Lungenentzündungen sind zwar bei Milchkühen oft nicht die Abgangsursache Nummer 1. Meistens trifft die Krankheit dann aber doch jene Tiere, um die es wirklich schade ist, und nicht selten erholen sich die Tiere nicht mehr davon.
Von einigen Tierärzten und Landwirtinnen hört man, dass dieses Jahr besonders viele Lungenentzündungen bei Kühen auftreten. Bei einer kleinen Umfrage unter verschiedenen Tierarztpraxen zeigt sich, dass diese Beobachtung wahrscheinlich regional ist. In der Ostschweiz beispielsweise sind im laufenden Jahr bei Milchkühen nicht mehr Lungenentzündungen als sonst diagnostiziert worden. Die Tierarztpraxis Wyland in Kleinandelfingen ZH lässt verlauten, dass aber bei Mastkälbern und -munis doch mehr Atemwegserkrankungen aufgetreten sind.
Typische Faktorenkrankheit
Die Gründe dafür sind laut der Tierarztpraxis Wyland einerseits beim schlechten, nassfeuchten Wetter zu suchen. Dazu komme teilweise eine schlechte Futterqualität. Wie Prof. Dr. Mireille Meylan, Leiterin der stationären Wiederkäuerklinik an der Vetsuisse-Fakultät Bern, erklärt, ist eine Lungenentzündung eine Faktorenkrankheit. Das bedeutet, dass zwar meistens ein Infektionserreger wie z. B. ein Virus oder ein Bakterium vorhanden ist, Symptome aber nur hervorgerufen werden, wenn die Faktoren Tier und Umwelt dies zulassen. Steht das Tier unter Stress (z. B. bei einem Stallwechsel), ist die Abwehrkraft reduziert und Erreger haben leichteres Spiel. Als bedeutende Umweltfaktoren können in Zusammenhang mit einer Lungenentzündung Zugluft und schlechte Luftqualität genannt werden.
Die Witterung ist vor allem bei Kühen nicht ein Problem im Sinne einer Erkältung wie beim Menschen, zumindest nicht im Sommer in tiefen und mittleren Lagen. «Sie kann aber die Futterqualität, die Stressbelastung der Tiere und auch die Biologie von Parasiten beeinflussen», erläutert Meylan. Auch ein Befall mit Lungenwürmern kann den Weg für bakterielle Keime ebnen. Deshalb sollte die Lungenwurm-Prophylaxe nicht vernachlässigt werden.
Leistungsniveau ist zentral
Lungenentzündungen werden im Stall meistens mit Entzündungshemmern und First-Line-Antibiotika behandelt, wie die Tierarztpraxis Wyland mitteilt. Die Anfälligkeit auf eine Lungenentzündung ist grundsätzlich nicht rassenabhängig. Vielmehr spielt das Leistungsniveau und die damit verbundene Immunabwehr eine zentrale Rolle. «Hochleistungskühe, die immer ‹an der Grenze› sind, stehen allgemein unter einer höheren Stress- und Stoffwechselbelastung und sind anfälligerauf Krankheiten», so Mireille Meylan. Auch dem Zuchtverband Swissherdbook ist keine Rassenabhängigkeit bei der Anfälligkeit auf Lungenentzündungen bekannt. Um dazu Aussagen machen zu können, fehlt die Datengrundlage.