In Europa wird derzeit das sogenannte «On Farm Hatching» propagiert: Schlüpfen der Küken direkt im Pouletmast-Stall. Derweil geht die Diskussion in der Schweiz in eine andere Richtung. Vor dem Hintergrund der Massentierhaltungs-Initiative will man vermehrt mit halbextensiven Broilern arbeiten.

Coop hält mit seinem Naturafarm-Poulet bereits einen Marktanteil von 8 %. Migros hat ihr Terra-Suisse-Poulet 2012 «aufgrund der fehlenden Nachfrage sowie Zahlungsbereitschaft» aufgegeben, so Sprecher Roland Pfister.

Grosses Interesse bei IP-Suisse

Möglicherweise entsteht hier bald Bewegung. «Produktion und Verkauf von nachhaltig produziertem Fleisch mit hohen Tierwohlstandards liegt uns am Herzen», sagt Pfister, «die Prüfung der Möglichkeiten im Markt gehört daher zum Tagesgeschäft.»

Das ist zwar noch keine Zusage, aber es würde nicht erstaunen, wenn Migros bald wieder halbextensive Poulets im Sortiment hätte, da auch der Labelpartner IP-Suisse Druck in diese Richtung macht. «Wir haben sehr hohes Interesse, diese Poulets zu liefern», bestätigt Geschäftsführer Fritz Rothen. Auch andere Abnehmer seien sehr interessiert.

Wir haben Ruedi Zweifel, Direktor des Aviforum in Zollikofen gefragt, in welche Richtung die Schweizer Pouletmast geht und ob das «On Farm Hatching» auch für Schweizer Produzenten sinnvoll wäre.

Ist «On farm hatching» auch hierzulande sinnvoll?

Ruedi Zweifel: Das System ist in der Schweiz bekannt, aber es gibt verschiedene Gründe, die nicht dafür sprechen. Das erste und wichtigste Argument ist, dass wir mit dem Standardbroiler schon jetzt am Limit sind, dass die Tiere am 31. Tag nicht zu schwer sind für die Verwendung als ganze Poulets. Diese Mindestlebensdauer ist im BTS-Programm vorgegeben, die wollen wir einhalten.  Zweites Argument ist, dass die Investitionen für Schweizer Verhältnisse zu hoch sind.  Die wirtschaftliche Tragbarkeit ist nicht gegeben. Unsere Branchenmitglieder gehen eher in die Richtung, die Aufzucht von halbextensiven Broilern zu prüfen.    

Was heisst halbextensiv?

Bei halbextensiven Hybriden ist in der Regel ein Kreuzungspartner auf Robustheit und langsameres Wachstum ausgewählt – womit sich die Mastdauer um rund 15 bis 20 Prozent verlängert. Dadurch hat das Tier jedoch auch mehr Futter gefressen und bleibt länger im Stall, was das Produkt bis zu 50 Prozent verteuern kann im Verkaufsregal. Das funktioniert aktuell bei den Kunden von Coop Naturafarm und Bio gut. Andere machen sich auch Überlegungen dazu.

Für «On farm hatching» sehen Sie also keinen Platz?

Aus meiner Optik und so, wie ich unsere Konsumenten und Produzenten kenne, eher nicht. Einer der «Return on Investments» von «On farm hatching» ist ja, dass das Küken direkt im Stall auf die Welt kommt und damit keinen Transport und keine Einstallung erlebt, womit es ungefähr einen Tag Mastdauer gewinnt. Aber das ist bei uns eben kein Ziel. Das könnte eher als Negativpunkt interpretiert werden.

Aber der mögliche Verzicht auf Transport und Antibiotikaeinsatz wäre kein Argument?

Präventiver Antibiotika-Einsatz ist bei uns schon lange kein Thema mehr, im europäischen Vergleich sind wir in dieser Hinsicht mit der guten Herstellungspraxis schon weit fortgeschritten.  Aber die europäischen Produzenten sind natürlich in einem ganz anderen Schema. Dank unseren überblickbaren Beständen und kurzen Transportwegen sowie den hohen Hygienestandards sind wir hier weniger betroffen.

Treibt Ihr die Sache mit den halbextensiven Broilern voran?

In der Diskussion um die Produktion mit Nutztieren und die Massentierhaltungs-Initiative werden noch viele Argumente auf den Tisch kommen. Wir müssen heute einen Stimmbürger informieren, der sehr viele Vorinformationen hat, die weit entfernt sind von der Realität. Das wird die Aufgabe von uns und unseren Branchenmitgliedern sein und in dieser Frage kann die etwas extensivere Aufzucht eines der Argumente sein, um einen Schritt weiterzukommen.

Aber der Marktanteil ist noch minim oder?

Naturafarm hat immerhin rund 8 Prozent Marktanteil am Schweizer Geflügelfleischkonsum. Es ist das Kundensegment, das Wert auf Freiland, aber nicht zwingend Bio legt. Im Gegensatz zu den Eiern mit einem Bio-Anteil von 18 Prozent haben wir im Geflügelfleisch die Situation, das lediglich rund 2 Prozent als Biopoulet verkauft werden. Eine Hürde ist der mehr als doppelte Preis eines normalen BTS-Poulets.  In dieser Hinsicht könnte die Diskussion «halbextensive Hybriden» an Gewicht gewinnen. Die Verbündeten, die wir im Boot brauchen, sind die Konsumentinnen und Konsumenten. Wir haben schon jetzt für jeden Kundenwunsch das geeignete Produkt im Sortiment, ausser für Nichtfleischesser …  

Migros hat ja mit dem halbextensiven Terra-Suisse-Poulet aufgehört. Könnten Sie sich vorstellen, dass Migros wieder einsteigt?

Wir durften kürzlich für Micarna einen entsprechenden Versuch durchführen.  Damit stehen fundierte Grundlagen für zukünftige Entscheide zur Verfügung. Ich könnte mir vorstellen, dass dieses Thema für eine entsprechende Kundschaft wieder geprüft wird.

Ist «On farm hatching» eigentlich auch ein Thema für die Legehennen-Haltung? 

Das kann dann aktuell werden, wenn die Geschlechtserkennung im Ei den definitiven Durchbruch erlebt. Versuche dazu wurden schon gemacht – was ein Hinweis sein kann, dass dieses Thema auch in der Eierproduktion geprüft wird. Das Problem in diesem Verfahren ist aber, dass jedes einzelne Küken geimpft werden muss, wodurch mit «On farm hatching» dem Landwirt mehr Arbeit aufgebürdet würde.