In den Seminarräumen des Hotels Arte in Olten SO herrscht eine prüfungsähnliche Stimmung. Jedermann sitzt an seinem eigenen Tisch, es wird nicht gesprochen – wenn dann nur still und leise – bevor die Referenten das Wort ergreifen.

Abstandhalten im Hotel

Seit vergangenen Samstag dürfen öffentliche Veranstaltungen bis zu 300 Personen wieder stattfinden. Um die Schutzmassnahmen einhalten zu können, musste die Agridea am Montag ihre Weiterbildung zum Thema «Humus als Chance für das Klima» in das Konferenzzentrum des Hotel Arte verlegen. In einem weitläufigen Raum konnten über 60 Teilnehmer hauptsächlich von Bildungs-, Beratungs- und Forschungszentren, Hochschulen und Verbänden mit grossem Abstand zueinander Platz finden.

CO2-Senken werden neu beurteilt

Das Thema Klima und Humus ist in den Medien derzeit sehr präsent. Denn der Bundesrat hat vergangenen Sommer entschieden, dass die Schweiz ab 2050 keine Treibhausgase mehr ausstossen soll. Bisher sind Kohlenstoffsenken mit Ausnahme von Wertholz von der CO2-Kompensation ausgeschlossen. Weitere potenzielle Senken dürften aber mit dem bundesrätlichen Ziel neu beurteilt werden. Welche Rolle dabei die landwirtschaftlichen Böden als CO2-Senke spielen, beantworteten die Experten am Weiterbildungstag.

Humus ist ein guter Kohlenstoffbinder

Kohlenstoff aus der Atmosphäre wird durch Fotosynthese in den Pflanzen gebunden. Über Pflanzenreste oder organische Dünger gelangt dieser in den Boden und wird von den Bodenorganismen abgebaut. «Ein Teil des Kohlenstoffs wird so wieder in die Atmosphäre zurückgeführt und ist deshalb meist nur temporär gespeichert», weiss Peter Weisskopf von der Agroscope. Wie kann also Kohlenstoff länger im Boden gebunden werden? Hier spielt Humus eine wichtige Rolle. Humus ist als sogenannte organische Bodensubstanz ein wichtiger Kohlenstoffspeicher. Der Humusgehalt sowie sein Kohlenstoff-Vorrat im Boden sind aber stark abhängig von naturgegebenen Standortfaktoren – tonige Böden haben beispielsweise einen höheren Humusgehalt und somit ein höheres CO2-Sequestrierungspotenzial als sandige Böden. Durch Bindung an Tonteilchen wird die organische Substanz vor dem Abbau geschützt.

Bewirtschaftung beeinflusst Humus- und Kohlenstoffgehalt

Zum anderen beeinflusst die Bewirtschaftung der Ackerböden den Humusgehalt, weiss Andreas Chervet von der Fachstelle Bodenschutz des Kanton Bern. Jede ganzflächige und intensive Bodenbearbeitung ist mit einem Humusverlust verbunden, weil durch die Bearbeitung die organische Substanz wegen der erhöhten Sauerstoffzufuhr von den Bodenorganismen durchs Vermischen leichter abgebaut wird. Durch eine permanente Direktsaat oder auf Dauergrünlandflächen wird auf jegliche Bearbeitung verzichtet. Damit erhöht sich der Humusgehalt in der obersten Bodenschicht wieder. Auch über die Fruchtfolge kann Kohlenstoff im Boden angereichert werden. Je mehr ober- und unterirdisches Pflanzenmaterial produziert wird und auf dem Feld verbleibt, desto mehr Humus kann gebildet werden.

Ackerboden sollte ganzjährig bewachsen sein

«Der Ackerboden sollte deshalb möglichst ganzjährig von lebenden Pflanzen bewachsen sein», so Chervet. Für den Landwirt bedeutet dies: keine langen Bracheperioden, frühe Saat, winterharte Gründüngungen, Zwischenfrüchte und Weidehaltung. Zudem wirken sich organische Dünger wie Mistkompost, Grüngutkompost und festes Gärgut positiv auf den Humusgehalt aus bzw. auf den Kohlenstoff-Vorrat im Boden aus, stellt Chervet fest. In einem biodynamischen Anbausystem, wo nur organischer Dünger eingesetzt wird, konnte eine Zunahme von 106 kg Kohlenstoff pro Hektar und Jahr festgestellt werden, erzählt Andreas Fliessbach vom FiBL. Mit der mineralischen Düngung sollte man bedacht umgehen. Sie ist zwar gut für das Pflanzenwachstum und trägt durch den grösseren Anfall von organischer Substanz zum Humusaufbau bei. Fliessbach ist sich aber sicher, dass bei einer ausschliesslich mineralischen Düngung das Risiko eines Futtermangels im Boden besteht. Bodenorganismen würden deshalb auf Humus zurückgreifen und diesen abbauen.

Pflanzenkohle als CO2-Senke einbringen

Gibt es Möglichkeiten Kohlenstoff schneller in den Boden einzubringen? Mit Pflanzenkohle wäre das möglich, erklärt Jens Leifeld von der Agroscope. Dabei würden schon kleine Mengen ausreichen, die kontinuierlich eingebracht werden. Zudem sei sie sehr abbauresistent, heisst, sie verbleibt länger im Boden. Nachweisen lässt sich Pflanzenkohle allerdings nur schwierig. Das gilt auch für Humus, da der Aufbau ein langwieriger Prozess ist.

Zertifizierung für Humusprojekte?

Das macht die Zertifizierung von Massnahmen zur Förderung von Humus anspruchsvoll, weil man von Anfang nicht genau weiss, wie viel Humus im betrachteten Boden vorliegt, sagt Claudio Kummli von der First Climate Switzerland AG. Kummli erachtet es deshalb für unwahrscheinlich, dass Humusprojekte nach 2020 durch das Bundesamt für Umwelt zertifiziert werden könnten. Er gibt aber auch zu bedenken, dass das klimapolitische Umfeld zurzeit sehr dynamisch sei und es interessant sein wird zu sehen, wie die klimapolitische Diskussion zum CO2-Gesetz auf Verordnungsstufe umgesetzt wird.

Anders sei es mit Pflanzenkohle. «Sie kann zuerst im Labor untersucht werden. Danach ist nachvollziehbar, wie viel Kohlenstoff stabil in den Boden gebracht wird», sagt er. Unter anderem sei deshalb Pflanzenkohle für die Zertifizierung gut geeignet. Die First Climate Switzerland AG hat deshalb ein Programm zur Förderung von Pflanzenkohle entwickelt und auf dem freiwilligen Markt registriert.