«Familie Keller lebt als Nomaden.» Dies waren die Worte von Werner Keller anlässlich des dritten Treffens von Werner und seiner Gattin Bernadette Keller mit ihren Alpvieh-Kunden im Rössli im toggenburgischen Dietfurt. Aus dieser Gegend stammen die meisten Viehzüchter, die teilweise bereits in dritter Generation ihre Rinder auf den hoch gelegenen Engadiner Alpen sömmern lassen, wo sie von der Familie Keller betreut werden.

Ein langes «Nomadenleben»

Das Älplerleben von Werner Keller begann vor 56 Jahren. Der heurige Alpsommer wird somit der 57. sein, den er zusammen mit seiner Frau Bernadette im bündnerischen Val S-charl erleben darf.

Ausserordentlich ist auch das Nomadenleben, wie es Werner umschreibt, denn im Winter lebt die Familie in Küblis im Prättigau, mit Haus und Stall für Kellers Freiberger. Von dort aus arbeitete Keller während 44 Jahren im Winter im Pistenrettungsdienst in Davos. Auch wenn er sich an diese verantwortungsvolle Arbeit gerne erinnert, so stand die Liebe zum Vieh immer im Vordergrund.

Schon sein Vater und sein Grossvater waren Alppächter. Diese Tradition konnte Keller mit der Arbeit als Älpler im Val S-charl weiterführen. Die seit 1977 bewirtschaftete Landwirtschaft wird von seinem Sohn Otto und der Schwiegertochter Martina parallel zu den Alpen weitergeführt. So geht diese familiäre Tradition weiter.

[IMG 2]

Mehrere Alpen gepachtet

Begonnen hat Werner Keller seinen Älplerleben auf der Alp Plazèr auf 2091 m ü. M. Diese Alp liegt ebenfalls im S-charl-Tal. Nach 18 Alpsommern als angestellter Hirt wechselte Keller als Pächter auf die Alp Tavrü südwestlich von S-charl am Fusse des mächtigen Piz Tavrü. Nach zehn Jahren pachtete die Familie Keller auch die Alp Sesvenna, die nordöstlich von S-charl liegt.

Die Weiden dieser Alp liegen auf einer Höhe von 2000 bis 2550 m ü. M. und haben eine Gesamtfläche von zirka 900 ha. Auf beiden Alpen werden rund 320 Rinder gesömmert, aber nicht eingestallt. Bei sommerlichem Schneewetter können die Rinder in den tiefer liegenden Wäldern Schutz finden.

Eine Gegend mit langer Geschichte

Das Älplerleben der Familie Keller steht in einem engen Bezug zur Geschichte des Val S-charl. Die Nutzung und die Pflege der Alpen gehen im Kanton Graubünden auf inneralpine Besonderheiten auf die Jahre 1400 – 800 v. Chr. zurück. Mit dem Einzug der Bauern in die Alpen entstanden die alpinen Kulturlandschaften, die bis heute das Bild der Bündner Alpen prägen.

Bekannt ist aber auch, dass im Mittelalter die Alpen als Rohstoffquelle genutzt wurden. Dies war auch im Val S-charl der Fall; dort wurden zuerst im Mittelalter und in einer zweiten Phase zu Beginn des 19. Jahrhunderts im Berg Mot Madlain (nördlich von S-charl) Blei und Silber abgebaut. Zeugnis davon ist das mächtige Knappenhaus, zu dem ein Stall und eine kleine Wohnung gehören. Weiter kommen 12 ha landwirtschaftlichen Nutzfläche auf 1810 m ü. M. dazu, die von der Familie Keller seit 1977 bewirtschaftet werden. Das Knappenhaus diente als Unterkunft für die Bergwerksarbeiter. Bis 1950 war S-charl ganzjährig bewohnt. Seither wird es als Sommerdorf bezeichnet.

[IMG 3]

Grosse Freude an Pferden und Vieh

Um den zahlreichen Touristen die Schönheiten des Tales entlang des höchstgelegenen Arvenwaldes von Europa näher zu bringen, betreibt Familie Keller einen kleinen Kutschenbetrieb mit selbst gezüchteten Freibergerpferden. So verbindet Werner Keller über lange Jahre hinweg seine Freude und sein Können mit dem Vieh und den Pferden.

[IMG 4]

Dank des Sömmerns von Rindern aus dem Talgebiet könnten Alpen weiter genutzt und gepflegt werden, sagt Werner Keller. Mit dem Nomadenleben, zu dem auch Kellers Frau viel beiträgt, konnte sich die fünfköpfige Familie die finanzielle Existenz mit grossem Aufwand und sparsamer Lebensführung über die vielen Jahre hinweg absichern. Und Keller selber konnte sowohl im Winter beim Rettungsdienst und als Lawinenhundeführer wie auch im Sommer einer spannenden und befriedigenden Arbeit nachgehen.

Grosses Lob für Werner Keller

Die Begegnung der Alptier-Lieferanten mit der Familie Keller in Dietfurt sprach für die kameradschaftliche Zusammenarbeit. Dass die Talbauern ihre Tiere ins Unterengadin bringen, liegt aber nicht ausschliesslich an der Schönheit des Val S-charl, sondern an der Kompetenz und grossen Erfahrung von Werner Keller als Älpler. Dazu einige Stimmen der rund 60 Gäste an der Tagung im Toggenburg:

  • Martin Niederer aus dem toggenburgischen Gähwil sagt, dass seine Rinder seit zehn Jahren den Sommer im Val S-charl verbringen und im Herbst gesund und munter nach Hause zurückkehren. Dies sei ein bestes Zeugnis für die Arbeit von Werner Keller.
  • Ganz zufrieden mit der Alp und dem Älpler ist auch Adrian Imhof aus dem thurgauischen Dussnang. Schon sein Vater vertraute Keller seine Alptiere an. Seit 2018 bringe er jeweils drei bis vier Rinder ins Engadin. Er sei bestens zufrieden mit der Alp und mit dem Älpler.
  • Schon seit 24 Jahren sömmern vier bis sechs Rinder von Kurt Brändle aus Dottingen bei Werner Keller auf der Alp.Er freue sich über die gute Betreuung der Tiere durch Keller auf der Alp, lobt Brändle.

Grundsätzlich äusserten sich die Alpviehlieferanten über die positive Wirkung der Alpung in hohen Lagen und zeigten sich überzeugt, dass sich die Sömmerung auf den Hochalpen positiv auf die Gesundheit und spätere Leistungsfähigkeit und Langlebigkeit des Viehs auswirke.