Eine Woche Ferien – juhui, Unmögliches wird plötzlich möglich. Die Schwiegermutter und der Schwager sowie eine fleissige Rumänin übernehmen den Hof für eine Woche und schlafen in unserem Haus, um die Tiere auch nachts zu bewachen, und schenken uns eine Woche Auszeit. Wer als Bauer aufgewachsen ist oder sich als Quereinsteiger in einem fremden Land in fünf Jahren einen existenzsichernden Bauernhof aufbaut, weiss diese Freude zu teilen.
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Der Entscheid fällt zugunsten einer Rundfahrt
Doch wo soll es hingehen? Irgendwelche Ferien an einem Strand unter vielen Touristen oder Menschenaufläufe sowie Konsumwahn – ist nichts für uns. Zum Wandern auf umliegenden Hügelzügen ist es definitiv zu heiss, Fischerferien sind wegen andauernder Regenfälle gerade überall gesperrt oder die Orte überflutet.
So entschliessen wir uns für eine kulturelle, landwirtschaftliche Reise durch Südparaguay. Victor übernimmt das Steuer, ich eine vage Strassenkarte des Landes, Livia und Gabriela übernehmen die Hinterbank und den Terere-Ausschank während der Fahrten.
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Eine weite Fahrt durchs halbe Land
Wir durchreisen die Departamentos (die Provinzen Paraguays sind in Departamentos aufgeteilt, Red.) Cordillera, Paraguarí, Missiones, Itapúa, Alto Paraná und Caaguazú. In acht Tagen sind das gute tausend Kilometer.
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Cordillera: Die Hauptstadt heisst Caacupé, es ist unser «Wohnkanton» mit dem Dorf Candia, Atyrá. Cordillera gilt als der «Kanton» der unabhängigen Kleinbauern, die hauptsächlich für die Direktvermarktung produzieren. Nebst kleiner Eigenversorgung wird Rinderzucht betrieben sowie Mandarinenproduktion und Bananenplantagen.
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Paraguarí: Die Hauptstadt Paraguarí im südlich angrenzenden «Kanton» von Cordillera ist bekannt für den zweitgrössten landesweiten Zuckerrohranbau. Jedoch ist das Departamento auch landesweit bekannt als Ort der Schaffleischproduktion.
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Missiones: Der Name der Hauptstadt lautet San Juan Bautista. Das Departamento bildet mit den Departamentos Itapúa und Ñeembucú den südlichsten Teil Paraguays. Der grosse Handelsfluss Río Paraná trennt hier die Länder Paraguay und Argentinien. Das Grasland und das Klima in Missiones ermöglichen in dieser Gegend eine grössere Viehzucht. Die Tierhaltungsbetriebe spezialisierten sich hauptsächlich auf Fleischproduktion und exportieren im Rahmen des Mercosur-Abkommens. Die grösste Fleischrinderzucht hingegen, die ins Mercosur-Abkommen produziert, liegt im nördlichen, hohen und grossen Chaco. Der Ackerbau ist hier sehr vielseitig. Im grossen Stil werden Reis und Baumwolle angebaut, aber auch Maniok, Mais, Weizen und Gemüse. Der Reis aus Missiones hat besondere Qualität und ist landesweit bekannt.
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Itapúa: Die Hauptstadt dieses Departamentos ist Encarnación. Wir haben den südlichsten Punkt von Paraguay erreicht. Der grosse Handelsfluss Río Paraná ist mit seinen riesigen Frachtern und containerbeladenen Schiffen beeindruckend. An den Sandstränden fühlt es sich schon fast an wie am Meer. Eine Brücke von 2,5 km Länge verbindet die grossen Handelsstädte Encarnación in Paraguay und Posada in Argentinien. In diesem Departamento gibt es gute Handelsmöglichkeiten und Itapúa liegt landesweit an vorderster Stelle in der Schweinemastproduktion sowie in der Pferdeaufzucht.
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Alto Paraná: Alto Paraná ist mit der Hauptstadt Ciudad del Este der östlichste Teil des Landes und bildet ein Dreiländereck von Paraguay, Argentinien und Brasilien. Hier gibt es den grössten Importhandel aller elektronischen Landwirtschaftsgeräte sowie -fahrzeuge. Gross vertreten vorab ist John Deere. Imposant stehen hier etliche grosse Landwirtschaftsgeräte für den Verkauf in grossen Import-Handelshallen an der Verbindungs-strasse zwischen dem Osten und dem Westen Paraguays. Der Westen gilt als das Tor zur Region des grossen Chaco, wo Grosslandwirtschaftsmaschinen im täglichen Einsatz sind. Im Ackerbau ist man spezialisiert als die grösste landesweite Sojaproduktion und die Gegend gilt trotz kleiner Fläche als weltweit zweitgrösster Sojaproduzent. Die Sojafelder reichen oft bis zum Horizont und an der grossen Handelstrasse zwischen Encarnación und Cuidad del Este stehen grosse Sojasilos. 1 300 000 Tonnen wurden letztes Jahr exportiert.
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Caaguazú: Dieses Departamento ist ein «Kanton» mitten in Mittelparaguay und das letzte Durchgangs-Departamento auf unserer Landwirtschaftsreise. Die Hauptstadt heisst Coronel Oviedo. Bekannt ist hier einerseits die Gegend des Campo 9, das von Mennoniten gross in der Milchwirtschaft aufgebaut wurde, sowie die landesweit bekannte Milchfirma Lactolanda, die im Jahr 1979 hier an ihrem Hauptsitz durch eine Genossenschaft gegründet wurde. Neben der grossen Milchwirtschaft hat das Departamento zahlreiche Sägewerke für die Holzindustrie und die landesweite Holzmöbelherstellung aus verschiedensten einheimischen Bäumen. Am bekanntesten ist das Edelholz Kurupai.
Es war eine spannende, lehr- und sehr abwechslungsreiche Reise, durchzogen von Altbewährtem bis hin zur modernen Landwirtschaftsindustrie mit grossen Monokulturen. Unser Fazit der Reise: Zu Hause ist es einfach am schönsten.
Zur Person: Michèle Huber ist gelernte Landwirtin mit Fachrichtung Bio und Permakultur. Ein von ihr initiiertes PRE mit dem Ziel einer neu ausgerichteten regional-solidarischen Landwirtschaft fand Anklang bei Inforama, FiBL und Bio Schwand und wurde sogar vom BLW und Lanat anerkannt und finanziell mitunterstützt. Leider funktionierte die Umsetzung nicht ganz, der Landkauf gelang nicht. Überzeugt von ihren Idealen, gab Michèle Huber nicht auf und startete das Projekt nun im fernen Paraguay.