Regina Eberli macht nicht lange Firlefanz. Als Erstes geht es bei unserem Besuch direkt in die Schatzkammer. Vorsichtig öffnet die Bäuerin die unauffällige Tür, die in den Keller des Speichers führt. Dahinter qualmt es kräftig. Erst nach dem ersten Hustenanfall und auf den zweiten Blick sieht man die frisch aufgehängten Fleischstücke. «Meine Mostbröckli», sagt sie schwärmerisch und strahlt.

Beizen mit Tannnadeln

Dass die Appenzeller Fleischspezialität hier im Obwaldnischen heranreift, ist eher ungewöhnlich. Nach dreiwöchiger Trockenbeize kommen die Stückli in den Rauch. Das Rezept der Beize ist wie bei fast allem aus dem Appenzell geheim.

Immerhin lässt die Charcuterie-Spezialistin durchblicken, dass unter anderem Tannnadeln dazugehören. Verraten hat ihr die Mischung vor einigen Jahrzehnten ein Appenzeller Metzger. Vermutlich war auch ihr Charme im Spiel. Sie habe ihn ein bisschen bearbeitet, sagt Regina mit einem Schmunzeln, «er hat dann eingewilligt, weil wir hier so weit weg sind von der Heimat des Mostbröcklis».

Das Emmetti-Mostbröckli ist nur eine der Spezialitäten aus dem Hause Eberli. Der Betrieb Emmetti liegt zwar etwas ab vom Schuss, aber die Direktvermarktung läuft auf Hochtouren. Das Fleisch der überzähligen Tiere aus der Milchherde von Sohn Stefan vertreibt die Seniorchefin mit ihrer Familie direkt. Im Angebot sind auch die Schweine, der Käse und die Butter von der Alp Jänzimatt sowie seit Neuestem die «Buirähof-Glace», wie sie im urchigen Dialekt am Fusse des Brünigs heisst.

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Süsses Nebengeschäft

Erst kürzlich bot sich die Chance, das süsse Nebengeschäft von Maja und André Rohrer in Flüeli-Ranft zu übernehmen. Die Glacemaschine steht wie ein Altar in der Mitte des geräumigen Verarbeitungsraums, der zusammen mit dem neuen Laufstall eingerichtet werden konnte.

Regina Eberli zieht das Leintuch weg und nimmt sich ein weiteres Mal vor, der Funktion der neuesten Errungenschaft demnächst auf den Grund zu gehen. «Ich muss das endlich lernen», mahnt sie sich selber. Das werde sie demnächst mit Schwiegertochter Kim in Angriff nehmen. Bis anhin verlässt sie sich technisch noch auf Tochter Andrea. Sie hat Wirtschaft und Marketing studiert und ist nach Lehr- und Wanderjahren erst kürzlich wieder auf den Betrieb zurückgekehrt.

Ein gedrängtes Programm

Momentan käst die Tochter und baldige Mutter mit ihrem Freund auf der Jänzimatt und gestaltet nebenbei die Etiketten und den lebendigen Instagram-Kanal. Auf der Alp betreiben die umtriebigen Eberlis direkt an der Panoramastrasse nach Sörenberg ein Verkaufshüttli, wo sie neben dem Käse und Wurstwaren auch die Glace anpreisen. Dort gibts zwar keinen Strom, aber dank einem Photovoltaik-Modul kann nun auch gekühlt werden.

Es sprudelt wie im nahen Wildbach, wenn die gebürtige Oberaargauerin über ihre Produkte erzählt. Dort ein neuer Verkaufskanal, hier eine Produktidee und dazwischen noch ein kleiner Hinweis auf das Catering namens «Chliteiler Apero Froiwä», das sie mit begründet hat und heute mit zwei Kolleginnen betreut. Nicht zu vergessen die 40-Prozent-Stelle im Spital Sarnen, das für das Personalfest auch Glace beziehen wird. Die rare Freizeit ist unter anderem den drei Enkeln gewidmet, die im selben Haus wohnen.

