Christine Bühler, am Anfang Ihrer Präsidentinnenschaft des SBLV gingen Sie streiken und auch dieses Jahr, so konnte man lesen, sind Sie am Frauenstreik dabei. Weshalb?
Christine Bühler: Ich will eine Frauensolidarität kultivieren. Dieses Feeling der Frauensolidarität ist mir in den letzten Jahren immer wichtiger geworden.
Was ist heute gegenüber damals anders?
2011 war ein Jubiläumsstreik. Es waren 40 Jahre seit dem Frauenstimmrecht und 30 Jahre seit der Verankerung des Gleichstellungsartikels in der Verfassung vergangen. In meiner ersten Vorstandssitzung als SBLV-Präsidentin beschlossen wir, mit zu streiken. Aus Respekt vor diesen Frauen, die uns diese Rechte erstritten hatten. Ausserdem fanden wir, wir hätten auch noch Anliegen, die nie umgesetzt wurden und könnten so auf sie aufmerksam machen.
Dieses Jahr gehe ich wieder demonstrieren, aber als Christine Bühler und nicht im Namen des SBLV. Mein Beweggrund ist: Man hat zwar viel über die Gleichstellung der Bäuerinnen gesprochen, aber gegangen ist genau nichts.
Zur Person
Christine Bühler (60) ist gelernte Spitexfachfrau und diplomierte Bäuerin. Mit Ihrem Mann Jean-
Pierre Bühler leitet sie in Tavannes BE einen Milchwirtschaftsbetrieb. Bühler ist für den Betriebszweig Pouletmast zuständig.
Das Einkommen wird unter den Ehepartnern gesplittet und die Bäuerin ist sozial abgesichert. Das Ehepaar hat drei erwachsene Töchter. Seit 2011 und bis am 25. April 2019 präsidiert Christine Bühler den SBLV, einer der grössten Frauenverbände der Schweiz.
Auszeichnungen:
- 2018 Agro Star
- 2013 Swiss Women’s Award
Mit der AP 22+ tut sich Einiges im Zusammenhang mit den Rechten der Bäuerin. Wieso treten Sie jetzt zurück, müssten Sie nicht noch bleiben und die Früchte Ihrer Arbeit ernten?
Das Ernten meiner Früchte ist für mich nicht so ein Thema. Ich denke, jetzt ist genau der Zeitpunkt für ein neues Gesicht. Es kommt jemand anders, bringt neuen Wind in die Sache und treibt das Thema auf ihre Art vorwärts. Ein Wechsel ist immer eine Chance. Ich habe alles bestens aufgegleist und kann das Boot verlassen, da es gut in Fahrt ist. Ein ganz wichtiger Punkt für mich ist, dass ich den Verband gut funktionierend übergeben kann, so wie ich ihn übernommen habe.
Was ist Ihrer Meinung nach das absolute Minimum, das für die Bäuerinnen erreicht werden muss mit der AP 22+?
Den Vorschlag des Bundesrats, der in der AP 22+ drin ist, kann man nicht mehr reduzieren. Er ist das absolute Minimum. Er ist nicht das Ende der bäuerlichen Lebensweise, wie einige befürchten. Wenn wir die bäuerliche Lebensweise bewahren wollen, braucht sie einen zeitgemässen Rahmen. Ansonsten wird der Beruf der Bäuerin für junge, gut ausgebildete Frauen so was von unattraktiv. Die werden sich das nicht mehr antun, und ich begreife sie.
Was sehen Sie als Ihren grössten Erfolg in den acht Jahren als SBLV-Präsidentin?
Der ist noch nicht eingetreten (lacht). – Nein ganz ehrlich, am Anfang war meine grösste Sorge, dass ich es nicht schaffe. Vielleicht ist mein grösster Erfolg, dass ich es geschafft habe, den Verband weiterzuentwickeln und wir gegen aussen sichtbarer geworden sind. Mein Tun hat sich wie ein nächstes Glied einer Kette an die Glieder meiner Vorgängerinnen eingefügt. Ich bin stolz, dass die Kette nicht zerriss wegen mir.
Ich habe immer versucht zu sehen, was ist möglich und was nicht. Dort wo ich Möglichkeiten sehe, investiere ich das Maximum an Energie. Wo ich keinen Erfolg sehe, verschwende ich möglichst keine Kräfte.
Eines der grossen Probleme des SBLV ist aus unserer Sicht die fehlende Geschlossenheit der Kantonalsektionen. Warum bringt frau da nicht mehr Disziplin hin?
Die Ungeschlossenheit findet man in allen Verbänden, bei Frauen wie Männern. Klar hätte ich manchmal gern mehr Geschlossenheit. Aber ich wäre wahrscheinlich die Erste, die gegen Entscheidungen von Brugg rebellieren würde (schmunzelt). Manchmal sind andere Meinungen gar nicht schlecht, denn hat man die Andersdenkenden einmal auf die Reihe gebracht, ist die Schlagkraft extrem. An den Präsidentinnenkonferenzen, die viermal pro Jahr stattfinden, kommen die Voten aus den Kantonen jeweils fadengerade. Aber über diese können wir immer diskutieren. Was hingegen weniger schön ist, sind die Voten hinten durch. Aber solche Dinge sind halt menschlich. Ganz wichtig ist, dass wir eine gemeinsame Basis haben.
«Es fehlt uns schlicht an Ressourcen.»
Der Bauernverband geht die politischen Auseinandersetzungen sehr strategisch an, das SBLV-Vorgehen scheint da weniger ausgeklügelt. Fehlt es an Erfahrung oder findet frau es einfach zu blöd, so zu agieren?
