Wenn Dänu und ich morgens die Kühe von der Weide holen, ist es noch dunkel. Im Licht der Stirnlampe glänzen die Spinnweben im Gras, die mit Tau befangen sind – ein Anzeichen, dass es «herbstelet» hier oben. Wenn die Sonne dann während des Melkens über die Berggipfel klettert, liegen manchmal Nebelschwaden über Zweisimmen.

Der Alpsommer neigt sich dem Ende zu und diverse Älpler sind mit ihren Kühen bereits auf eine untere Staffel oder ins Tal zurückgekehrt. So wie diesen Frühling viele Alpen etwas früher bestossen wurden als üblich, verfrüht sich auch der Alpabzug bei vielen um ein bis zwei Wochen. Auch hier auf der Site Alp und Alp Zimmerboden denkt man langsam aber sicher an das Ende des Alpsommers. Der Viehtransport für die Kühe ist organisiert, das Datum steht fest, jetzt werden die Tage gezählt.

Bis zu 2500 Liter

Sömmerungskühe kalben meist in den Wintermonaten ab und stehen somit Ende Alpsommer gegen Ende ihrer Laktation. Und wie auch im Tal wächst das Gras hier im Herbst viel weniger stark als noch im Frühling. Daher hatten wir zu Spitzenzeiten rund 2500 Liter Milch pro Tag zum verkäsen, mittlerweile sind es nur noch 1300. Die Milch hat nun in einem statt in zwei Käsekessi Platz. Dies erspart Zeit für Simon und Piotr, die für die Milchverarbeitung zuständig sind.

Solange noch in zwei Kessi gekäst wurde, haben Christa oder ich täglich rund eine Stunde Mutschli geschmiert. Nicht selten entstanden bei dieser Arbeit in meinem Kopf die Entwürfe oder zumindest die Ideen für mein Alp-Tagebuch. Denn das Schmieren ist eine Arbeit, die in erster Linie nicht den Kopf, sondern die Hände und den Körper braucht.

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Schmieren mit Gefühl

Doch ganz so einfach, wie es tönt, ist das Schmieren nicht. Denn die Mutschli sollten nicht zu nass, aber auch nicht zu trocken geschmiert werden. Bei den älteren Mutschli wird viel weniger Salzwasser benötigt als bei den jüngeren. Nochmal anders umgehen muss man mit Mutschli, die «grauen». Dass die Mutschli einen Graustich bekommen, kann immer passieren und hängt stark mit dem Klima im Käsekeller zusammen. Durch mehr Druck und Reibung beim Schmieren versuchen wir dann, die Graustellen, wenn möglich, noch wegzubürsten. Essbar ist der Käse aber so oder so noch, sofern wir ihn weiterhin gut pflegen.

Im Keller erwünscht hingegen ist der feine Milchschimmel auf dem Käse, der erkennbar ist an der weissen Farbe und der beim Schmieren ganz einfach weggeht. Ihr seht: Das Schmieren ist auch ein bisschen eine Gefühlssache und man lernt durch Erfahrung, nicht durch Theorie.

Das Käserhandwerk ist eine Wissenschaft für sich. Dazu gehören nicht nur ein Keller mit der passenden Temperatur und Luftfeuchtigkeit sowie eine korrekte Lagerung und Pflege des Käses. Am wichtigsten ist das Käsen selbst, die Verarbeitung der Milch bis hin zum Käse. Daran habe ich hier keine Zweifel, denn Simon ist gelernter Käser und produziert schon seit Jahren zusammen mit Piotr den Käse hier auf der Site Alp.

Es beginnt im Stall

Doch damit es guten Käse gibt, fängt die Geschichte noch früher an: im Stall. Ein sauberer Arbeitsplatz ist wichtig – zumindest so sauber, dass es für einen Kuhstall sinnvoll ist. Gute Melker zeichnen sich auch dadurch aus, dass sie schnell bemerken, wenn etwas anders ist als normal. Seien dies die Melkanlage und der Tank, die richtig melken, kühlen und gewaschen werden müssen oder aber auch eine Kuh, die nicht fit ist.

Dabei ist für uns auch der Umgang mit den Tieren und ihr allgemeines Wohlbefinden wichtig, denn nur wenn es einer Kuh wohl ist, kann sie ihre bestmögliche Leistung erbringen. Weitere wichtige Qualitätskontrollen sind für uns das Vormelken in den Becher und die Milchkontrollen. Dänu sagt daher immer: «Wir müssen qualitativ gute Milch abliefern. Denn aus guter Milch kann der Käser schlechten Käse produzieren. Aber aus schlechter Milch kann auch ein guter Käser keinen guten Käse produzieren.»

Immer mehr Käselaibe

Während die Mutschliproduktion nun bereits abgeschlossen ist und mit dem Verkauf und dem Gebrauch im Beizli die Menge an Mutschli stetig schrumpft, wächst die Menge an Alpkäselaiben täglich. Und damit auch die Spannung, wie wohl der «hüürige» Alpkäse geschmacklich wächst. Denn hier auf der Site Alp gilt, dass der frische Hartkäse erst am «Chästeilet» angeschnitten wird.

Aktuell steht auf den Weiden das «Lischnen» auf dem Programm. Dies sind moorige Alpweiden, die für die Beweidung nicht optimal sind und stattdessen geheut werden. Die «Lische» – in anderen Kantonen auch Streue genannt – wird wie Einstreu verwendet, die Tiere fressen aber auch einen Teil davon. Angemeldete Lische-Flächen dürfen erst ab dem 15. August gemäht werden. Dieses Jahr konnten Simon und Dänu gleich am Stichtag mit dem Mähen beginnen, da es die Tage davor trocken und warm war. Ich selbst werde das «Lischnen» grösstenteils verpassen, da das Beizli gerade an den Tagen, wenn «Heuerwetter» ist, meist gut besucht ist.

Nun freue ich mich auf den Endspurt, fiebere auf den Chästeilet auf der Site Alp hin und versuche, die Zeit hier oben noch zu geniessen, denn die Tage und Wochen vergehen hier wie im Flug.

Die Autorin schreibt alle zwei Wochen über ihren Alpsommer auf der Site Alp oberhalb von Zweisimmen BE.