Andreas Maag von der Maagfarm in Wyssachen BE lacht uns vom Plakat zu. Sein Enkel sitzt auf seinen Schultern. Auch er grinst fröhlich in die Kamera. Der Schweizer Bauernverband zeigt in seiner Werbekampagne «Schweizer Bauern. Von hier, von Herzen» Bäuerinnen und Bauern mit ihren Produkten und ihren Einstellungen zur Landwirtschaft. So wird Andreas Maag zitiert: «Ich trage immer viel Verantwortung. Auch für die nächste Generation». Der Bevölkerung wird ein fast romantisches Bild der Schweizer Landwirtschaft präsentiert. Doch der Schein trügt. «Bevor das Foto gemacht wurde, hatten mein Enkel und ich das Heu noch nicht auf der gleichen Bühne», sagt Maag im Gespräch. Das Aneinandergewöhnen brauchte eine gewisse Zeit. Denn als die Familie seines Sohnes, Markus Maag, 2017 auf den Betrieb zog, kannten sich Enkel und Grossvater nicht so gut.

Seit Markus Maag den Betrieb übernommen hat, veränderte sich vieles für Andreas Maag. Der Wechsel passierte früher als ursprünglich geplant und ohne viel darüber zu sprechen. Bevor die junge Familie ins Bauernhaus zog, entsorgte Maag tonnenweise Material inklusive der Buchhaltung von 64 Jahren. Dann richtete er sich mit seiner Frau Ruth im Stöckli ein.

Alles muss in Kopf und Herzen geschiehen

Die Entfernung des Stöcklis zum Bauernhaus führte zu einer Distanz zwischen Andreas Maag und der Familie des Sohnes. Auch die Wünsche der jungen Familie waren für Maag Senior nicht immer einfach zu verstehen. So war es schwierig zu akzeptieren, dass ihm und seiner Frau kein Wohnrecht im Stöckli zugestanden wurde. «Im Nachhinein ergibt aber vieles Sinn», meint Maag. Heute begreift er, dass es für die Familie von Markus Maag eine Absicherung brauchte, für den Fall, dass es zu Unstimmigkeiten kommen sollte.

Andreas Maag selbst hatte das Zusammenleben der Generationen auch zuvor schon als schwierig erlebt. Als er heiratete, zogen er und seine Frau zu seinen Eltern und Geschwistern ins Bauernhaus. Das Paar bewohnte nur zwei Zimmer. Seiner Frau Ruth fiel es damals nicht leicht, sich einzuleben. Nicht nur die Wohnverhältnisse waren schwierig. Andreas Maags Mutter tat sich schwer mit seiner Frau – einer Krankenschwester – die sich an das Leben auf dem Schürliacker gewöhnen musste. Das führte zu Situationen, in denen er zwischen seiner Familie und seiner Frau stand. Obwohl manchmal wichtige Arbeiten, wie die Kartoffelernte, anstanden, musste er «seiner Frau beistehen» und die Kartoffeln warten lassen.

«Wir hatten das Heu nicht auf der gleichen Bühne.»

Andreas Maag, Gesicht der Werbekampagne des Bauernverbandes.

Heute betrachtet er solche Situationen als Lebensschule. Er ist überzeugt: «Die Übergabe muss in Kopf und Herzen passieren.» Den Betrieb hat er eigentlich nie als sein Eigentum angesehen. Vielmehr verstand er ihn als etwas, dass er für eine gewisse Zeit so gut wie möglich bewirtschaften und leiten durfte, um ihn dann an die nächste Generation weiterzugeben. Diese Einstellung half ihm auch beim Wechsel vom Betriebsleiter zum Angestellten.

Auch wenn die neue Generation andere Entscheidungen trifft, oder mehr Wert auf Freizeit legt als er damals, weiss er, dass auch sie versuchen wird, das Beste für den Betrieb und die Familie zu machen. Ausserdem ist ihm auch eine Last von den Schultern gefallen. Die Verantwortung abzugeben sei eine grosse Erleichterung gewesen, findet Maag heute.

