Abo Der Winter und der viele Schnee haben deutliche Spuren hinterlassen. Um diese zu beseitigen braucht es schwere Maschinen. Alpwirtschaft Maienfeld: die Stadt mit den 1310 Hektaren Alpen Sunday, 17. April 2022 Alfons Zindel, seit über 30 Jahren Alpmeister, holt die Journalistin der BauernZeitung am Bahnhof Landquart ab. Angesagt ist der Besuch der 1320 Hektaren Alpen der Stadt in der Bündner Herrschaft. Also geht es Richtung Maienfeld, ins Quartier Pardella. Als die Strasse zu steigen beginnt, hält Zindel an und zeigt auf die vor ihnen liegende Felswandkulisse: «In einer Stunde werden wir dort oben sein», sagt er. «Auf rund 2000 Meter über Meer, mit einem einzigartigen Panorama. Dort ist die Welt noch in Ordnung, man kann atmen. Was einem im Tal beunruhigt und aufregt, lässt man hier unten zurück. Dort oben ist der Himmel näher, im wirklichen und übertragenen Sinn.» Die Besucherin denkt, der Mann könne ihr ja alles erzählen und vorschwärmen, sie müsse es glauben.

Die Strasse mutet nicht an, als würde sie von der Zivilisation wegführen. Sie ist geteert. Je höher sie führt – die Stadt Maienfeld liegt auf 500 Meter über Meer – umso steiler und kurviger wird sie. Die Kehren werden enger, die Autoschnauze schaut immer öfter ins Leere. Auf dem Beifahrersitz wird’s ungemütlich. Dann denkt man, über 30 Jahre ist der Fahrer gut hinauf und herunter gekommen. Wird wohl nicht heute etwas passieren. «Bald halten wir das erste Mal an», tönt’s von nebenan.

[IMG 2]

Die Älplerfamilie auf der Alp Bad sitzt am Zmorgetisch und freut sich über den Besuch. Nebenan haben sie die Habe aufgetürmt, die sie von der Alp Egg hergezügelt haben. Auf die Frage der Journalistin, ob es sie nicht störe, nach drei Wochen bereits wieder zusammenzupacken zu müssen, antwortet die Frau des Hirten: «Wir machen das seit vielen Jahren und haben uns daran gewöhnt. Danach haben wir fünf bis sechs Wochen Ruhe.»

Nachher geht es weiter zur Alp Sarina, wo der über 70-jährige Jörg Pleisch 130 Rinder hütet. Er habe darum gebeten, Motorenöl mitzubringen für sein Auto. Mindestens einmal pro Woche fährt der Alpmeister in die Höhe. Er bringt hinauf, was bestellt wird, und nimmt herunter, was ihm mitgegeben wird. Das dritte Mal wird auf der Alp Egg angehalten, wo Vorarbeiter Hans Ruedi Möhr, Kaffee und Brot auftischt. Er ist Facharbeiter beim Zweckverband Falknis und seit fünf Jahren des Sommers verantwortlich für Geräte, Gebäude und Weiden.

[IMG 4]

Die BauernZeitung berichtet in drei Teilen über die Maienfelder Alpen. Im April stellten wir diese vor und berichteten über die mehrere Wochen dauernden Vorbereitungsarbeiten. Im heutigen Teil schildern wir den Besuch der Alpen Egg (Alpmeister Jakob Bantli) und Stürfis (Alpmeister Alfons Zindel), eine der grössten Milch verarbeitenden Alpen der Schweiz. Im dritten Teil halten wir Nachschau, wenn auf den Alpen Ruhe eingekehrt ist. Welche organisatorischen Arbeiten stehen an im Tal? 

«Wir können auf langjähriges Personal vertrauen»

Drei Stunden dauert die Reise bereits, auf der die Besucherin viel Neues gesehen und Ausserordentliches entdeckt hat. Offensichtlich ist an den besuchten Orten die gute Stimmung und die Freude über die Visite des Alpmeisters. Das sei dem Umstand zu verdanken, dass sie in Maienfeld das Glück hätten, erklärt er, auf langjähriges Personal zurückzugreifen. Der Anblick der anfangs versprochenen atemberaubenden Aussichten ist nicht übertrieben. Rundherum ein traumhaftes Bühnenbild. Man weiss gar nicht, soll man dieses ruhig in sich aufnehmen oder «muss» man es hundert Mal fotografieren.

Die Reise nähert sich dem Höhepunkt, nämlich der Alp Stürfis, wo drei Chüer, ein Senn und eine Zusennin wirken. Sie betreuen dort 198 Milchkühe, 2 Stiere und produzieren total 18 Tonnen hoch prämierten Alpkäse und 3 Tonnen Alpbutter. Was bei der Anfahrt als Erstes auffällt sind die draussen und unter der Stalltür faulenzenden 42 Alpschweine. Wohl genährt, die Schnauzen zu einem Lächeln geformt. Überglücklich sehen sie aus, lassen sich weder durch Jööö-Rufe der Besucherin noch durch sonst etwas aus der Ruhe bringen. «Da liegen wir, ausgestreckt in der feuchten Erde», deuten sie uns an. «Und hier bleiben wir!»

