Nun bin ich schon seit drei Wochen auf der Alp und habe mich gut eingelebt. Auch die Kühe kennen mich mittlerweile und ich sie. Etwas vom Schönsten des Tages ist jeweils das Zusammentreiben der Kühe. Hier auf der Alp Zimmerboden haben wir die Kühe tagsüber im Stall, da sie dort weniger von den Fliegen geplagt werden und es im Stall kühler ist als draussen an der prallen Sonne.

Abo Die Schotte wird auf der Site Alp an die Alpschweine vertränkt. Wie die Kühe dürfen auch die Schweine auf ihre Weide. Alptagebuch Angekommen auf der Site Alp – ein Sommer im Simmental beginnt Sunday, 1. June 2025 Da wir einen Laufstall haben, lassen wir die Kühe am Morgen nach dem Melken nochmal für ein paar Stunden auf die Weide, bis sie Dänu etwa um zehn Uhr wieder in den Stall holt. Ich bin um diese Zeit meist dabei, Mutschli zu schmieren, oder bereite den Tagesbetrieb im Beizli vor. Doch vergangene Woche musste – oder besser gesagt durfte – ich die Kühe von der Weide treiben, da Dänu ein anderes Programm hatte.

Obschon wir die Kühe an diesem Morgen fast nicht in den Stall zum Melken treiben konnten und wir vergleichsweise lange brauchten, hätte ich das Zusammentreiben am Vormittag nicht missen wollen.

Treiben oder am «Glüt» ziehen?

Mir ist es wichtig, die Kühe so gut wie möglich zu kennen, dazu gehört für mich auch, dass ich die Kuh beim Namen nennen kann. So kann ich mir besser die Charakterzüge und Merkmale der Tiere merken. Nach einer Woche war ich sattelfest, welche Kuh wie heisst.

Zwei Kühe, die ich mittlerweile schon von Weitem erkenne, sind Malva und Garvera, denn sie sind rangniedrigere Tiere und sind lieber am Rand der Herde und nicht mitten im Geschehen.

Dies zeigt sich auch heute wieder, als ich die Kühe hole. Während ich alle anderen Tiere vor mir her treibe, lasse ich Garvera und Malva in ihrem Tempo hinter mir und der Herde nachzotteln. Denn ich weiss mittlerweile: Es lohnt sich nicht, die beiden zu treiben. Garvera hat einen zu sturen Kopf dafür und es geht einfacher, sie am Glockenriemen zu führen, als sie von hinten zu treiben. Malva andererseits ist eine grossgewachsene Kuh mit langen Beinen. Die anderen Kühe gehen ihr zu langsam, sodass sie jeweils wartet, bis die Herde etwas weiter vorn ist, damit sie dann mit ihren grossen Schritten schnell wieder aufholen kann.

Die beiden lasse ich also hinter mir gewähren, denn ich weiss, dass sie der Herde hinterhertrotten, jedoch in ihrem Tempo.

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Der König der Kühe

Es ist fast wie im Bilderbuch. Den ganzen Morgen regnete es, doch nun lässt sich die Sonne zwischen den Wolken ein wenig blicken, während ich die Kühe den Hang hoch lotse. Florian, der Herr der Herde, steht bereits oben auf dem Bödeli. Er stellt sich fast wie im Film «König der Löwen» zuvorderst auf das Bödeli, schaut in Richtung Herde, sodass er all seine Frauen im Blick hat, und brüllt laut. Er wartet geduldig, lässt die ersten Tiere an sich vorbeiziehen, und schliesst sich ihnen an, als eine stierige Kuh an ihm vorbeigeht.

Ja, der Jungstier macht seine Arbeit bis jetzt tadellos. So mag man die Muni: Er will das Geschehen unter Kontrolle haben und beobachtet die Kühe sowie die Menschen um ihn herum jeweils genau. Er weiss aber auch, dass wir das letzte Wort haben, läuft ohne gross aufzufallen in der Herde mit und weicht gehorsam, wenn wir auf ihn zugehen.

Canelle, die Selbstbewusste

Die Kuhherde ist nun im Stall und schätzungsweise könnten es alle 50 Tiere sein. Doch ich bin mir nicht sicher, ob wirklich keine fehlt, denn die Kühe können auch auf der gegenüberliegenden Seite der Weide dem Zaun entlang in den Stall. Dort ist es steiler und durch einige Bäume etwas verdeckt, sodass ich beim Treiben nicht genau sehen konnte, ob dort auch noch einzelne Kühe sind. Ich gehe also nachschauen – und prompt kommt mir von dieser Seite der Weide die Kuh Canelle entgegen: gemütlich, aber bestimmt. Am Abend beim Melken erzählt mir Dänu dann, dass Canelles besondere Charaktereigenschaft ihr grosses Selbstbewusstsein ist. Das kann ich rückblickend nur bestätigen, so wie sie mir auf der Weide entgegen trottete.

Tut auch dem Gemüt gut

Auch wenn das morgendliche Zusammentreiben nicht immer so reibungslos abläuft wie an diesem Tag, ist es ein schöner Start in den Tag. Dabei kann ich gut die einzelnen Tiere beobachten und merke mit der Zeit, welche Kuh wie tickt und welche Tiere enger befreundet sind oder eben nicht. Auch stierige Kühe, allfällige Lahmheiten oder sonstige unübliche Verhalten fallen mir dabei auf.

Und auch mein Gemüt profitiert von dieser ersten Aufgabe des Tages. Manchmal noch im Halbschlaf, mache ich mich frühmorgens auf den Weg zu den Kühen. Bis wir alle Tiere im Stall haben, bin ich dann auch aufgewacht und habe warm bekommen. Wenn ich Glück habe, erlebe ich dabei sogar ein wunderschönes Morgenrot, was die Motivation für den Tag zusätzlich erhöht.

Die Autorin schreibt alle zwei Wochen über ihre Erlebnisse auf der Site Alp.