Letzte Woche bekam ich ein Päckli vom Heidi vom Aegerisee. Der Inhalt: ein Fläschchen «Toni-Kirsch» und ein Säckli Magenbrot. Natürlich habe ich gleich zum Hörer gegriffen und die folgende Plauderstunde war Freude pur. Heidi und Toni habe ich vor Jahren in Weggis am Heirassa-Festival (der Mercedes unter den Volksmusikanlässen) kennengelernt. Beide feiern dieses Jahr ihren achtzigsten Geburtstag, beziehungsweise: Sie sind sich unschlüssig, ob sie ihren Jubeltag mit Freunden feiern sollen oder dürfen.

Wer s’Heidi kennt weiss, dass Abwarten und Tee (mit Kirsch) trinken nicht ihr Ding ist, bei ihr werden Nägel mir Köpfen gemacht. Also hat sie kurzerhand entschieden, allen Freunden zum Valentinstag etwas Genussvolles zu schicken. Schliesslich seien ja alle mal verliebt gewesen und Liebe geht (laut ihrem Toni) bekanntlich durch den Magen, «Potz Nägeli und Chuttleblätz».

Eine Frau musste kochen können

Bei unserer ersten Begegnung hat mir Toni erklärt, dass man früher nicht so auf die Schönheit der Frauen geschaut habe: «Guet Choche muess sie chöne, vo dä Schönheit häsch nid gfrässe.» Dabei zwinkerte er seiner Heidi verschmitzt zu und fügte an: «Han dopplet Glück gha, sie isch au no ä Schöni.»

Als sie Anfang der 60er-Jahre geheiratet haben, waren sie finanziell nicht auf Rosen gebettet und Toni musste sich nebst der kleinen Landwirtschaft einen Zusatzverdienst suchen. Diesen fand er in einem Baugeschäft, anfänglich als Allrounder und später als Bauplaner. Heidi hat zu Hause zum rechten geschaut und im Homeoffice Reiseprospekte übersetzt. Mindestens dreimal in der Woche hat sie ihrem Toni das Mittagessen auf die Baustelle gebracht.

Mit dem Kochtopf auf dem Gepäckträger

Pünktlich um fünf nach zwölf fuhr sie jeweils mit einem heissen Kochtopf auf dem Gepäckträger ihres Velosolex vor, für damalige Zeiten ein Blickfang sondergleichen. Meistens gabs «Chuttle oder Gschtell anere wiise Soose, Chäsmaggrone oder ä deftigi Gmüessuppe mit Schnörrli». Damals blieb bei einer Metzgete nichts übrig, alles vom Schwänzli bis zum Schnörrli wurde verwertet. Das war noch Wertschätzung pur gegenüber der Sau, dem Rind und überhaupt, meinte Heidi am Telefon.

Heute verschlingt die Gesellschaft über Mittag Fastfood, was nur fett und nicht satt macht und seit 14 Tagen gibt es bei den orangen Grossen schon wieder Erdbeeren aus Spanien mit Ökobilanzstudie (von einer unabhängigen Umweltberatungsfirma). Damit beim Griff zu den billigen roten Beeren kein schlechtes Gewissen aufkommt (wenn man überhaupt eines hat), wird einem suggeriert, dass der Transportweg gemessen an der gesamten Umweltbelastung sehr gering ins Gewicht fällt. Heidi meinte, dazu brauche es doch keine Studie. «Hirn iischalte» genüge vollkommen.

Ja, wir haben noch lange über gesunde Ernährung philosophiert und ich werde nächste Woche Heidis «Chuttlerezept mit wiiser Soose» anstelle der Tomatensauce mit Kümmel, ausprobieren. Auf Neudeutsch heisst das «nose to tail». En Guete.

 

Zum Autor

Virginia Stoll ist Geschäftsführerin des Schaffhauser Bauernverbands. Sie schreibt regelmässig für die Rubrik «Arena» im Regionalteil Ostschweiz/Zürich der BauernZeitung.