Die Zukunft ist eine ungewisse Sache. Für jede und jeden, jederzeit. Manchmal scheint es aber, als sei sie an gewissen Punkten im Leben noch etwas ungewisser. Zum Beispiel am Ende einer Ausbildung. An diesem Punkt ist Rahel Boss bald angelangt. Sie schreibt im Moment an ihrer Bachelor-Arbeit und wird voraussichtlich in einem halben Jahr fertig sein mit ihrem Agronomie-Studium an der HAFL in Zollikofen BE.
Was kommt danach? «Ich weiss es noch nicht», lautet die Antwort der 24-Jährigen. Eigentlich würde sie es gerne wissen, erklärt sie. «Aber jetzt habe ich halt noch etwas Geduld», meint sie achselzuckend. So sehr belastet sie also die ungewisse Zukunft nicht. Sie sieht sie vielmehr als Chance und hat schon einige Ideen, was sie künftig machen möchte.
Eigene Erfahrungen sammeln
Zum einen hat Rahel Boss letzten Winter herausgefunden, dass sie gerne unterrichtet. Den Berufsschülern etwas über die Fütterung von Geflügel beizubringen hat ihr Spass gemacht. «Ich möchte anderen etwas weitergeben, das ich selbst gelernt habe», sagt Boss. Allerdings findet sie, dass der Lehrerinnen-Beruf noch etwas warten kann. «Lieber sammle ich zuerst andere Erfahrungen, auf die ich dann im Unterricht zurückgreifen kann.» Sie ist dennoch froh, konnte sie durch dieses Unterrichts-Praktikum herausfinden, ob sie gerne vor einer Klasse steht oder ob sie dabei nervös wird. «Anfangs brauchte ich schon etwas Zeit, bis ich mich eingelebt hatte. Aber es gefiel mir wirklich gut», meint die Studentin dazu.
Das «Buuren» brachte neue Interessen
Zum anderen ist Rahel Boss immer wieder «am Buuren». Sie ist zwar nicht auf einem Bauernhof aufgewachsen, war aber schon als Kind auf dem Betrieb der Patentante oder des Onkels zu Besuch. Sie wuchs bodenständig auf und hielt schon früh ihre eigenen Zwerghühner. Nach dem Gymnasium absolvierte sie ein Jahr lang ein Praktikum auf einem Bauernhof im Kanton Jura – und wusste danach, dass die Themen rund um die Nahrungsmittelproduktion ihr Ding sind.
Das hat sich bis heute nicht geändert. Im Gegenteil: «Heute mache ich eigene Pesto und koche Früchte für Konfitüre ein. Das hätte ich früher nicht gemacht», erzählt sie und schmunzelt über ihre neuen Interessen. Während des Studiums suchte und sucht sie immer wieder den Ausgleich in der Praxis. Aktuell arbeitet sie auf einem Berner Betrieb und hilft bei der Kartoffelernte mit. «Ich bin einfach gerne draussen. Nach der körperlich anstrengenden Arbeit bin ich am Ende des Tages sehr zufrieden», sagt sie.
Rahels Tipp
«Wenn wir beim Wandern an einer Alp vorbeikommen, kaufe ich immer gerne ein Stück Käse. Dabei bin ich auf die Bienenwachstücher gekommen. Die eignen sich perfekt, denn darin eingewickelt, kann der Käse gut atmen. Ausserdem spare ich so an Plastik, was der Umwelt zugutekommt. Und natürlich können auch andere Lebensmittel eingewickelt werden, nicht nur Käse.»
Ansteckende Innovation
Es sieht so aus, als könne Rahel Boss in Zukunft noch viele solch zufriedene Feierabende geniessen. Sei knapp drei Jahren ist sie nämlich mit Beat Lisser zusammen. Seit Anfang dieses Jahrs wohnen sie zusammen in einer Wohnung in Mümliswil SO. Von dort aus geht ihr Freund jeden Tag auf den elterlichen Betrieb arbeiten. Er wird diesen in einigen Jahren übernehmen, erzählt Boss. Sie wird dann mit auf den Betrieb ziehen. «Schule auf dem Bauernhof anbieten, fände ich super», überlegt sie laut. Oder einen Hofladen?
An Ideen mangelt es ihr nicht. Aber es komme nicht nur darauf an, was sie sich vorstellen könnte. «Das Umfeld spielt eine grosse Rolle», sagt Boss. Das hat sie selbst erlebt, auf dem Betrieb im Jura: «Dort hatte gefühlt das ganze Dorf Projekte am Laufen. Solche Innovation ist ansteckend.» Andere nehmen sich ein Beispiel und probieren selbst aus, weil sie sehen, dass es funktioniert. Rahel Boss hofft, dass sie von einer solchen Energie ebenfalls angesteckt werden kann – oder vielleicht eines Tages selbst an andere weitergibt.
Sie wünscht sich mehr weibliche Vorbilder
Eigene Vorbilder hat sie durch ihr Studium kennengelernt. Egal ob Dozentinnen, Mitstudentinnen oder Landwirtinnen: Frauen in der Landwirtschaft inspirieren Boss. «Männer machen auch tolle Sachen. Ich finde, dass aber noch viel mehr weibliche Vorbilder in den Vordergrund rücken sollten.» An ihnen will sich Boss ein Beispiel nehmen. Das müsse nicht heissen, dass sie dereinst einen Betrieb manage oder dass sie nur Traktor fahren müsse, erklärt sie. «Es ist einfach wichtig, dass mir als Frau bewusst ist, was ich will und dass ich mich nicht in eine Schublade stecken lasse. Schliesslich, egal ob Mann oder Frau, sollte man die Arbeiten übernehmen, bei denen die eigenen Stärken und Fähigkeiten liegen», sagt Boss.
Nicht ins Detail geplant
Rahel Boss hat sich schon einige Gedanken zur Zukunft gemacht. Es scheint, als wisse sie, was sie will. Auch wenn das noch nicht in einen konkreten Arbeitsvertrag gemündet hat. Sie weiss, wer sie ist. Und das ist viel wichtiger, als den Karriereweg schon bis ins Detail geplant zu haben. Denn die Zukunft kann sich immer noch ändern und bleibt bis zum Schluss … ungewiss.