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Schon als Kind viel gezügelt

Dass sie hier derart leidenschaftlich mitarbeitet, ist keineswegs selbstverständlich. Am Küchentisch lässt sie ihr bewegtes Leben Revue passieren. Man muss als Chronist gut aufpassen, um den roten Faden nicht zu verlieren.

Schon in der Kindheit ist die Familie oft umgezogen. Der Vater war ein rastloser Pächter, der mehrmals den Betrieb wechselte. Von Huttwil BE gings via einen Schafbetrieb in Zürich nach Mönthal im Aargauischen. Später betrieb die Familie nach der Pachtkündigung zunächst einen Käseladen mit Milchannahme in Lupfig AG und danach ein Geschäft in Langenthal BE.

«Heimat ist für mich dort, wo die Familie ist.»

Regina Eberli

Ihre wichtigste Bezugsperson war immer Zwillingsschwester Ruth. «Wir machten alles zusammen», sagt Regina, so lernten sie beide Charcuterieverkäuferin und entschieden sich dann an einer wichtigen Wegkreuzung, gemeinsam z Bärg zu gehen, statt als Filialleiterinnen den lokalen Volg zu übernehmen. Dank einem Inserat im Fachmagazin «die grüne» fanden sie 1982 als 20-Jährige die richtige Stelle im Obwaldnischen. Bald folgten auch parallele Beziehungen und eine Doppelhochzeit, wie könnte es anders sein.

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Keine einfache Zeit

Das Schicksal hat es aber mit den beiden Schwestern nicht nur gut gemeint. Der Mann von Ruth ist vor gut sieben Jahren unerwartet gestorben. Regina und ihr Mann sind seit 14 Jahren geschieden. Was folgte, war keine einfache Zeit mit stetigem Auf und Ab. Nach der Trennung musste sie das Emmetti verlassen und lebte «eine schöne Zeit im Kanton Schwyz», dort wo auch ihre zweite Tochter Regula zu Hause ist. Regina war im Service tätig und verwöhnte die Gäste mit selbst gebackenen Linzerschnitten.

Die Direktvermarktung des Frischfleisches führte sie in dieser Zeit auf eigene Rechnung weiter. «Irgendwie hatte ich immer im Hinterkopf, dass ich das einmal für Stefan machen möchte», sagt sie. Damit stiess sie bei ihrem Sohn auf offene Ohren. Er vereinbarte mit seinem Vater, dass dieser nach der Betriebsübergabe ins Dorf ziehen und den Platz auf dem Betrieb der Mutter überlassen werde.

Ein Mann wäre das i-Tüpfchen

«Heimat ist dort, wo die Familie ist», schrieb Tochter Andrea 2019 zur Rückkehr von Regina ins Emmetti auf einem Kundenflyer. Dieses Bild gefalle ihr, sagt Regina. «Das Tüpfelchen auf dem i wäre jetzt noch ein neuer Partner», sagt sie, «aber ich kann auch ohne Mann glücklich sein.»

Fünf Fragen an Regina Eberli

Was sind Ihre Hobbies?
Ich habe lange Berner Sennenhunde gezüchtet und spiele noch ein wenig Örgeli, kann aber nur noch etwa zwei Stücke. Und ich tanze fürs Leben gern.

Was unterscheidet Ihre Glace von Massenware?
Vieles, so etwas unser Herzblut, die eigene Milch, ein hoher Rahmanteil, Früchte wenn möglich aus der Schweiz und keine Zusatzstoffe.

Welche Träume möchten Sie noch verwirklichen?
Ein Sommer auf einer Geissenalp, eine Saison in einer SAC-Hütte und die Erklimmung des Kilimandscharo.

Was braucht es für eine gute Beziehung?
Man muss Achtung haben voreinander, Hobbies teilen und sich Freiräume lassen.

Was müsste ein neuer Partner alles mitbringen?
Er müsste fröhlich und naturverbunden sein. Schön wäre, wenn er tanzen könnte. Wenn aber einer dem Cabrio kommt, macht mir das gar keinen Eindruck, lieber wäre mir ein alter VW-Bus.