Nothing stays the same – nichts bleibt gleich. Auch nicht unsere Pionierfarm in Kanada und unsere Familie. Im Herbst 1976 waren wir schon 13 Jahre lang in Cecil Lake. Seit zweieinhalb Jahren verkauften wir unsere Milch nach Fort St. John. Die Farm war auf gutem Weg, die Finanzen stimmten jetzt auch. Als 18-Jährige beschloss ich, für ein Jahr meine Schweizer Heimat zu besuchen.
Von Kanada in den Jura
Es ist immer ein Einschnitt in die Familienstrukturen, wenn der oder die Älteste auszieht. Meine Hilfe daheim würde fehlen, in Haus und Hof. Unsere Mutter sagte mir später, meine Geschwister hätten meine Aufgaben nahtlos übernommen. Manchmal muss jemand gehen, damit andere den Platz einnehmen können.
Von Dad bekam ich eine Liste, wen ich alles in der Schweiz besuchen musste. Seine Mutter bot sich als Begleiterin an. Wir tranken Kaffee mit den Tanten Frida und Ida im Emmental, ich strickte meinen ersten Pullover auf den kuscheligen und warmen Ofenbänkli. Ich bin meiner Grossmutter heute noch dankbar für diese kostbaren Begegnungen. In Langenbruck BL, in den Jurabergen, arbeitete ich im Büro einer internationalen Organisation und wanderte an den Wochenenden durch die Schweiz.
Auch ein Bürojob macht müde
Derweil wurde daheim in Kanada gemolken, es wurde Heu gepresst und es wurden Tannen gesägt für ein neues Haus. Ein grosses «Schweizerhaus» sollte es sein. Aus Holz, mit einem geschnitzten Balkon und zwei Wohnungen für Jung und Alt. Dad wollte vorsorgen fürs Alter, wenn er oder Mom alt und schwach würden und der Pflege bedürften. Die Rechnung ist ihm ziemlich aufgegangen: Unsere Eltern lebten lange im Haus zusammen mit meinem Bruder und seiner Familie. Im Alter wurden sie dann im «Andres Haus» umsorgt und gepflegt, das Dad einmal gekauft hatte, eine Meile vom Bauernhaus entfernt.
Aus der Schweiz zurückgekommen, fand ich eine Anstellung im Büro einer grossen Sägerei und wohnte wieder zu Hause. Nach der Arbeit ging es selbstverständlich ans Heuen oder in den Garten. Arbeiten, die mir einen Ausgleich boten für die mentale Anstrengung im Büro. Meine Eltern lernten, dass Büroarbeit wirklich müde machen konnte, etwas, das ihnen vorher unverständlich war.
Eines Tages, Mitte April 1978, kam ich von der Arbeit nach Hause. Vor dem Haus stand ein sogenanntes «Oldsmobile»-Auto mit einem Nummernschild von Pennsylvania in den USA. Unter der Heckscheibe ein Deutsch-Englisch-Wörterbuch. «Sicher Schweizer», dachte ich mir, solche kamen immer wieder mal auf der Farm vorbei. Es waren die Gebrüder Robert und Henry Stamm aus Schleitheim im Kanton Schaffhausen. Sie waren gut bekannt mit unserer Schweizer Familie und hatten unsere Adresse von ihnen bekommen.
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Verliebt, verlobt, verheiratet
Zweieinhalb Wochen später, als die zwei weiterzogen, waren Robert und ich befreundet. Ein Jahr später, am 4. Mai 1979, heirateten wir zivil in der Schweiz und am 9. Juni kirchlich in Cecil Lake. Das Pioniergirl zog schliesslich als Bäuerin auf den Emmerhof, den gemischten Betrieb der Familie Stamm.
Diese erste Hochzeit war für unsere Familie ein grosser Event. Die kirchliche Feier fand in der kleinen Blockkirche St. Matthews in Cecil Lake statt, wie ich es mir immer erträumt hatte. Für den Apéro hatten Roberts Schwester Elsbeth und ich «Schlaatemer Rickli» gebacken, wie es für eine Schleitheimer Bauernhochzeit gang und gäbe war.
Wären Schleitheimer dabei gewesen, hätte ihnen der Puderzucker darauf gefehlt. Sie waren auch nicht ganz so mürbe wie jene, welche Roberts Mutter zu backen pflegte. Sie taugten dafür gut zum Rühren vom Kaffee, da die Löffel dazu vergessen gingen. Die Kirchenbesucher waren alle begeistert davon.
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Viel neuer Komfort
Robert und ich halfen noch, das Fundament für das neue Haus zu bauen. Wie damals beim Stallneubau 1973 kamen immer wieder die richtigen Menschen zur richtigen Zeit zum Helfen. Ein Schweizer Schreiner wusste die Holzbalken für die Diele so zu zimmern, wie es sich Dad wünschte.
Nach anderthalb Jahren Bauzeit konnte Mom zum ersten Mal in Cecil Lake heisses Wasser zum Abwaschen aus dem Hahn lassen. Vieles war nun neu: Duschen im Haus, Zentralheizung, jedes Kind hatte ein eigenes Zimmer; unten und oben im Haus ein Badezimmer. Welch ein Luxus!
In der letzten Nacht, die meine Eltern noch im alten Häuschen verbrachten, klingelte das Telefon. Sie waren Grosseltern geworden. Unser erster Sohn Mike kam am 3. September 1980 zur Welt. Im neuen Haus war das Telefon noch nicht angeschlossen.
Mit Holz schmeckts besser
Ein Holzherd musste ins neue Haus. In der modernen Küche stand ein elektrischer Herd, aber das Brot schmeckte einfach besser aus dem Holzofen. An kalten Morgen wurde die Rösti darauf gebraten. Wir waren wohl schon länger in Kanada, aber für Dad gehörten Rösti und Kaffee weiterhin zum Zmorge.
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Als er älter wurde und Zeit dazu hatte, machte er die Rösti oft selbst. Die gemütliche Wärme strahlte in die Wohnküche mit der Eckbank und dem Holztisch, gezimmert von Harry Wuthrich, einem Schweiz-Kanadier. Der Tisch mit Eckbank steht heute bei einer Enkelin, der es wichtig ist, dass die Grossfamilie immer noch daran Platz nehmen kann.
Das neue Haus war stattlich und heimelig, wie es Dad sich erträumt hatte. Dem Gästebuch zu entnehmen, war es ein Haus, dem Besuch behagte. Durchziehende Schweizer, Freunde aus aller Welt, Nachbarn, Missionare. Später die eigenen Kinder mit ihren Familien. Zum Beispiel wir aus der Schweiz.