Wenn ein Kopfsalat oder ein Kohlrabi erntereif ist, dann ist er erntereif. Egal, ob das gerade in den Zeit- und Menüplan der Gärtnerin passt oder nicht. Die einen haben das voll im Griff, andere kommen schon mal leicht in Stress. Für sie ist mehrjähriges Gemüse eine gute Alternative oder Ergänzung – es ist deutlich unkomplizierter. Das Erntefenster ist länger und es vermehrt sich (fast) von allein. Es muss – oder soll–, manchmal gar nicht alles geerntet werden; dadurch entsteht kein Schaden.
Die Gartenfachfrau Silvia Meister hat Kursteilnehmende am LZ Liebegg in Gränichen im Kanton Aargau auf einen Streifzug durch den Schulgarten mitgenommen und mehrjährige, teilweise in Vergessenheit geratene Gemüsesorten vorgestellt, die eine Wiederentdeckung verdienen.
Knollenziest: einfach und langlebig
«Einfach und langlebig», beschreibt Silvia Meister den Knollenziest. Die Blätter und Stängel der mehrjährigen Staude frieren im Winter zurück und treiben jedes Jahr neu aus, die Pflanzen werden etwa 50 bis 80 Zentimeter hoch und blühen im Sommer in einem schönen Violett. Am Ende seiner Wurzeln bildet der Knollenziest perlmuttfarbige Speicherwurzeln aus – diese kommen auf den Teller. Zum Lagern sind sie nicht geeignet, dafür können sie, wenn es der Boden zulässt, vom November bis in den Februar hinein geerntet werden. «Mit einer Bürste waschen und einem Küchentuch trocknen. Roh, fein geschnitten im Blattsalat verwenden, kurz dünsten oder in Butter braten – geniessen», lautet die Anweisung von Silvia Meister. Das Fruchtfleisch ist saftig und fest und erinnert im Geschmack an Artischocke, Schwarzwurzel oder Blumenkohl.
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Neue Knöllchen des Knollenziests können im Frühling ausgepflanzt werden. (Bild Ruth Aerni)
Im Garten ist der Knollenziest durchsetzungsfähig und eignet sich nicht in Mischkulturen. Möglich ist auch der Anbau in einem Topf, beim Ernten gemäss Silvia Meister sogar ein Vorteil – «für die Ernte einfach umkippen». Knollenziest mag es halbschattig bis sonnig, der Nährstoffbedarf ist mittel, genügend Wasser dankt er mit mehr und grösseren Wurzelknollen. Neue Knöllchen werden im Frühling ausgepflanzt. Im Herbst und Winter werden die grössten Knöllchen ausgelesen und in lockerem Boden eingeschlagen, bis sie im Frühling ins Beet kommen.
Winterheckenzwiebeln: Vitamine und Geschmack im Teller
Winterheckenzwiebeln treiben schon im Februar aus und bringen früh im Jahr bis in den Winter hinein Vitamine und Geschmack auf den Teller. Winterheckenzwiebeln mögen Sonne und nährstoffreiche Böden; eine Kompostgabe im Frühling und Sommer erhält sie wüchsig und gesund. Die langen, dicken Röhren lassen sich wie Schnittlauch roh im Salat oder als Dekoration verwenden, oder sie werden geschnitten und bei einem Gericht kurz vor Ende der Garzeit zugegeben. Essbar sind auch die weissen Blütenkugeln.
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Ein Horst Winterheckenzwiebeln. Die grünen Röhren lassen sich wie Schnittlauch verwenden. (Bild Ruth Aerni)
Guter Heinrich: Der beste Spinat
Für Silvia Meister ist Guter Heinrich der beste Spinat. «Ohne Oxalsäure, gut verträglich und mild im Geschmack, auch Kinder mögen ihn.» Die jungen Blätter mitsamt Stängeln werden im April bis Mai geschnitten. Sie kommen roh als Salat oder gedünstet auf den Tisch.
Die Alpenpflanze gedeiht im Halbschatten und an der Sonne, bleibt jahrzehntelang am selben Standort und sät sich auch selber aus. Obwohl der Gute Heinrich in höheren Lagen wächst, mag er es nährstoffreich – auch auf den Alpen liegen Kuhfladen. Im Garten bekommt er im Frühjahr Kompost und organischen Gemüsedünger und während des Wachstums nochmals organischen Dünger. Für saftige, schmackhafte Blätter braucht er genügend Feuchtigkeit und sollte während Trockenperioden gegossen werden.
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Der Gute Heinrich wagt sich in diesem frostigen Frühling zaghaft an die Erdoberfläche. (Bild Ruth Aerni)
Topinambur: Nur unter kontrollierten Bedingungen
«Zum Angewöhnen eignen sich Topinambur-Chips», rät Silvia Meister. Denn das Gemüse kann Blähungen verursachen. Schälen macht es auch leichter verdaulich. Topinambur ist robust, winterhart und praktisch frei von Krankheiten und Schädlingen. Diese Stärken sind gleichzeitig ein Makel. Wenn Rhizome in die freie Natur gelangen, vermehren sie sich rasant und verdrängen als Neophyten die einheimische Flora.
Unter kontrollierten Bedingungen erfreut Topinambur aber das Gärtnerherz. Silvia Meister empfiehlt, die Knollen bis Mitte April oder Ende Oktober/Anfang November einreihig an einem sonnigen Platz zu pflanzen. Entlang eines Zauns dienen die bis zu zwei Meter hohen Pflanzen gleichzeitig als Wind- und Sichtschutz. Sie blühen im Spätsommer, die gelben Blumen machen sich gut in Sträussen.
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Topinambur sind praktisch frei von Krankheiten und Schädlingen und einfach zu kultivieren, dürfen aber nicht in die freie Natur gelangen. (Bild Ruth Aerni)
Wilde Rauke: In verschiedenen Varianten
Die Wilde Rauke ist eine mehrjährige Staude, von der es verschiedene Sorten gibt, etwa mit Wasabi-Geschmack oder mit dekorativen roten Blattadern. Am besten schmecken die jungen Blätter, zum Beispiel im Salat oder als Belag für Bruschetta. Die Blüten sind ein würziger, süss-scharfer Farbtupfer in Blatt- oder Gemüsesalaten.
Die Wilde Rauke wächst etwas langsamer als die Gartenrauke. Sie wird ab April direkt ins Beet ausgesät und mag sonnige bis halbschattige Standorte. Leicht gedüngte Erde genügt ihr. Steht sie zu heiss und zu trocken, stängelt sie rasch auf. Wer erst im Sommer ernten möchte, schneidet die Blütentriebe konsequent ab. Im Herbst wird die ganze Pflanze zurückgeschnitten und treibt im Frühling wieder zeitig aus.