Dass Biestmilch das Immunsystem des Kalbes stärkt, ist bekannt. Immer häufiger wird Kuh-Kolostrum, ein Lebensmittel der besonderen Art, auch zu Nahrungsergänzungen verarbeitet. Sven Altorfer stellt mit seiner Firma Swiss Health & Nutrition solche Produkte her. Er sagt: «Unser Ziel ist, beim Verkauf von Produkten aus Kolostralmilch ein wichtiger Anbieter im Premiumsegment zu werden.» Dabei setzt er auf Schweizer Herkunft: Vom Rohprodukt über die Verarbeitung bis zur Verpackung.

Kolostrum stärkt auch das menschliche Immunsystem

Angefangen hatte alles 2006 aus einem eigenen Bedürfnis heraus. Sven Altorfer litt an einer chronischen Erkrankung. Bei seiner Recherche, was sein Immunsystem stärken könnte, stolperte er immer wieder über Produkte aus Kuh-Kolostrum. Altorfer probierte verschiedene Produkte aus und merkte schnell, dass Kolostrum nicht gleich Kolostrum ist. Die Qualität der Produkte unterschied sich stark. Altorfer, Experte in der Lebensmittelverarbeitung, entschied sich, von Brasilien in die Schweiz zurückzukehren und wagte den Versuch, selber etwas aufzubauen. «Ich trat mit der Vision an, Kolostrumprodukte als Nahrungsergänzung herzustellen – alles unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit», erzählt er.

Er gründete 2012 die Firma Swiss Health & Nutrition. Mit einem Partnerbetrieb nahe des Bodensees verarbeitete er Kolostralmilch, die damals aus dem Tirol, Vorarlberg und Bayern kam. Die Verarbeitung erfolgte von Beginn an mittels der schonenden Mikro- und Nanofiltration, um die Lebensmittelsicherheit zu garantieren. Bis heute verzichtet Altorfer auf die Pasteurisierung des Kolostrums. Mit Swiss Food Research, einem Agro-Food Innovationsnetzwerk, fand er neue Partner und Investoren. Bis zu diesem Zeitpunkt war das Projekt eine «One-Man-Show», wie Altorfer selber sagt.

Startschuss für Swiss Wow Cow im Januar

Über Swiss Food Research lernte Sven Altorfer Christof Züger von der Züger Frischkäse AG mit Sitz in Oberbüren SG kennen. Dieser hatte rasch Gehör für Altorfers Idee, aus Schweizer Kolostrum Produkte für das Immunsystem herzustellen. Christof Züger war es auch, der Altorfer zu Beginn half, die Verbindung zu Schweizer Landwirten herzustellen.

An einem Informationsanlass am 7. Januar 2020 wurde das Projekt von Swiss Wow Cow erstmals einem grösseren Kreis von Landwirten vorgestellt. Swiss Wow Cow ist Teil des Unternehmens Swiss Health & Nutrition und umfasst den Bereich, der die Zusammenarbeit mit den Landwirten betrifft. 25 Bauern waren an einer Zusammenarbeit interessiert.

Schon 40 Bauern machen mit

Durch Mund-zu-Mund-Propaganda meldeten sich danach weitere Bauern. Mittlerweile beläuft sich deren Zahl auf 40, mit Schwerpunkt in der Ostschweiz. Das liegt nahe, weil die Geschäftsstelle von der Swiss Wow Cow in Wald AR liegt. Betreut wird sie von Andrea Tobler. «Wir waren überwältigt von der grossen Nachfrage von Seiten der Bauern. Die Resonanz und die Motivation sind riesig», freut sie sich. Aber auch bei den Konsumenten sei die Nachfrage gross. «Das liegt wahrscheinlich am heutigen Zeitgeist, mit dem Bedürfnis nach nachhaltig produzierten Lebensmitteln», bemerkt Tobler.

Bis zu zwölf Liter Kolostrum pro Kuh

Fritz Stettler ist einer der ersten Bauern, der Kolostrum an Swiss Wow Cow verkauft.  «Die Kälbergesundheit ist etwas, das uns Bauern sowieso immer beschäftigt. Die Idee, dass man nicht vertränktes Kolostrum weiterverarbeitet, überzeugte mich sofort.» Auf seinem Betrieb ausserhalb von Frauenfeld hält er 130 Milchkühe.

Bevor eine Kuh kalbt, wird sie in einer Abkalbebox separiert. Spätestens zwei Stunden nachdem die Kuh gekalbt hat, wird sie gemolken und möglichst viel Biestmilch an das neugeborene Kalb vertränkt. Was übrig ist, wird mit dem Refraktometer gemessen, angeschrieben, in einem Sammelbehälter aufbewahrt und eingefroren. Auch das zweite und allenfalls noch das dritte Gemelk der Kuh wird gemolken, dann aber bereits wieder im Melkstand, und separiert. «So können bis zu zwölf Liter Kolostrum zusammenkommen», so die Erfahrung von Stettler. Er ergänzt: «Die Mitarbeiter mussten gut eingeführt werden, damit die Kolostralmilch korrekt gesammelt wird.»

Für den Bauern lohnt es sich

Die Zusammenarbeit mit Swiss Wow Cow lohne sich auf jeden Fall, findet Fritz Stettler. «Es ist ja kein riesiger Mehraufwand, wenn man es in den Arbeitsablauf integriert.» Sämtliches Material wird kostenlos zur Verfügung gestellt. Das sind der Refraktometer, Probebecher (für die ETH Zürich zu wissenschaftlichen Zwecken), Sammelbehälter und die Tiefkühltruhe. Das Kolostrum wird von Swiss Wow Cow zwei bis viermal jährlich eingesammelt und verarbeitet.

Finanziell geht die Rechnung für Stettler ebenfalls auf. Bei über 20 Brix (Masseinheit der relativen Dichte einer Flüssigkeit) bekommt er 5 Franken pro Liter. Bei 18 bis 20 Brix die Hälfte. Er hat fürs erste 500 Liter angemeldet und ist sich ziemlich sicher, dass er diese Menge auch liefern kann. Für ihn ist Swiss Wow Cow ein Weg, wie Bauern ein zusätzliches Einkommen erwirtschaften können, «aber auch eine Möglichkeit, den Konsumenten aufzuzeigen, wie wertvoll Milch und Kolostrum als Lebensmittel sind». Es sei zudem  eine Chance, das Image der Kuh und der Milchbauern zu verbessern.

 

Für Präventinmedizin und Sport

Aus der Kolostrum-Rohmolke entstehen Pulver, im kompostierbaren Beutel oder als Kapseln erhältlich, und Konzentrat in 100 ml Fläschchen. Inzwischen umfasst das Sortiment fünf Produkte für die Präventivmedizin und den Sport. Verkauft werden sie unter dem Namen «Be the Change», was so viel bedeutet wie «Sei Teil der Veränderung».

Die Produkte kann man im Moment online oder bei allen Schweizer Drogerien und Apotheken sowie in ausgewählten Sportfachgeschäften kaufen. Es laufe super, sagt Sven Altorfer, auch wenn man erst am Anfang stehe. «Dieses Jahr werden wir mindestens 5000 Liter Kolostrum verarbeiten.» Für ihn geht damit ein grosser Traum, ja ein H­erzenswunsch in Erfüllung.