frei.Landet ein totes Tier in der Silage, sind für den Giftausstoss die perfekten Bedingungen geschaffen.
Wenn ein Nutztier durch einen Kadaver kontaminiertes Futter aufnimmt, setzt sich das Toxin zwischen Nervenendigung und Muskel und blockiert so die Reizweiterleitung. In der Folge kommt es zu Lähmungen der Kau- und Schlundmuskulatur. Den Tieren ist es, trotz anfänglich noch erhaltenem Appetit, nicht mehr möglich Futter aufzunehmen. Schliesslich kommen die Kühe zum Festliegen. Der Tod tritt erst dann ein, wenn die Atmungsmuskulatur (vor allem das Zwerchfell) vollständig gelähmt ist.