Es ist ein spezielles Bild: Ein Pouletmaststall voller Eierschalen und dazwischen tausende von frisch geschlüpften Küken. Dieser ungewohnte Anblick ist in Europa immer häufiger anzutreffen. Diverse Unternehmen setzen auf das sogenannte «On farm hatching» (Brüten auf dem Hof), anstelle des bisherigen Verfahrens, wo die Küken im Alter von einem Tag bis maximal 36 Stunden von der Brüterei auf die Betriebe gebracht werden.

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Rund 1,5 % schlüpfen nicht

Das neue System wird bereits in mehreren Varianten angeboten. Eine der Firmen, die sich in diesem Bereich stark profiliert, ist NestBorn, ein Tochterunternehmen mehrerer grosser niederländischer und belgischer Brütereien. Erik Hoeven ist bei NestBorn zuständig für Forschung und Entwicklung. Er beziffert die Anzahl der NestBorn-Küken in Europa auf 100 Millionen im laufenden Jahr.

Gefragt nach Vor- und Nachteilen der Produktionsweise zählt Hoeven die folgenden Punkte auf. Vorteile:

  • Die «On farm hatching»-Küken haben einen höheren Tierwohlstandard, indem sie sofort nach der Geburt im Stall Zugang zu Futter, Wasser und Licht haben, während sie in der klassischen Brüterei in beengten Verhältnissen bis zu eineinhalb Tagen warten müssen, bis sie Wasser und Futter erhalten.
  • Der Transport von der Brüterei auf den Betrieb fällt weg, was den Stress reduziert. Wenn die Küken ab Geburt gefüttert werden, können sie die Inhaltsstoffe des Dottersacks verwenden, um ihr Immunsystem zu stärken was den Antibiotikabedarf reduziert. Werden sie erst nach eineinhalb Tagen gefüttert, nutzen sie Energie und Flüssigkeit aus dem Dottersack, um ihren Erhaltungsbedarf zu decken.
  • Die Küken haben dank dem guten Start eine bessere Futterverwertung und erreichen das Wunschgewicht rund einen Tag schneller als im herkömmlichen System. 

Die Herausforderungen beim «On farm hatching» sind laut Hoeven die folgenden:

  • Da die Eier bereits vor dem Schlüpfen geliefert werden, verlängert sich die Belegung des Stalls um rund drei Tage. Durch das bessere Wachstum werde einer dieser drei Tage wieder wettgemacht.
  • Aufgrund der verlängerten Haltedauer muss auch die Halle zwei Tage länger geheizt werden, der grösste Energieaufwand sei aber nötig, um die Halle am Anfang auf die nötige Temperatur von 33 bis 35 Grad aufzuheizen. Die in der Halle geschlüpften Küken seien robuster als diejenigen, welche in der Brüterei schlüpfen, deshalb könne man die Temperatur schneller wieder reduzieren, womit die zwei zusätzlichen Tage laut  Hoeven wieder aufgeholt werden können.
  • Zusatzaufwand für das Einsammeln der nicht geschlüpften Eier. Hier habe man dank verbesserter Kontrolle der Eier mittels Durchleuchtung und die NestBorn-Überwachungsplattform eine Rate von lediglich 1,5 % nicht geschlüpften Eiern erreicht. Diese werden direkt auf dem Betrieb mit einem Kleingerät geschreddert.

In der Schweiz kein Thema

In der Schweiz ist «On farm hatching» bislang kein Thema. Micarna erklärt, man habe mit der neuen Brüterei in Avenches VD 2019  die weltweit fortschrittlichste Bruttechnologie in Betrieb genommen. Während die Küken in konventionellen Brütereien der Schweiz erst nach Ablauf des Schlupfprozesses Wasser und Futter bekommen, erhielten die Küken gleich nach dem Schlupf Licht, Wasser und Futter, so Micarna.

Bei Bell kennt man «On farm hatching» zwar, setzt es aber nicht ein und «plant auch künftig nicht mit einer Umsetzung dieser Technologie in unseren Betrieben», sagt eine  Sprecherin auf Anfrage.