Wieder ist ein langer Winter vorbei. Mit dem ersten zaghaften Grün Ende April kam jeweils eine Menge Arbeit auf meine Eltern zu. Felder mussten bereitgestellt und gesät werden.

Kostbare Frühlingstage nutzen

In «unserem» Teil von Kanada wird das gesamte Getreide im Mai gesät und dann im Herbst geerntet. Die Zeit war kostbar – uns erzählte ein Nachbar einmal: «Jeder Tag später im Frühjahr ist eine Woche später im Herbst.» Gut sind die Tage schon länger!

Zum Bereitstellen der Felder gehörte in den ersten Jahren immer das Auflesen der Wurzeln und Steine auf frisch gerodeten Feldern. Von dieser Arbeit schrieb ich schon in einem früheren Bericht. Unsere Farm war ja erst im Aufbau. Der grössere Teil des Landes war noch Buschland. Immer wieder wurde ein Stück davon gerodet, um mehr Weide für die Kühe und Fläche für Getreide zur Verfügung zu haben.

Der Vater hadert mit den Maschinen

Für meinen Vater waren Maschinen eher ein notwendiges Übel. Viel lieber wäre er hinter einem Pferd hergelaufen, als auf einem Traktor gesessen. Aber das geht halt nicht, wenn man in Kanada eine grössere Farm aufbauen möchte.

Unsere Maschinen in den ersten Jahren waren alte, einfache Modelle, wir konnten uns nichts Besseres leisten. Ohne Stanley Kemp, der nur einen Kilometer weit weg wohnte und fast jede Maschine, egal, wie alt, wieder «heilen» konnte, wäre Dad aufgeschmissen gewesen.

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In einem Frühjahr zerbrach etwas am Traktor im Getriebe, die Dreipunkthebevorrichtung funktionierte nicht mehr. Dad musste zum Händler in die Stadt, ein Ersatzteil musste bestellt werden. Es würde eine Woche dauern, das Teil komme aus England, sagte der junge Mann im blauen Kittel hinter der Theke. Dabei hätte Dad es dringend «heute» haben sollen!

Eine Woche später ging er nochmals vorbei. Nichts da. Da stellte es sich heraus, dass der junge Mann es gar nicht bestellt hatte. «Er hat mich überhaupt nicht verstanden», erzählte Dad erzürnt. Dads Englisch war halt mit seinem Emmentaler Akzent auch nach 50 Jahren für viele schwer zu verstehen. «Ja nu» – das Teil kam dann irgendwann doch noch an.

Die junge Marianne war keine gute Melkerin

Dad fand, dass meine Schwester Barbara und ich das Handmelken lernen könnten. Wir hatten eine junge Kuh, die Lucy, die hielt sich geduldig still bei unseren ersten Versuchen.

Obwohl meine Hände heute noch automatisch die Melkstellung einnehmen können, war ich nie eine gute Melkerin. Meine Schwester Barbara dafür umso mehr. So wurden die Rollen aufgeteilt. Sie ging in den Stall, ich in den Haushalt (und später auf den Traktor). Das war uns beiden recht.

Aber ganz befreit vom Stall war ich nicht: Da war immer noch das Kälbertränken. Manchmal stampfte ich schimpfend den ganzen Weg zum Stall.

Wunsch nach einem Pferd

Barbara bettelte bei Dad immer wieder wegen eines Pferdes. Dass wir keines bekamen, war sicher eine Frage des Geldes, lag aber auch die Tatsache, dass ein Pferd Pflege benötigt. Dad war seinerzeit in der Schweizer Armee beim Train und wusste genau, was das bedeuten würde. «Gut», dachten wir uns, «wenn nicht Pferde, dann Kälber.»

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Die älteren Kälber verbrachten die Sommermonate auf der kleinen Weide beim Haus. Wir Kinder spielten oft mit ihnen, besonders Barbara. «Die Kühe waren meine Freunde und ich verbrachte viel Zeit mit den Kälbern», schrieb mir Barbara kürzlich. «Ich gab ihnen Namen und lehrte sie, am Zaum zu gehen.» Die Halfter flochten wir aus Strohballenschnüren.

Aufsitzen und hopp!

Wir hatten noch nie von Kuhreiten gehört, aber wie man auf dem Foto sieht, ist es uns recht gut gelungen, unsere Kälber zu Pferden zu erziehen. Barbara brachte eine junge Rotfleck-Kuh, das Zinli, so weit, dass sie mit ihr sogar kurze Ausritte machen konnte.

Doch das Zureiten hatte seine Tücken: Der Zaun um die Weide war aus Stacheldraht. Ich trug neue Hosen (was Mom sicher verboten hätte) und sass auf einem der Rindli. Dieses wollte mich loswerden und rannte mit mir den Stacheldraht entlang. Meine Schwester Maya versuchte dann, die gerissene Hose zu flicken, damit Mom es nicht merken würde – was natürlich nicht gelang.

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Irgendjemand ermutigte Barbara, ihr Kalb an der Viehschau am North Pine Fall Fair (eine Art Herbstmesse mit Tierausstellungen) vorzuführen. Das war immer eine grosse Aufregung. Hier kamen alle Farmer, Rancher und viele von der Stadt zusammen – wie hier in der Schweiz auch. Barbara brachte über die Jahre einiges an Medaillen nach Hause.

Endlich neue Technik

Als die Farm langsam wirtschaftlicher wurde, wurde auch das Melken einfacher. 1969, da waren es um die 20 Kühe, kam die erste Melkmaschine. Obwohl, so von wegen einfacher: Barbara meinte, dass sie 1971 nicht weniger als 42 Kühe allein gemolken habe. Da war sie gut zwölf Jahre alt!

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Das kam sicher selten vor, wahrscheinlich waren unsere Eltern da noch auf dem Feld. Trotz der harten Arbeit sind sechs von uns sieben Kindern immer noch stark mit der Landwirtschaft verbunden. Die Arbeit hat uns als Familie auch zusammengeschweisst.

1974 wurde dann der Melkstand gebaut, so musste man die Milchkessel nicht so weit schleppen. Diese wurden noch eine Zeit lang in den Milchtank geleert, dafür musste man eine kleine Treppe hochsteigen mit den schweren Eimern. Dann kam endlich die Absaugleitung. Welche Erleichterung für die Rücken!