In der Nacht zum 22. Januar brannte in Cortébert BE ein Stall mitsamt Wohnhaus komplett nieder. 50 Rinder kamen in den Flammen ums Leben. Der abgebrannte Bauernhof gehört der Familie Wüthrich.
Mutter Christine führte den Hof gemeinsam mit ihrem ältesten Sohn André. Jetzt liegt alles in Schutt und Asche. Immerhin 60 Tiere konnten noch rechtzeitig gerettet werden. Die fünfköpfige Familie bleibt unverletzt.
Heftige Vorwürfe
Seit 14 Tagen hat die Familie eine Anzeige am Hals. Der Absender ist die Tierrechtsorganisation Peta. Sie wirft der Familie Wüthrich vor, keine ausreichenden Brandschutzmassnahmen ergriffen zu haben. Man hätte in Kauf genommen, «dass die Rinder qualvoll im Feuer ersticken oder bei vollem Bewusstsein verbrennen», resümiert Peta in Ferndiagnose. Kein Aktivist hat je einen Fuss auf den Hof in Cortébert gesetzt.
Die Empörung über die Anzeige ist riesig. Über 22 000 Personen haben eine Online-Petition unterzeichnet, um die Anzeige zu stoppen. Aber Peta denkt nicht dran, die Anzeige zurückzunehmen. «Wir werden an unseren Kritikpunkten festhalten und für die Rechte der Tiere einstehen», sagt Peta-Mitglied Ilana Bollag.
Die Anzeige zielt insbesondere auf Artikel 26 des Tierschutzgesetztes ab. Darin geht es um die Strafbestimmungen bei Tierquälerei. Es bestehe der Verdacht, schreibt Bollag weiter, dass die Würde der Tiere aufgrund fehlerhafter Unterbringung verletzt worden sei.
Von Dritten benachrichtigt
Die Vorwürfe lassen leer schlucken. Aber muss ein Landwirt nach einer Peta-Anzeige tatsächlich mit einer Strafe rechnen? Dazu hilft ein Blick in die Vergangenheit. Vor fast einem Jahr hat Peta einen Landwirt angezeigt, der durch einen Stallbrand in Sax SG rund 400 Schweine verloren hatte.
Die damalige Begründung für die Anzeige von Peta ist auf den Wortlaut identisch mit der aktuellen. Der betroffene Landwirt sagt heute am Telefon gegenüber der BauernZeitung, er habe von der Anzeige nur über die Medien erfahren. Weder die Staatsanwaltschaft noch Peta habe sich jemals bei ihm gemeldet. Und das sei eigentlich auch gut so.
Kein hinreichender Verdacht
Wir fragen bei der Staatsanwaltschaft Kanton St. Gallen nach, wie der Stand der Ermittlungen im Fall Sax ist. Peta habe die Anzeige letzten März eingereicht, bestätigt eine Sprecherin. Gerichtet sei sie gegen «Unbekannt».
Die St. Galler Justiz hat das Verfahren nur einen Monat nach Eingabe der Anzeige abgeschlossen. Offizielle Begründung: Aus der Strafanzeige ergab sich kein hinreichender Verdacht für eine strafbare Handlung. Heisst übersetzt: Die Anschuldigungen von Peta waren aus der Luft gegriffen.
Systematische Anzeigen
10. November 2015, Jun-kershausen, Mitteldeutschland. Stallbrand. Über 100 Schweine fallen den Flammen zum Opfer. Peta zeigt den Landwirt an. Die Worte, mit denen das Fachmagazin «Top Agrar» die Tierrechtler von Peta damals zitierte, sind dieselben wie in der Mitteilung von Ende Januar im Fall Cortébert: «Der Landwirt soll wegen der unzureichenden Brandschutzmassnahmen billigend in Kauf genommen haben, dass die Schweine qualvoll im Feuer ersticken oder bei vollem Bewusstsein verbrennen.»
In den Jahren 2014 und 2015 zeigte Peta in Deutschland systematisch Landwirte an, die bei einem Stallbrand ihre Tiere verloren hatten. Regionale Landwirtschaftsverbände mussten sich einschalten, um Beschuldigungen gegen Landwirte in den Medien richtigzustellen. «Top Agrar»-Redaktor Alfons Deter hat die Klage-Flut damals journalistisch begleitet. Was wurde aus all den Strafanzeigen? Wurden Landwirte tatsächlich verurteilt? «Ich hatte die Fälle zwar nie weiterverfolgt», schreibt Deter auf Anfrage der BauernZeitung.
«Ich habe keine Angst»
«Ich weiss aber aus Zeitungsberichten, dass die Anzeigen von der Staatsanwaltschaft später abgewiesen worden sind». Dass die Anzeigen keine grossen Chancen hätten, wisse Peta schon von vornherein. «Ihr Ziel ist es, das Thema in die Öffentlichkeit zu tragen», sagt Deter.
Fürchtet sich Christine Wüthrich vor der Anzeige gegen sie und ihre Familie? Am Telefon sagt sie, dass sie von den Anschuldigungen nichts halte. Der Stall sei 2015 neu gebaut worden. Man hätte auf alle baulichen Brandschutzmassnahmen geachtet und alles getan, um die Tiere zu retten. Auch bei Christine Wüthrich hat sich Peta noch nie gemeldet.