Ein Landwirt aus den Aargauer Freiamt hat eine aufreibenden Erntezeit hinter sich. Grund war nicht etwa das Wetter, sondern ein Biber.
Rückstau auf die Felder
Dieser Biber lässt die Emotionen hochgehen. Der Landwirt möchte seinen Namen nicht in der Zeitung sehen.
Er steht in seinem abgeernteten Getreidefeld und betrachtet die Fahrrinnen, die der Mähdrescher stückweise hinterlassen hat – trotz besten Wetterverhältnissen bei der Ernte. Neben dem Feld verläuft der Unterrütikanal, darin werden die Felder in der Region seit den 60er-Jahren mit Drainagen entwässert. «Nach einem Sommer mit so wenig Niederschlag wäre hier normalerweise nur ein Rinnsal», erklärt der Bauer. Aber jetzt steht das Wasser hoch. Ein Biber hatte im Juni einige hundert Meter entfernt einen Damm angelegt, das gestaute Wasser drückte durch die Drainageleitung zurück auf die Felder.
«Das hier ist bestes Fruchtfolgeland.»
Getreideproduzent dem Freiamt
Die tief gelegene Parzelle des Landwirts erwischte es zuerst. Aber insgesamt sind rund 71 Hektaren von einer möglichen Vernässung betroffen. Die Drainageleitungen können durch den Rückstau verschlammen, ab einer bestimmten Wasserstandhöhe saugen sie nicht mehr richtig.
Nur mit Bewilligung
Ein Biberdamm darf nur mit rechtskräftiger Bewilligung entfernt werden. Der Landwirt wandte sich vorschriftsgemäss an die Behörden. Aber es war Ferienzeit, eine baldige Entscheidung stand nicht in Aussicht. Die vernässten Stellen im Feld wurden grösser. Der Bauer sah die Weizenernte in Gefahr: «Wenn das so weitergegangen wäre, hätte ein Mähdrescher nicht mehr ins Feld fahren können.» Er und die anderen betroffenen Berufskollegen wandten sich mit Unterstützung von Ralf Bucher, dem Geschäftsführer des Bauernverbands Aargau, direkt an den Kanton.
Der Biber ist zurück
Der Biber ist auf dem Vormarsch. 1993 zählte man in der Schweiz rund 350 von ihnen. So viele sind heute allein im Kanton Aargau unterwegs, schweizweit hat sich die Anzahl verzehnfacht. Bis 2016 wurde der Nager als «vom Aussterben bedrohte Tierart» eingestuft, heute gilt er lediglich noch als «verletzlich».
Die Tiere kommen entlang der grossen Flüsse und Seen fast im ganzen Mittelland vor. Naturschutzverbände freuen sich über diese Entwicklung und verweisen auf die Leistungen des Bibers für die Natur. Aber zugenommen haben auch die Konflikte.
Nicht nur die Landwirtschaft ist davon betroffen. Gemäss Christian Tesini von der Sektion Jagd und Fischerei des Kantons Aargau trifft es häufiger Strassen, Siedlungsentwässerung und andere Infrastrukturen, wo das Schadenpotenzial schnell einmal relativ gross ist.
Entscheid braucht Zeit
Zahlreiche Telefonate hat die Bauernfamilie mit Behörden und verschiedenen Stellen geführt. Nicht alle hatten Verständnis für ihre Sorge um die Ernte: «Mach halt Ökofläche dort.» «Der Biber war schon vor der Landwirtschaft da, jetzt holt er sich seinen Lebensraum zurück.» Das waren Aussagen, die sie zu hören bekamen. «Das hier ist bestes Fruchtfolgeland», entgegnet der Landwirt, «und Ökofläche habe ich schon genug».
Während er auf eine Entscheidung von offizieller Seite wartete, baggerte Mitte Juli jemand in einer Nachtaktion den Damm weg. Eine Anzeige gegen unbekannt läuft. Der Landwirt hörte mit gemischten Gefühlen von diesem Eingriff. «Denn natürlich denken sofort alle an mich.» Andererseits ging das Wasser schnell zurück, sein Getreidefeld trocknete ab, die Ernte konnte zu einem sinnvollen Zeitpunkt ohne Einbussen eingebracht werden.
Damm neu gebaut
Aber nach einer Woche hatte der Biber seinen Damm bereits wieder oben. Das Wasser drückt seither erneut auf die Felder. Erst wenn ein Biberdamm mehrere Male entfernt wird, ziehe das Tier in der Regel weiter, hat man dem Bauern gesagt. Er möchte Ende Monat Raps ansäen.
Das Gesuch der Landwirte aus Merenschwand für die Dammentfernung liegt seit dem 9. August einen Monat lang öffentlich auf. «Der Entscheid wird danach in der Regel schnell gefällt. Es sein denn, es wurden Einwendungen gemacht», sagt Christian Tesini von der kantonalen Sektion Jagd und Fischerei dazu.
Wann und wie es auf dem Feldern beim Unterütikanal weitergeht, bleibt also noch eine Weile unklar.