Auf der ganzen Welt leiden Menschen unter den Folgen von Fehlernährung – Untergewicht, Übergewicht, Mangelerscheinungen. In ärmeren Ländern fehlt es an Nahrungsmitteln, in unserer Region eher an Wertschätzung und Wissen. Die einen wollen sich schnell und billig verpflegen. Viele haben das Koch-Handwerk nie gelernt. Für andere hingegen ist Essen ein grosses Thema, allgegenwärtig in den Medien. Food-Blogger haben eine riesige Gefolgschaft, ein Trend jagt den anderen.
Ernährung als Schlüssel zur Gesundheit
«Die Corona-Krise zeigt deutlich: Es braucht Veränderung in unseren Essgewohnheiten», sagt die Ernährungswissenschaftlerin Jasmin Peschke vom Goetheanum, eine der Referentinnen am Symposium Hauswirtschaft von Agridea (siehe Kasten).
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Denn Ernährung betrachtet sie als Schlüssel, um die eigenen Gesunderhaltungskräfte zu stärken. Darüber hinaus verweist sie auf die Verantwortung, die das Essen mit sich bringt: Was wir zu uns nehmen, soll so produziert werden, dass andere Menschen, Tiere und Umwelt möglichst wenig darunter leiden.
Aber so einfach ist die richtige Ernährung nicht, und das hat mehrere Gründe. «Ernährung ist ein Wirtschaftsfaktor», nennt Jasmin Peschke einen davon. Die Lebensmittelindustrie beeinflusse unsere Gewohnheiten stark. Auch darum würden sich einige Esstrends länger halten als andere: «Sie werden von der Industrie gepusht.» So ist zum Beispiel «Clean Eating» mit frischen, naturbelassenen Lebensmitteln im Zentrum weniger dauerhaft als der «Free From»-Trend mit Nahrungsmitteln ohne Gluten, Laktose, Fett und anderem. Mit Ersterem lässt sich wenig Geld verdienen. «Wir werden auch angeschwindelt», sagt Peschke. Ein Erdbeerjoghurt mit künstlichem Aroma dürfte doch nicht so heissen, findet sie, Zuckerjoghurt wäre ehrlicher.
Doch nicht nur die Industrie ist das Problem, sondern auch der Mensch: Seine Ideale führen ihn nicht unbedingt zu entsprechendem Handeln. Welcher Konsument will schon Tiere leiden lassen – und doch greifen viele beim Einkaufen nach billigen Importfleisch. Oder der Vorsatz, weniger Süsses zu essen: Er wird viel häufiger getroffen als umgesetzt. Viele Menschen stehen überfordert und unzufrieden im Konsum-Dschungel.
Achtsam mit dem Essen umgehen
Jasmin Peschke sieht den Ausweg darin, dass der Mensch seine Selbstkompetenz und Selbstwahrnehmung stärkt, dass er lernt zu spüren, was ihm und der Umwelt guttut. Sie verweist auf ein Konzept, das unter dem Namen «Mindful Eating», achtsames Essen, bekannt geworden ist. Drei simple Fragen führen dorthin:
- Was esse ich: Was liegt auf dem Teller, in welcher Menge? Welche Farbe hat es, welche Form? Wie riecht es?
- Wie schmeckt es mir: Welchen Geschmack haben die einzelnen Komponenten, was schmecke ich heraus? Welche Konsistenz hat es und wie mag ich das? Möchte ich noch mehr essen, weil es mir schmeckt oder weil der Körper es braucht?
- Wie bekommt mir das: Wie vertrage ich das Gegessene? Wie fühle ich mich nach dem Essen, wie fühle ich mich eine Stunde später? Wie lange bin ich satt? Wie läuft die Verdauung?
Training schärft die Sinne
«Auf diese Weise setzen wir uns in Beziehung zu den Lebensmitteln und zu uns selber», sagt Jasmin Peschke. Die Sinne würden mit der Zeit geschärft und der Mensch spüre immer besser, welche Wirkung das Essen auf ihn habe – der erste Schritt, durch Ernährung die eigenen Gesunderhaltungskräfte zu stärken. Auch zur Reduktion von Übergewicht werde diese Methode angewendet.
Gemäss Jasmin Peschke führt das Interesse an den Lebensmitteln in einem zweiten Schritt über die eigene Person hinaus: Der Mensch will wissen, woher sein Essen kommt, wie es produziert wird. Und dann ist es nicht mehr egal, ob die Kaffeepflückerin oder der Milchproduzent genug verdient, um die Familie durchzubringen oder ob für die Ananas auf der Torte der Urwald abgeholzt wurde. «Achtsames Essen tönt nicht spektakulär», weiss Jasmin Peschke, «aber es ist der erste Schritt zur Gesunderhaltung von uns und der Umwelt. Es hilft uns dabei, unsere Denkweise und unser Verhalten ändern.»
Ein effizientes Online-Treffen
«In der richtigen Welt gäbe es jetzt Kaffee und Gipfeli», begrüsste Simone Hunziker von Agridea die Kursteilnehmerinnen zum Symposium Hauswirtschaft. Die Hauswirtschafts-Fachleute trafen sich vor einer Woche über eine Online-Plattform und waren für allfällige Stärkungen selber zuständig. Statt Verkehrssituation und Zugverbindungen war höchstens die Internetverbindung ein Thema. Für Agridea sei es der erste Kurs in dieser Form, informierte Simone Hunziker, sie sei stolz darauf, dass der Fachbereich Hauswirtschaft vorausgehe. Die Technik funktionierte zwar nicht auf Anhieb reibungslos, doch der freundliche Supporter löste alle Probleme in Kürze. Referate und Diskussion fielen etwas weniger lebendig aus als in einer persönlichen Runde, aber immer noch erstaunlich gut. Eine wunderbar effiziente Art der Veranstaltung – zur Abwechslung. Denn Effizienz ist nicht alles: Die persönlichen Gespräche unter den Kursteilnehmenden und Referentinnen am Rand der Veranstaltung lassen sich nicht so leicht ersetzen.
Weitere Themen am Symposium Hauswirtschaft waren künftige Esstrends mit der Referentin Andrea Staudacher, Ereignis Design, und die digitale Vernetzung im privaten Haushalt mit Referent Dieter von Arx von der Hochschule Luzern.