Wie ich bereits in meinem letzten Alp-Tagebuch angekündigt hatte, verläuft nicht jedes Treiben der Kühe so reibungslos wie letztes Mal – denn die Tiere haben alle ihren eigenen Charakter und Willen.
Auch Malva und Garvera, unsere beiden Schlusslichter aus dem letzten Alp-Tagebuch, kann ich nicht immer eigenständig hinter mir her trotten lassen. Denn je nach Weide, Weg und Grasbestand würden sie dann einfach gemütlich weiter grasen während die anderen beim Melken sind.
Luana und die halbe Portion
Meist genau an den Tagen, an denen wir ein grosses Programm im Beizli haben und wir daher möglichst nur den Stall machen und nicht noch Einstreu auf Vorrat rüsten, läuft dann doch nicht alles nach Plan.
So auch an diesem Samstagmorgen: Beim morgendlichen Kühetreiben bemerke ich schnell, dass sich hier ein junges Rind unter die Milchkühe geschmuggelt hat. Denn neben Luana – einer mächtigen, schweren Swiss Fleckvieh-Kuh – den Hang hinunter trabend, sieht dieses mir unbekannte Tier nur wie eine halbe Portion aus. «Na toll, der Tag fängt ja gut an», denke ich mir. Je nachdem, wie mühsam sich dieses Rind anstellen will, könnte die Aktion noch etwas Zeit in Anspruch nehmen. Denn ein einzelnes Tier – in unserem Fall sogar ein Gusti – von der Herde zu separieren und auf eine andere Weide zu führen, ist meist einfacher gesagt als getan.
Zu unserem Glück ist der Milchviehstall dem Aufzuchtrind aber nicht ganz geheuer, und sie bleibt freiwillig draussen, während Dänu und ich die letzten Kühe in den Stall treiben. Die erste Serie Kühe steht bereits im Melkstand bereit. Doch die müssen nun halt warten, bis das Gusti den Weg zurück zu ihren Kumpanen findet. Möglichst in Zaunnähe entlang bringen Dänu, der Senn im Zimmerboden, und ich das kleine Ausreisserchen in die andere Weide. Wir treiben es noch einige Meter den Hang hoch, in der Hoffnung, dass sie jetzt allein zurück in ihre Herde findet. Später beim Melken sehen wir erleichtert, dass das Tier wieder friedlich in der Gustiweide grast.
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Unter die Kühe geschmuggelt
Doch ich habe mich zu früh gefreut. Etwas später, beim Kühe in den Melkstand holen, habe ich bei einer Kuh Mühe anhand der Farbzeichnung zu erkennen, welche es nochmals ist. Das Tier ist normal gross und auch der Kopf hat kein besonderes Erkennungsmerkmal. Erst auf den zweiten Blick sehe ich, dass dieses Tier ja noch gar kein Euter hat. Da schlich sich also doch noch ein zweites Rind nachts in die Kuhweide. Na ja, es ist halt schon verlockend, wenn die Kühe nebenan eine frische Weide bekommen, während die Rinder noch etwas länger in ihrer Weide bleiben und sie sauber abgrasen müssen.
Vagabundin Nummer 2 ist meines Erstaunens sehr zahm und das Halftern im Stall geht ohne Probleme. Eine Weile später stehen wir also erneut auf der Weide, um ein Gusti zurück an den richtigen Ort zu bringen. Das Rind ist sich die Halfter scheinbar gewöhnt und lässt sich führen. Doch nach einer Weile sinkt ihre Motivation und wir müssen sie zwischendurch fast den Hang hochschieben. Nicht einmal der «Gläckkessel» hilft uns weiter. Wenigstens versucht sie sich nicht loszureissen. Mit etwas Geduld, stossen und ziehen sowie gut zureden, schaffen wir es dann doch bis zur Rinderweide hoch mit ihr.
Eine halbe Stunde später als üblich, bin ich dann zurück an die Site Alp, um zu helfen, den bevorstehenden Hochzeitsapéro vorzubereiten.
Im strömenden Regen grasen
Meist sind es aber nicht die Rinder, sondern wir selbst oder die Kühe, die dafür sorgen, dass wir nicht immer um die gleiche Zeit die Stallarbeit erledigt haben. Bereits das Eintreiben der Kühe kann schnell einmal 45 statt 30 Minuten dauern.
Einmal regnete es dabei in Strömen und die Herde suchte Unterschlupf unter den einzelnen Tannen. Es war mühsam, alle Tiere unter diesen hervor zu jagen. Doch statt dass sie sich bei diesem Wetter zügig auf den Weg in den Stall gemacht hätten – sie kannten ja den Weg bereits in- und auswendig – senkten sie den Kopf und grasten weiter, als wäre nichts. Wir brachten sie nur schwer von der Weide.
Auch wenn Dänu auf der anderen Seite der Weide die Tiere zusammentrieb, konnte ich ihn ausrufen und fluchen hören. Er mag es gar nicht verputzen, wenn die Kühe bewusst nicht gehorchen. Da kann er sich manchmal fürchterlich aufregen – und nützen tuts trotzdem nicht viel. Dafür ist es auch schnell wieder gut und gegessen.
Spätestens wenn wir zurück im Stall sind, können wir beide wieder witzeln, kraulen die Tiere am Kopf und behalten auch die Ruhe bei Courtine, die beim Melken nie stillstehen kann. Ich bin jedes Mal erleichtert, wenn ich von ihr keinen Schlag abbekomme.
Die Autorin schreibt alle zwei Wochen über ihre Erlebnisse auf der Site Alp
