Evelyne Binsack ist eine grosse Abenteurerin auf dieser Welt. Mit eigener Muskelkraft hat sie den Mount Everest, den Nordpol und den Südpol erreicht. Vor einer Woche reiste sie ins Freiamt, gerade zurück von einer Bergtour, und freute sich über die blühenden Bäume und das saftige Gras im Aargau. Am ausgebuchten Landfrauenabend erzählte sie von ihren Expeditionen.
Sich selber gehasst
«Ich habe mich in die Idee verliebt, vor der Haustüre zu starten und am Schluss am Südpol zu landen. Ich habe noch nie jemanden so gehasst wie mich selber am Tag eins dieser Reise.» Evelyne Binsack zeigte sich sehr menschlich angesichts ihrer Heldentaten und verschwieg nicht die banalen Tücken: «Wie pinkle ich bei 40 Grad minus?»[IMG 2]
Andere Probleme waren gravierender. Zum Beispiel, als sie 200 Kilometer vor dem Südpol alle Kraft verlor und ihre Beine sie nicht mehr tragen wollten. Sie konnte sich aufraffen, der Zusammenhalt im fünfköpfigen Team rettete sie. Aber nicht zufällig: Die Gruppe hatte sich in der Vorbereitungsphase darauf verschworen, das Ziel gemeinsam zu erreichen.
«Wer etwas wagt, kann verlieren. Wer nichts wagt, hat bereits verloren», lautete ein Zitat der 56-jährigen Bergführerin und Bestsellerautorin, der die körperliche Fitness anzusehen war. Die allein hätte aber nicht gereicht: Willenskraft nannte sie als Schlüssel zu ihren Extremleistungen.
Fehler können tödlich sein
«Willenskraft steuert unsere Realität und Denkfähigkeit, selbst unsere Emotionen», sagte Evelyne Binsack. Sie nutzt das, um Ziele zu erreichen. Aber auch, um am Leben zu bleiben. Kommt ein Sturm auf oder ist das Wetter akzeptabel? Schaffe ich das noch oder bin ich am Ende der Kräfte? Wie sie diese Fragen beantworte, hänge nicht einfach von der Realität ab, sondern ihr Wille spiele eine entscheidende Rolle.
Diese Einsicht ist wichtig, denn in Evelyne Binsacks Welt können Fehleinschätzungen tödlich sein. Unterwegs zum Gipfel des Mount Everest musste sie an den Leichen früherer Berggänger vorbei. Unauslöschlich in ihr Hirn geprägt hat sich der «waving man» im ewigen Eis, der, wie um Rettung flehend, auf den Knien mit erhobenem Arm erfroren ist.
Wille lässt sich trainieren
«Willenskraft lässt sich trainieren wie einen Muskel», sagte die Referentin. Sie erschöpfe sich aber auch, wenn die Batterien nicht immer wieder aufgeladen würden mit Dingen, die einem gut tun. Und dann gehe nichts mehr, «dann kommen Krankheiten wie Herzinfarkt, Burn-out».
Nicht nur mit der Natur und sich selber kämpfte Evelyne Binsack bei ihren Reisen, manchmal bremsten sie auch Mitmenschen aus. Auf dem Fahrrad durch Südamerika Richtung Südpol schnallte sie sich nach schlechten Erfahrungen Dolche an die Waden, um sich gegen männliche Übergriffe zu schützen. In einer Gruppe unterwegs zum Nordpol musste sie den Führer auf seine fehlerhafte Navigation aufmerksam machen. Das brauchte Wissen und Selbstvertrauen. «Denn wenn jemand selbstsicher genug den falschen Weg voraus geht, folgen die anderen.»
Den Weg zu sich finden
Wer zum Nordpol will, kann nicht einfach der Kompassnadel folgen, weil der magnetische Pol nicht identisch mit dem eigentlichen Pol ist, dem «true north». Die Referentin schlug den Bogen zum Leben ihrer Zuhörerinnen: «Wenn ich an den richtigen Ort will, zu meiner Substanz und meinen Talenten, brauche ich Mut, Geduld, Selbstliebe, Willenskraft. Das wünsche ich euch auf dem Weg zu euren Zielen.»
Ein erstes Ziel nach dem Referat war für viele Landfrauen Evelyne Binsacks Büchertisch, den sie zügig leer kauften.
Das sagen Zuhörerinnen
Isabella Killer, Gebenstorf: «Seit dem Referat lässt mich der Begriff ‹Willenskraft› nicht mehr los. Jeder Mensch hat seine Ziele und seinen Weg, nicht unbedingt so extrem wie Evelyne Binsack, und doch gibt es Parallelen. Wir stecken alle in unseren Verhaltensmustern, welche wir überdenken und verändern dürfen, um unsere Ziele erreichen zu können.»
Edith Nietlisbach, Beinwil: «Mich hat beeindruckt, dass Evelyne Binsack ihre Abenteuer auch nach Rückschlägen nie abgebrochen hat und immer ihr Ziel bis ans Ende verfolgt hat. Trotz aller Schwierigkeiten hat sie nach jedem Abenteuer wieder ein neues geplant. Beeindruckend auch, wie sie ihre Erlebnisse am Nordpol oder auf dem Berg mit unserem Lebensalltag in Vergleich brachte, dass wir an uns glauben sollen, willensstark sein und unser Ziel nicht aus den Augen verlieren sollen. Schön, wie sie gesagt hat, dass man aus jedem Fehler lernen und es das nächste Mal einfach besser machen kann.»
Andrea Hochuli, Küttigen: «Ich bin fasziniert von Evelyne Binsack und von ihren Leistungen. Ihre Ansicht zur Realität hilft mir, andere Menschen und ihre Reaktionen besser zu verstehen.»
Cornelia Schmid, Hägglingen: «Mich beeindruckt die Willenskraft von Evelyne Binsack sehr. Ich möchte für den Alltag auf meinem Lebensweg viel von ihrer Willensstärke mitnehmen.»