Zu blöd ist uns das nicht, wir sehen auch, dass das erfolgreich ist. Es fehlt uns schlicht an Ressourcen, und wir sind nicht direkt im Nationalrat vertreten. Aber wer weiss, vielleicht kommt das ja noch. In den letzten Jahren haben wir viel Erfahrung gesammelt, wie man ein Thema durch- oder an die Öffentlichkeit bringt. Ausserdem haben wir gute Kontakte zu Parlamentarierinnen und Parlamentariern, die wir pflegen.
Ich höre immer wieder, dass wir strategisch nicht gut vorgegangen seien. Dann frage ich zurück: Wie hätten wir es denn sonst machen sollen? Eine Antwort kriege ich nie. Man kann noch so gute Strategien aushecken, dass sie auch funktionieren, ist nicht garantiert. Wir müssen einfach mit den Steinen bauen, die wir haben.
«Hauswirtschaft und Emanzipation beissen sich nicht.»
Kürzlich wurde der Tag der Hauswirtschaft zelebriert. Ist es nicht ein bisschen kontraproduktiv, die Hausarbeit abzufeiern, wenn man sich emanzipieren möchte?
Hauswirtschaft und Emanzipation beissen sich meiner Meinung nach nicht. Hauswirtschaft braucht es, ob man emanzipiert ist oder nicht. Es kommt einfach darauf an, wie man die Arbeit unter den Partnern aufteilt. Übrigens habe ich irgendwo gehört oder gelesen, dass die Wirtschaft mehr durch die Erfindung der Waschmaschine revolutioniert wurde als durch die Industrialisierung.
Welchen Misserfolg würden Sie am liebsten vergessen?
Es gab Misserfolge, aber ich will sie nicht vergessen. Ich habe viel aus ihnen gelernt. Man muss einfach damit abschliessen können, sagen: «Jetzt ist fertig und nun schauen wir nach vorn.» Ein Beispiel dafür ist das Projekt Swiss Tavolata. Ich stehe dazu, dass das Projekt, so wie wir es aufziehen wollten, nicht gut kam. Aber es einfach mit einem Knall kaputt gehen lassen, das hätte ich nicht gekonnt. Das Projekt wurde sauber abgeschlossen, der Schaden konnte begrenzt werden, und jetzt geht es in neuer Form weiter. Fakt ist, das Bedürfnis bei Bäuerinnen zu essen, ist da.
Wie hat Ihr Amt Sie persönlich geprägt?
Ich habe viel Selbstsicherheit bekommen. Ich sagte mir: Das ist dein Amt, du musst das nicht als Christine Bühler machen, sondern deine Rolle als SBLV-Präsidentin einnehmen. Häufig war ich ungefragt Kommentaren ausgesetzt zu meinen Kleidern oder meiner Art zu leben. Ich habe gelernt, das auszuhalten und dem kein Gewicht beizumessen.
Was bedeutet Ihnen die Auszeichnung Agro Star 2018?
Diese Auszeichnung ist mir sehr wichtig. Sie steht bei mir zu Hause. Ich habe sie für meine Arbeit für die Bäuerinnen bekommen. Es berührt mich sehr, dass auch in anderen Kreisen anerkannt wurde, dass die Frauen eine ganz wichtige Rolle innehaben. Beispielsweise die Bäuerinnen als Botschafterinnen für unsere Produkte vom Feld bis auf den Teller. Ich denke, ich habe den Preis stellvertretend für alle Frauen in der Landwirtschaft bekommen.
Was machen Sie mit all der freien Zeit, die Sie zukünftig haben werden?
Bis Ende 2020 bin ich noch verplant. Wir übergeben den Betrieb ausserhalb der Familie und ziehen um. Mein Mann wird dann unseren Betrieb 42 Jahre lang geführt haben. Das ist kein ganz einfacher Ablösungsprozess für uns. Diesen Herbst kandidiere ich für den Nationalrat und ich verbringe gerne Zeit mit meinen Enkeln. Ich will sie kennen und eine Beziehung mit ihnen haben. Die Momente mit ihnen geniesse ich sehr.
Wie gerade erwähnt, kandidieren Sie für die BDP für den Nationalrat. Was möchten Sie in diesem Amt bewirken?
Es wäre eine Weiterführung meiner jetzigen Arbeit. Einerseits die ganze Arbeit für die Frauen- und Familienpolitik. Damit Frauen – nicht nur Bäuerinnen, sondern Frauen im Allgemeinen – Anerkennung für ihre Arbeit bekommen. Andererseits liegt mir die Landwirtschaft, mit ihrer wichtigen Rolle im Zusammenhang mit dem Klimaschutz, am Herzen. Unlängst konnte man lesen, wie viele Millionen Tonnen Weizen weltweit dieses Jahr weniger geerntet werden; dies als Folge der letztjährigen Trockenheit. Für mich wäre der grösste Horror, wenn es plötzlich zu einem Verteilungskampf käme.
Als Mittepartei-Politikerin setze ich mich ein für Konsens und Lösungen, denn Konsens ist langlebig und Lösungen findet man immer in der Mitte.
Was wünschen Sie dem Bäuerinnen- und Landfrauenverband für die Zukunft?
Einen Sechser im Lotto (lacht herzhaft). Damit meine Kolleginnen Ressourcen beschaffen können für ihre wirklich gute Arbeit.
Welchen persönlichen Wunsch möchten Sie sich erfüllen?
Ich will zusammen mit meinem Mann Jean-Pierre mit der transsibirischen Eisenbahn fahren. Wirklich die ganze Strecke mit dem Zug. Zu Hause abfahren bis nach Wladiwostok. Diese Reise und die Weite Russlands sollen helfen, dass uns die Ablösung vom Betrieb einfacher fällt.