Ferien als hilfreicher Schnitt

Nachdem die Übergabe vorbei war, fuhren Andreas Maag und seine Frau als erstes für einen Monat nach Südfrankreich in die Ferien. Die Abreise zögerte sich hinaus. Am geplanten Tag musste seine Frau noch an eine Beerdigung, ein neuer Enkel durfte noch besucht werden, und dann gab es im Seelisbergtunnel auch noch einen Unfall. Schliesslich kamen Maags doch noch am Abend um zehn im Tessin an. Dann ging es etappenweise weiter bis nach Cavalaire-sur-Mer (F). «Dort habe ich zum ersten Mal in meinem Leben im Meer gebadet», erzählt Maag. Die Ferien waren wie ein Schnitt zwischen seinem Leben vor der Übergabe und dem danach. Das half ihm und der Familie.

Das Plakat kann nur ein Teil der Realität zeigen

Heute, zweieinhalb Jahre nach der Übergabe, scheint Andreas Maag zufrieden zu sein. Die Beziehung zwischen ihm und seinen Enkeln ist enger geworden. Anfängliche Probleme haben sich gelöst. Das Plakat zeigt denn auch eine Vertrautheit zwischen Maag und seinem Enkel, die er zuvor nicht so empfunden hatte.

«Im Nachhinein ergibt vieles Sinn.»

Andreas Maag über das Zusammenleben von Generationen.

Ob die Kampagne allerdings die ganze Realität widerspiegle, ist sich Maag nicht so sicher. Sie zeige eine Idylle, die zwar existiere. Was sie nicht zeige, ist die harte Arbeit, die auch Teil der Landwirtschaft sei. Das Plakat wie auch der Film, der auf der Webseite des Bauernverbandes zu sehen ist, präsentiere nur das Schöne. Die Leute sehen, dass der Enkel sich einen neuen Traktor wünscht. Sie sehen die vielen Maschinen, Gebäude und das Land, das die Bauern besitzen, und schliessen daraus, dass sie reich seien. Viele Menschen seien der Landwirtschaft gegenüber deshalb eher negativ eingestellt, meint Maag. Eine Lösung für dieses Problem hat er zwar nicht, trotzdem kann er der Kampagne auch Positives abgewinnen: Für seinen Sohn ist es Werbung für den Betrieb und das zugehörige Ferienhaus und Andreas Maag selbst freut sich, wenn die Menschen ihn auf das Plakat ansprechen.

Die Zusammenarbeit ist ein Geschenk

Auch hat Andreas Maag das Bestmögliche an die nächste Generation weitergegeben, seine Verantwortung wahrgenommen. Was das Plakat des Bauernverbandes zeigt, stimmt also doch.

Es ist ihm auch jetzt noch wichtig dort anzupacken, wo es nötig und gewünscht ist, sein Wissen und Können weiterzugeben und so die Jungen zu unterstützen; auch wenn er bald pensioniert wird. «Das ist ein Geschenk», sagt Maag immer wieder. Er meint, dass sich alles so zusammenfügt, wie es sollte, dass man einander hilft, dass man sich versteht. Diese positive Einstellung hängt auch mit seinem Glauben an Gott zusammen. Der Glaube gibt ihm die Sicherheit, dass alles «gut war und gut wird». Er schaffe für die ganze Familie eine gemeinsame Basis. So möchte er auch weiterhin im Betrieb mitarbeiten. Im Moment wird der Stall umgebaut und seine Hilfe ist gefragt.

In Zukunft wird die Arbeit aber leichter. Sein Sohn, Markus Maag, hat gerade die Milchkühe verkauft und ist dabei, einen Mutterkuhbetrieb aufzubauen. Das ermöglicht ihm auswärts zu arbeiten und Maag muss nicht mehr melken.

Langweilig wird es ihm aber trotzdem nicht: Er hat viele Projekte und will sich endlich mehr Freizeit zu gönnen. Er möchte mit seiner Frau mehr unternehmen und in die Ferien fahren. «Solche Dinge sollte man nicht aufschieben».