[IMG 7]

«Ich bin selig hier oben»

Die jungen Hirten Gian-Andri, Forstwart; Roger, Bauer und Metzger; Björn, Forstwart, haben in der Alphütte ihr Frühstücksgeschirr weggeräumt. Bevor sie sich für ein Nickerchen zurückziehen, reden sie über den Tagesablauf und die Züglete auf die Alp Ijes, die in acht Tagen ansteht. Diskutieren mit dem Alpmeister über Wichtiges und Unwichtiges. Als Aussenstehende hat man das Gefühl, die Leute leben in einer anderen Welt. Genauso der Senn Jonpitschen und Zusennin Mona, die noch beschäftigt sind in der Käserei im gleichen Gebäude.

Studentin Mona ist zum ersten Mal auf einer Alp und kann nicht genug strahlen über das Glück, das ihr dadurch zuteilwird. «Es ist streng, die Arbeitstage lang, aber ich glaube, ich möchte am liebsten nicht mehr fort von hier», sagt sie selig. Jonpitschen, gelernter Forstwart und Schreiner, sagt zwar nicht viel, aber die Zufriedenheit ist in sein Gesicht geschrieben und in jeder seiner Gesten vorhanden. «Das ist mein vierter Sommer hier; zwei Jahre war ich Zusenn.» Im Winter fahre er Zweispänner auf Kufen, ist also als Kutscher tätig. Mona und Jonpitschen bleiben bis zur Alpabfahrt auf Stürfis; die Milch wird durch eine Pipeline von den anderen Alpen durchgepumpt.

[IMG 5,6]

In letzter Zeit lasen wir in gewissen Blättern, die Generation Z wolle nicht mehr viel arbeiten. Lieber «fun and nothing to do»! 100 Prozent arbeiten, trompeteten 20 bis 25-jährige in Interviews, das würden sie nie mehr tun. Arbeiten ja, um Geld zu verdienen für grosse Reisen und monatelange Ferien. Diese jungen Leute haben wohl nie Gleichaltrige getroffen wie «unsere» Älpler(innen), welche trotz wochenlanger ununterbrochener Arbeit glücklich sind.

Die Reise nähert sich dem Ende, es geht zurück zum Bahnhof Landquart. Auf der über einstündigen Fahrt von der Alp versucht man, die Ereignisse des Tages einzureihen. Man glaubt, man sei eine Woche weg gewesen. Im Paradies! Alfons Zindel hatte nicht zu viel versprochen; es war ein selten bedeutsamer Tag. Man geht träumend Richtung Bahnhofunterführung und wird durch einen schrillen Pfiff aufgeschreckt. Der Pfiff hat keinen menschlichen oder tierischen Hintergrund. Es ist die Rhätische Bahn, die einen in die Wirklichkeit zurückholt. 

[IMG 3,8]

Die drei Hirten der Alp Stürfis beschreiben ihren Nacht-/Tagesablauf:
02.15 Uhr    Der Wecker schellt; die Männer trinken einen Kaffee, ein Glas Wasser
02.30 Uhr    Die Kühe werden von der Weide geholt
03.30 Uhr    Die Kühe sind an ihren Plätzen im Stall; das Melkgeschirr wird vorbereitet
04.00 Uhr    Die Älpler setzen sich an den Tisch in der Alpstube; es gibt Müesli oder Kuchen
04.30 Uhr    Die Kühe werden gemolken
06.00 Uhr    Die Kühe werden hinausgelassen (ausser es schneie!), Milchgeschirr und Stall werden gereinigt und um den Stall wird aufgeräumt
10.00 Uhr    Jetzt gibt’s Frühstück! Dafür nehmen sich die jungen Männer eine Stunde Zeit
11.00 Uhr    Schlaf wird nach- oder vorgeholt. Mittagessen gibt’s nur am Sonntag
13.30 Uhr    Es gibt Kaffee, möglichst draussen in der Sonne
14.30 Uhr    Kühe werden von der Weide geholt; gleicher Ablauf wie am Morgen
19.00 Uhr    Feierabend
19.30 Uhr    Hirten und Sennen versammeln sich am Tisch in der Stube zum Nachtessen
Es wird geplaudert, gelacht, gespielt
Nachtruhe
Das Ziel sei, sich während der ganzen Alpzeit nicht ins Tal zu begeben. Das Trio ist einige Sommer zusammen und kann sich vorstellen, das Abenteuer nächstes Jahr wieder gemeinsam zu wagen.

https://www.zweckverbandfalknis.ch/alpen