Landwirt Bruno Stähli versteht die Welt nicht mehr: Sein Versicherer hat ihm die Tierunfall-Police gekündigt – offenbar hatte er zu viele Schadenfälle. Was steckt dahinter?
Eine Tierunfallversicherung wird hauptsächlich für Tiere der Rindergattung abgeschlossen – für Verletzungen, die sie durch Unfälle erleiden, zum Beispiel durch Abstürzen oder Stolpern. Die Deckung umfasst den Tod, die medizinisch notwendige Tötung oder die Behandlungskosten. Im Todesfall wird eine im Voraus festgelegte Summe oder der effektive Marktwert entschädigt. Die Tierunfallversicherung verläuft bei Schweizer Versicherern seit vielen Jahren defizitär – aus diversen Gründen. Eines der Probleme ist die Antiselektion: Die Versicherung wird vor allem von Betrieben abgeschlossen, bei denen Schadenfälle wahrscheinlich sind. Betriebe mit geringem Schadenpotenzial verzichten aus wirtschaftlichen Gründen darauf. So fehlt dem Versicherer der Ausgleich zwischen guten und schlechten Risiken. Und deshalb handeln Versicherer ziemlich forsch, wenn ein Versicherungsvertrag schlecht verläuft – wie zum Beispiel bei Bruno Stähli. Rational betrachtet müsste ein Versicherer das Tierunfall-Geschäft eigentlich aufgeben. Er nimmt aber einen Verlust in Kauf – weil er seinem Kunden die ganze Palette anbieten will. Und weil er davon ausgeht, dass er ihm noch andere, wirtschaftlich attraktivere Versicherungslösungen anbieten kann. Er hat also das grosse Ganze im Auge.[IMG 2]
Sich langfristig Gedanken machen
Der Tierhalter hat eine andere, individuelle Sicht: Der Verlust eines Tieres tut ihm immer weh. Oft emotional – immer aber finanziell. Wenn eine hochproduktive Milchkuh umsteht, entsteht einem Betrieb ein Schaden von mehreren Tausend Franken. Dem gegenüber steht die Versicherungsprämie: Tierunfall-Versicherungen sind teuer. Der Landwirt muss sich daher langfristig Gedanken machen. Was kostet mich die Versicherung über fünf bis zehn Jahre? Und welches potenzielle Schadenrisiko steht dieser Prämie gegenüber? Beachten sollte er dabei auch: Oft sehen Versicherungsmodelle eine begrenzte Anzahl Schadenfälle pro Jahr vor.
Eine allgemein gültige Antwort auf die Titelfrage gibt es also nicht. Ein Landwirtschafts-Betrieb muss alle erwähnten Faktoren abwägen und dann entscheiden, ob eine Tierunfallversicherung für ihn wirtschaftlich ist oder nicht. Oft wird es vermutlich sinnvoller sein, das finanzielle Risiko selbst zu tragen.