Weil es sich industriell gut verarbeiten lässt, ist Fichtenholz nach wie vor das beliebteste Bauholz. Dennoch geniesst die Fichte im Mittelland einen schlechten Ruf. Trockenheit und Hitze setzen ihr zu und machen sie anfällig auf den Befall mit dem Borkenkäfer. Zunehmend häufigere und heftiger werdende Stürme schlagen Schneisen in die grossen und geschwächten Fichtenbestände. Sie hinterlassen Unmengen von Sturmholz, das auf dem Markt nicht zu einem kostendeckenden Preis abgesetzt werden kann. Zwar reagieren öffentliche wie private Waldbesitzer auf diese Entwicklung und setzen bei Wiederaufforstungen auf andere Sorten als auf die Rottanne. Doch so mir nicht dir nicht lässt sich die Fichte nicht aus unseren Wäldern verdängen. Zumindest nicht im Thurgauer Forstrevier Wellenberg.
Noch nicht am Ziel
Das zeigte sich auf einer Begehung beim Forsthof Egg in Thundorf auf einer Höhe von 540 Metern. Revierförster Max Brenner präsentierte eine Schneise, die das Sturmtief Lothar Ende Dezember 1999 geschlagen hatte. Trotz der Bemühung, andere Arten nachzuziehen, dominieren Fichten und Weisstannen das Bild. «Eichen haben Mühe, sich durchzusetzen», konstatiert Max Brenner. Man sei mit dem Umbau des Waldes noch nicht so weit, wie man sich das wünsche. Das gleiche Bild präsentiert sich bei einem Saumschlag zur Verjüngung des Waldes entlang eines Waldweges. «Fichten und Tannen kommen als erste», stellt Brenner fest. Laubholzarten wie Ahorn, Kirschen und Eichen würden einen menschlichen Schutz benötigen, um sich zu behaupten. «Wenn dieser fehlt, gibt es wieder einen Nadelwald.»
Anteil von 70 Prozent
Die Fichte war bis etwa zum Jahr 1960 mit einem Anteil von 70 Prozent die wichtigste Baumart in den Wäldern des Mittellands. Bei der letzten Erhebung im Jahr 2007 lag deren Anteil im öffentlichen Wald des Thurgaus lediglich noch bei knapp 40 Prozent. Bei der industriellen Verarbeitung ist sie aber noch immer die Nummer 1.
Max Brenner gibt der Fichte denn auch mit Blick auf die Zukunft gute Überlebenschancen. «Trotz Pilzen, Stürmen, Käfern und den Einflüssen des Menschen»: Zumindest auf einer Höhe von über 600 Metern werde die Fichte noch lange präsent sein und das Bild des Waldes prägen, sagt der Revierförster. Aber auch ein Blick zurück in die Vergangenheit zeigt: Die Fichte dürfte das Bild der Thurgauer Wälder stärker geprägt haben, als gemeinhin angenommen wird. Diesen Schluss legen zumindest dendrochronologische Untersuchungen nahe, die das Thurgauer Amt für Archäologie gegenwärtig in Zusammenarbeit mit dem Thurgauer Forstdienst durchführt. Bei diesen Untersuchungen werden die Jahrringbreiten von Holz genauestens ausgemessen.
Erstaunlicher Befund
Die dendrochronologische Analyse der Jahrringe lässt etwa Rückschlüsse auf die klimatischen Bedingungen während des Wachstums des Holzes zu, aber auch auf Faktoren wie die Art und die Intensität der Waldbewirtschaftung. Die dendrochronologische Analyse von 122 historischen Gebäuden im Thurgau über einen Zeitraum von 1000 Jahren ergab einen erstaunlichen Befund: Auch in einer weit zurückliegenden Vergangenheit wurde weitaus am meisten Fichtenholz verbaut, gefolgt von Eichen-, Weisstannen und Föhrenholz.
Die Fichte ist in der Schweiz vor allem in den Voralpen und Alpen in natürlichen Beständen heimisch. Die Bestände im Mittelland wurden erst im Laufe des 19. Jahrhunderts von Menschen gepflanzt. Dies, weil die Wälder wegen der Nutzung des Holzes zum Heizen aber auch als Baumaterial völlig übernutzt waren. Dies widerspiegelt auch ein anderer Befund der dendrochronologischen Untersuchungen: Währen Fichten heutzutage nach einer Umtriebszeit von 80 bis 100 Jahren genutzt wurden, war dies in früheren Jahrhunderten bereits nach 40 bis 60 Jahren der Fall.