Während vieler Jahre konnten Hans und Berta Meier dank einer mündlichen Erlaubnis eine Abkürzung über das Nachbargrundstück nutzen, um direkt zum Hauseingang ihres Betriebes zu gelangen. Nach der Hofübergabe an Sohn Marco Meier verbietet der Nachbar diesem das Überqueren des Grundstücks. Marco Meier fragt sich, besteht nach so vielen Jahren nicht ein Gewohnheitsrecht?
Auch nach jahrelanger Nutzung besteht kein Gewohnheitsrecht
Vorab gilt es, die ursprüngliche und mündliche Erlaubnis einzuordnen. Bei einer rein mündlichen Erlaubnis ist noch nicht von einem Vertragsverhältnis und einer Dienstbarkeit auszugehen, sondern von einer sogenannten «prekaristischen Gestattung». Das Überqueren des Grundstücks wurde nur auf Zusehen hin geduldet. Ist das Wegerecht nicht im Grundbuch eingetragen und kann das Haus auch anders erreicht werden, kann die Erlaubnis zur Überquerung jederzeit widerrufen werden.
Selbst nach jahrelanger Nutzung steht niemandem ein Gewohnheitsrecht zu. Das Zivilgesetzbuch (ZGB) sieht zwar bereits im ersten Artikel vor, dass ein Gericht nach Gewohnheitsrecht entscheiden soll, wenn eine Gesetzeslücke besteht. Da gesetzlich aber klar geregelt ist, unter welchen Bedingungen ein Wegrecht entsteht, liegt keine Gesetzeslücke vor und es besteht kein Raum für die Anwendung des Gewohnheitsrechts.
Neuer Eigentümer, neue Regelung
Ohne Grundbucheintrag kann ein Grundstückseigentümer einem Nachbarn folglich von einem Tag auf den anderen das Betreten verbieten. Nur wenn ein Wegrecht im Grundbuch eingetragen ist, hat der Berechtigte einen gesetzlichen Anspruch darauf und nur so bleibt dieses «dingliche Recht» auch bei einem Eigentümerwechsel bestehen. Wegrechte können auch schriftlich und ohne Grundbucheintrag vereinbart werden. Sobald jedoch der Wegrechtsgeber sein Grundstück verkauft, gilt dieses vereinbarte «obligatorische Recht» nicht mehr, denn daran gebunden sind nur jene Parteien, die den Vertrag unterzeichnet haben.
Ein neuer Eigentümer kann das Betreten seines Grundstücks sofort verbieten. Damit das Wegrecht nicht nur für den ursprünglichen Vertragspartner, sondern auch für sämtliche Rechtsnachfolger gilt und sogenannt «dingliche Wirkung» entfaltet, braucht es den Grundbucheintrag. Wer für sich selbst und kommende Generationen eine sichere Lösung will, lässt den Dienstbarkeitsvertrag deshalb von einem Notar öffentlich beurkunden und im Grundbuch eintragen. Wer bei den Grundbuchgebühren spart, der spart am falschen Ort.