Karin und ich stolpern irgendwo auf einer Nachtweide umher und versuchen uns mithilfe einer veralteten Karte zu orientieren. Nur wenige Meter nebenan hören wir Andreas auf dem Quad mit Zaunmaterial an uns vorbeifahren. Er sieht uns nicht, zu dick ist der Nebel. Kälte, keine Sicht, null Ahnung, wo wir sind oder wie die Zäune verlaufen sollen. Frust macht sich breit, wir sind alle gereizt, das Konfliktpotenzial ist hoch.

Zäher Start

Mit schlechter Laune brechen wir für diesen Tag unsere Zäunungsaktion ab und kehren zur Alphütte zurück. Dort erwartet uns Reto, auch er ist nicht gerade top motiviert. Dampfkessel und Pasteur funktionieren nicht, ein Servicetechniker muss auf den Platz. Euphorisch platzt Stefanie mitten in diese miese Stimmung hinein: «Die Kinder machen richtig gut mit!» Sie hat heute Nachmittag auf unsere Kids aufgepasst. Trotz schlechter Laune muss ich schmunzeln, wenigstens die beiden jüngsten Mitglieder unseres Teams hatten einen guten Tag.

Zweiter Anlauf zum Zäunen. Noch immer ist es kalt, doch mit deutlich besserer Sicht und Unterstützung des letztjährigen Hirten schlagen wir Pfähle ein und wickeln speditiv meterweise Draht ab. So gefällt mir das!

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Grosszügige, gut erschlossene Flächen wechseln sich mit Weiden ab, die übersät sind mit Erlen, Alpenrosen und Heidelbeerstauden. In vier Tagen kommen die Kühe, etwas besorgt betrachte ich unsere Weiden. Das Futter will nicht wachsen, zu kalt sind die Temperaturen.

Schellen, Kühe und Fachsimpelei

Aus der Käserei klingt laute Musik, das ist ein gutes Zeichen. Zusammen mit den Kindern putzen Reto und Stefanie die Käsereiutensilien. Stolz zeigt Ronya ihre Sennerinnenschürze. Als ich die Käserei betreten will, ruft sie energisch: «Mami, nöd mit dene Schuhe id ChChccccccccChäsi, nur mit de Chäsistiefel!»

Trotz Kälte und Regen kommen endlich die Kühe. Die Einheimischen laufen vom Dorf zu uns hoch. Ronya möchte unbedingt mitlaufen, also schnappen wir uns unsere Regenklamotten und Treiberstöcke und gehen der Gruppe entgegen. Schellen klingen, Kühe muhen, es werden Hände geschüttelt und fleissig wird gefachsimpelt über Wetter, Gras und Kühe. Ach, wie habe ich das vermisst. Während die ersten Vierbeiner bereits auf den Weiden stehen, fahren weitere Lastwagen auf den Platz.

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Bei einem gemütlichen Zmittag lernen wir unsere Bestösserinnen und Bestösser besser kennen. Als der Nachmittag voranschreitet, wird es Zeit, zu stallen. In Valpun ist es Tradition, dass die Bauernfamilien das erste Mal die Kühe einstallen und kennzeichnen.

Viele Kühe haben schon mehrere Sommer auf Valpun verbracht. Sie kennen den Ablauf und haben ihren Stammplatz im Stall, das erleichtert die Arbeit. Endlich steht jede an ihrem Platz und wir können mit Melken beginnen. Der erste Melkgang verläuft ruhig und unspektakulär, wie man sich das wünscht.

Erster Alpsegen

Abends um halb acht sitzt unser Team zufrieden beim Znacht. Wir besprechen noch einige zu optimierende Abläufe und die Arbeitseinteilung für morgen. Anschliessend bringe ich die Kinder zu Bett.

Reto und Andreas rufen zum ersten Mal diesen Sommer den Alpsegen in den Abendhimmel hinaus. Ronya, Cyrill und ich schauen ihnen aus dem Schlafzimmerfenster zu. Für die nächsten 100 Abende wird dies unser Gute-Nacht-Lied sein.

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